Ich habe ohne weiteres Verständnis dafür, dass den amerikanischen Anwärtern auf die Präsidentschaft angesichts der gnadenlosen Knochenmühle des Wahlkampfs mit 18-Stunden-Tagen und 100.000 Worten pro Tag in Interviews, Reden, Debatten usw. Ausrutscher unterlaufen. Es ist unschön, wie versucht wird, aus jedem – teilweise offenkundigen – Versprecher politisches Kapital zu schlagen. Andererseits dürfen dies nur vereinzelte Fehler sein, denn wer das wichtigste Amt auf diesem Planeten anstrebt, muss in der Lage sein, auch ganz extremem Druck standzuhalten. Obama kann dies nicht.
Von Joachim Steinhöfel
Am Memorial Day hielt er vor Veteranen in New Mexico eine Ansprache in der er behauptete:
„Ich hatte einen Onkel, der bei den ersten amerikanischen Truppen war, die Auschwitz eroberten und befreiten.“
Auschwitz liegt im Süden Polens und wurde im Januar 1945 von der roten Armee befreit. Man sollte sich kurz vor Augen führen, wie die öffentliche Reaktion auf eine derartige Bemerkung gewesen wäre, hätte Ronald Reagan sie gemacht oder käme sie von George W. Bush oder John McCain. Das Team von Obama brauchte immerhin knapp zwei Tage, um diesen erneuten Aussetzer zu korrigieren. Ich bin nicht der Auffassung, dass Obama hier vorsätzlich gelogen hat, wie manche vermuten. Ich glaube, dass Obama es einfach nicht besser weiß. Wer allerdings Auschwitz und Buchenwald (dort war der Onkel tatsächlich) verwechselt, wer nicht weiß, dass Ausschwitz im Süden Polens liegt und amerikanische Truppen nie bis dort vorgedrungen sind, hat historische Wissenslücken, die ihn für das Präsidentenamt ungeeignet machen. Obama macht sich lächerlich, er wird zum Pannenkandidat, den niemand mehr ernst nehmen kann. Erschwerend ist, dass dieser Aussetzer sich an eine ganze Reihe vergleichbarer Vorfälle anschließt. Noch am gleichen Tag tat sich der Messias der Demokraten in der gleichen Rede mit scheinbar übersinnlichen Fähigkeiten hervor:
“An diesem Volkstrauertag, an dem wir als Nation unsere gefallenen Helden ehren – und ich sehe viele von Ihnen hier heute im Publikum – ist unser Patriotismus besonders groß.”
Der Messias kann Tote sehen. Am Volkstrauertag gedenkt man der Toten – weiß Obama das nicht? In Oregon, im Mai, verkündete er in Bezug auf seine Wahlkampftournee:
„I’ve been in 57 States ? I think one left to go.“
Ein Präsidentschaftskandidat in spe sollte wissen, aus wie vielen Staaten das Land besteht, das er regieren möchte.
Offenkundig um außenpolitisches Profil zu gewinnen, wird Obama möglicherweise demnächst auch Deutschland besuchen. Der Regierungsbeauftragte für die deutsch-amerikanischen Beziehungen, Karsten Voigt (SPD), träumt schon davon, ihm eine Rede vor dem Brandenburger Tor zu ermöglichen. Ob es tatsächlich angemessen ist, einem geschichtsvergessenen Vertreter des Appeasement an dem Ort einen Wahlkampfauftritt zu gestatten, an dem Ronald Reagan seine historische Rede hielt („Mr. Gorbachev, open this gate! Mr. Gorbachev, tear down this wall!“), möchte ich bezweifeln.
Obama steht für keinen der Werte, für den Ronald Reagan stand und es ist falsch, ihm, solange er noch nicht einmal nominiert ist, an einem derart geschichtsträchtigen Ort Wahlkampfhilfe zu leisten.
Seine außenpolitischen Detailkenntnisse hat Obama diesen Mai in einem weiteren Fall andernorts (Cape Girardeau, Missouri) unter Beweis gestellt, als er bemerkte, die USA hätten für den Krieg gegen den Terror halt nur eine begrenzte Zahl von Übersetzern und „wenn diese alle im Irak sind, ist es schwieriger, sie in Afghanistan einzusetzen“. Das stimmt, insbesondere wenn man bedenkt, dass die Iraker arabisch oder kurdisch sprechen, die Afghanen aber Persisch, Paschto oder ca. 50 weitere nicht-arabische Sprachen.
Ein weiterer Beweis des historischen Wissens, die der Messias mit seinem Vorhaben, mit jedem lebenden Massenmörder oder Diktator bedingungslos zu verhandeln, verbindet, ist die These, auch die Präsidenten Harry Truman und Franklin Roosevelt hätten mit den damaligen Feinden der USA verhandelt. Von wem spricht Obama? Von Stalin, der damals Verbündeter der USA im Kampf gegen Nazi-Deutschland war? Kann es sein, dass er sich an ein Foto aus Yalta erinnert und allein darauf seine „neue Außenpolitik“ beruht?
Wer mit derartiger intellektueller Insuffizienz öffentlich auftritt, darf sich dann an der Unterstützung eines weiteren Diktators, Mörders und Folterers erfreuen: Fidel Castro.
» Washingtonpost.com: Where in the world is Auschwitz?
© Joachim Nikolaus Steinhöfel 2008