In die anhaltende Diskussion um die Rating-Agenturen kommt neuer Schwung. Erst kürzlich hat der Gouverneur der französischen Zentralbank, Christian Noyer, vorgeschlagen, neben den amerikanischen Platzhirschen nun auch europäische Rating-Agenturen zu etablieren.
von Bernd Raschkowski
Innerhalb der deutschen Regierung wird dieser Vorstoß überwiegend positiv aufgenommen. Doch fangen wir erst einmal von vorne an. Generell besteht die Aufgabe einer Rating-Agentur darin, die Kreditwürdigkeit von potenziellen Schuldnern zu überprüfen und daraus eine Bewertung für Kapitalanleger herzustellen. Ein Land mit sehr guter Bonität gilt als hoch solide, eine Investition in seine Staatsanleihen als risikolos. Die Beurteilung der potentiellen Schuldner wie Unternehmen oder auch Staaten erfolgt hierbei nach strengen, objektiven Kriterien und wird permanent überprüft – so zumindest die Theorie.
Mitschuld an der Bankenkrise
Vielleicht erinnern Sie sich noch: Nach dem Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 rückten auch die Rating-Agenturen als mitschuldige Akteure in den Blickpunkt und stehen seitdem unter harscher Kritik. Der Vorwurf lautet zusammengefasst, dass sie spekulative Finanzprodukte und angeschlagene Unternehmen mit besten Ratings versehen haben und damit die hohen Risiken verschleiert haben. Ob absichtlich oder unwissentlich sei mal dahingestellt. Kleines Beispiel: Die Rating-Agentur Fitch hatte die Pleitebank Lehman Brothers noch am Tag ihres Zusammenbruchs mit der drittbesten Note (A+) bewertet! Als spätere Folge kam unter anderem auch die Mittelstandsbank IKB ins Taumeln. Nämlich dann, als die Rating-Agenturen ihre Fehler korrigierten und somit zweifelhafte Wertpapiere in der Bilanz der IKB innerhalb kurzer Zeit extrem an Wert verloren.
Verschärfung der Schuldenkrise
Daneben wird in letzter Zeit ebenfalls die Abstufung einzelner Länder kritisch gesehen. Verschiedene Rating-Agenturen hatten in den vergangenen Monaten südeuropäische Länder herabgestuft und damit die Euro-Krise verschärft. Hintergrund ist, dass es für die betreffenden Länder nun schwerer geworden ist, ihre Staatsanleihen abzusetzen, über die sie ihre Schulden finanzieren. Griechenland oder Spanien müssen für ihre Kredite jetzt zudem höhere Zinsen zahlen, da das Risiko - abgeleitet von den Qualitätsurteilen der Agenturen - höher erscheint. Wirtschaftsexperten und Politiker sehen darin einen Hauptgrund für die Turbulenzen an den Anleihemärkten. Aus Sicht der Agenturen ist dieses Vorgehen allerdings verständlich, schließlich wurden sie zuvor für ihre laxe und viel zu späte Überprüfung der Ratings heftig kritisiert. Nun agieren sie strenger (nach Meinung vieler Experten zu streng), um nachher nicht wieder attackiert werden zu können. Das größte Problem liegt allerdings darin, dass europäische Länder und Unternehmen kritischer beurteilt werden als amerikanische. So lautet zumindest die Vermutung europäischer Wirtschaftverbände.
Amerikanische Agenturen dominieren
Weltweit gibt es drei große Rating-Agenturen, die den Markt für Bonitätsbewertungen quasi komplett unter sich aufteilen. Da wäre zum einen die Agentur Fitch mit einem Unternehmenssitz in New York, dann die auch in New York ansässige Rating-Agentur Moody's und dann noch Standard & Poor's - Hauptsitz ebenfalls in New York. Klingelt`s? Kritiker werfen den Agenturen vor, amerikanische Schuldner stets mit einer besseren Note zu versehen, obwohl tendenziell ähnliche Probleme wie in Europa bestehen (als Beispiel sei an dieser Stelle Kalifornien genannt).
Gegengewicht für mehr Wettbewerb
Vor dem Hintergrund der unter anderem durch die Rating-Agenturen ausgelösten Finanzkrise fordern nun immer mehr Politiker ein europäisches Pendant zu dem amerikanischen Oligopol. Erst vor wenigen Tagen betonte Christian Noyer, Gouverneur der französischen Zentralbank, dass der Ratingmarkt relativ leicht durch neue Wettbewerber belebt werden könnte. Kreditversicherer wie Euler-Hermes oder Coface könnten seiner Meinung nach leicht eigene Ratings ausgeben, da die Kreditversicherer sowieso das nötige Wissen und entsprechende Erfahrungen in dem Bereich hätten.
Zahlreiche Experten begrüßen den Vorschlag zur Einrichtung europäischer Rating-Agenturen. „Dies fördert den Wettbewerb und könnte helfen, bestehende Schieflagen in der Bonitätsbewertung zwischen Europa und den USA zu beenden“, lobt zum Beispiel Andreas Rees, Chefvolkswirt der UniCredit, die Idee. Zwar seien einige europäische Länder in den vergangenen Wochen zu Recht herabgestuft worden, doch die USA würden weiter bevorzugt, hieß es folgend. Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble äußerte sich positiv zu dem Entwurf aus Frankreich. Er begrüße die Pläne zum Aufbrechen der Marktmacht der Agenturen, so Schäuble.
Ob ein europäisches Gegengewicht dann tatsächlich objektiver über die Schuldner werten würde, mag ich selbst nicht beurteilen. Auf jeden Fall würde jedoch mehr Wettbewerb entstehen und somit der Markt ordentlich aufgerüttelt werden. Alleine schon aus diesem Grund hoffe ich auf das Durchsetzten des angesprochenen Vorschlags. Daumen drücken ist angesagt.
Steffens Daily --->stockstreet.de