Juncker rechnet damit in scharfer Form mit dem Spitzenpersonal der EU-Staaten einschließlich Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsidenten Nicolas Sarkozy ab. Seine Befürchtung sei, dass auch keine neue proeuropäische Politikergeneration heranwachsen könne, „wenn die jetzige Generation sich nicht besinnt auf die Betonung des Gemeinsamen und das Kleinermachen der Unterschiede. Es fällt uns schon schwer, das Erbe derer, die vor uns da waren, zu bewahren. Wenn wir das noch mehr zerstückeln, wird das immer schwerer.“
Der Regierungschef, der zugleich Vorsitzender der Euro-Gruppe der Finanzminister aus den 16 Euro-Staaten ist, macht damit auch seinem Ärger über die langwierigen Diskussionen über die Hilfen für Griechenland Luft, bei denen Deutschland eine Entscheidung immer wieder gebremst hatte. Juncker hatte in der vergangenen Woche die Verhandlungen geführt.
Er sei zwar „sehr zufrieden mit der Entscheidung und der konstruktiven Rolle der Bundesregierung“ beim Beschluss des Hilfspakets am Sonntag. Aber er mache sich Sorgen, dass es in Deutschland „zu großes Zögern gibt, wenn es um Europa geht“.
Er sei weder gegen Nachdenklichkeit noch der Meinung, dass mehr Europa immer besser sei. „Aber dass man zuerst einen innenpolitischen Blick auf europäische Themen wirft anstatt einen europäischen Blick auf innenpolitische Zustände, das macht mich schon besorgt.“
Er verstehe nicht, warum die Vorteile der gemeinsamen Währung und der EU insgesamt von den verantwortlichen Politikern in den Hauptstädten nicht deutlich gemacht würden. „Die Regierungschefs, die Minister, viele andere tun sich unendlich schwer damit, den europäischen Bürgern zu vermitteln, wo Europa funktioniert.“ Dabei hätten sich diese Vorteile gerade in der Krise gezeigt.
Man müsse sich einmal vorstellen, in den vergangenen 20 Jahren hätte es weder die Einführung des Euro noch die Osterweiterung gegeben, argumentierte der christdemokratische Politiker. „Wir hätten 25 oder 26 nationale Währungen mit nationaler Geldpolitik und Zentralbankentscheidungen, die sich gegenseitig aufheben würden.“