Auch wenn ein grasgrüner Hunderter am Montag genauso aussah wie in der Woche davor: Es war plötzlich anderes Geld. Die Währung, mit der wir seit diesem Wochenende bezahlen, ist nicht die gleiche wie zuvor. Per währungspolitischem Staatsstreich wurden wir um unser bisher hartes Eurogeld gebracht.
Kommentar von Christian Ortner ("Die Presse") zum Währungsputsch in Brüssel
Die meisten Bewohner von Euroland haben es möglicherweise nicht gleich bemerkt, aber in der Nacht von Sonntag auf Montag dieser Woche haben die europäischen Regierungschefs und Finanzminister nichts Geringeres als eine waschechte Währungsreform beschlossen und durchgeführt. Auch wenn ein grasgrüner Hunderter am Montag genauso aussah wie in der Woche davor: Es war plötzlich anderes Geld. Die Währung, mit der wir seit diesem Wochenende bezahlen, ist nicht die gleiche wie zuvor.
Denn jener Euro, den wir bisher verwendet haben, war ja bekanntlich eine Art guter alter D-Mark in neuem Design: hart, wertbeständig und vor allem von einer politisch völlig unabhängigen Zentralbank gelenkt, die sich keinen Deut um die Schuldengebirge der Politik scherte.
Damit ist jetzt Schluss: Indem die EZB am Wochenende dem politischen Druck der Regierungschefs nachgab und den Ankauf von Staatsanleihen der Pleitekandidaten begann – was ihr Chef Trichet noch Tage zuvor ausgeschlossen hatte –, unterwarf sie sich dem Primat der schuldensüchtigen Politiker der Eurozone. Neue Regeln, neue Währung.
Und indem sie ihre Haltung öfter und schneller wechselte als Herr Trichet die Hemden, hat die EZB vor allem jegliche Glaubwürdigkeit eingebüßt, eines der wichtigsten Assets jeder Notenbank. Wenn Trichet also nun etwa behauptet, die Anleihenkäufe würden so durchgeführt, dass dadurch die Geldmenge nicht inflationstreibend erhöht wird, kann man ihm das glauben. Oder auch nicht, was wohl eher empfehlenswert ist. (Weshalb Trichet übrigens auch schnellstens aus gesundheitlichen Gründen zurücktreten und einem Vertreter der Bundesbank Platz machen sollte.)
Nicht nur das Ende der Unabhängigkeit der EZB führte zu einer De-facto-Währungsreform, sondern auch die sonntags verkündete – gesetzwidrige – Kollektivhaftung aller Euroländer für alle Euroländer. Denn damit wird die Eurozone natürlich früher oder später zu einer inflationsanfälligen Weichwährungszone. Wer sich noch erinnern kann, wie wenig werthaltig sich Lirenoten, Drachmen oder gar Ostblockgeld angefühlt hat, weiß, wie solide der Euro mit hoher Wahrscheinlichkeit in ein paar Jahren daherkommen wird.
Bemerkenswert ist übrigens auch die verhaltensoriginelle Art und Weise, wie diese Währungsreform zustande kam: nämlich ohne dass ein einziger Volksvertreter dem vorerst zugestimmt hat; im Grunde also ein währungspolitischer Putsch.
Dass zwar über so essenzielle Fragen wie den Hundeführschein in Wien oder das Rauchverbot in Bayern das Volk befragt wird, nicht jedoch über eine derartig gravierende Währungsreform, lässt die demokratische Verfasstheit Europas in einem wenig vorteilhaften Lichte erscheinen.
Angesichts des Umstandes, dass wir im Zuge dieser Währungsreform um unser bisheriges gutes Geld betrogen worden sind, überrascht freilich wenig, dass wir nicht gefragt werden, ob wir diesem Betrug auch zustimmen.