Geheimer Mitschnitt enthüllt, wie der Kopenhagener Klimagipfel scheiterte. China und Indien blockierten eine Einigung auf konkrete Einsparungsziele von Treibhausgasen und düpierten damit Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Europäische Union.
Beim Weltklimagipfel von Kopenhagen hat es ein viel tieferes Zerwürfnis zwischen
China und der EU gegeben, als bisher bekannt war. Das belegt ein geheimer Mitschnitt
der entscheidenden Verhandlungsrunde mit 25 Staatschefs, der dem Nachrichten-
Magazin DER SPIEGEL vorliegt und in seiner aktuellen Ausgabe dokumentiert
wird. Die Tonaufnahme, die durch ein technisches Versehen entstand, stammt
vom Nachmittag des 18. Dezember 2009. Sie enthüllt, wie China und Indien eine
Einigung auf konkrete Einsparungsziele von Treibhausgasen blockierten und damit
Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Europäische Union düpierten. In dem fast
90minütigen Treffen fuhr Merkel den indischen Premierminister Manmohan Singh
an: „Aber dann wollen Sie nichts rechtlich Bindendes!“ Der entgegnete mit lauter
Stimme: „Das ist nicht fair!“ Noch ungehaltener reagierte Frankreichs Staatspräsident
Nicolas Sarkozy auf China, dem er mangelnden Willen zum Klimaschutz vorwarf:
„Bei allem Respekt vor China. Man muss auf diese Scheinheiligkeit reagieren.“
US-Präsident Barack Obama beschwerte sich über den diplomatischen Affront,
nur mit dem chinesischen Unterhändler He Yafei statt mit Premierminister
Wen Jiabao zu sprechen, der in seinem Hotelzimmer geblieben war. „Ich weiß, dass
hier ein chinesischer Premier ist, der wichtige politische Entscheidungen fällt.“
Dem Unterhändler hielt Obama vor: „Er gibt Ihnen in dieser Phase Instruktionen.“
He Yafei zeigte sich davon unbeeindruckt. „Ich spreche hier nicht für mich selbst.
Ich spreche im Namen Chinas.“ Den Vorschlag Europas, das Einsparungsziel von
50 Prozent Treibhausgas bis 2050 in das Kopenhagener Abschlusspapier aufzu -
nehmen, wiegelte He brüsk ab: „Danke für alle Ihre Vorschläge. Wir haben gesagt,
dass wir das langfristige Ziel von 50 Prozent nicht akzeptieren können.“
DER SPIEGEL 18/2010