Mit einem außergewöhnlichen Hilferuf setzt sich das Europaparlament gegen die Übermacht der Finanzlobby zur Wehr. „Das Ungleichgewicht zwischen der Macht dieser Lobby und mangelnden Gegenexpertisen erscheint uns als Gefahr für die Demokratie“. - „Es gibt keine neutrale Instanz, die die Zahlen der Banken überprüfen kann."
Mit einem außergewöhnlichen Hilferuf setzt sich das Europaparlament gegen die Übermacht der Finanzlobby zur Wehr. „Das Ungleichgewicht zwischen der Macht dieser Lobby und mangelnden Gegenexpertisen erscheint uns als Gefahr für die Demokratie“, schreiben die für die Regulierung des Finanzsektors verantwortlichen Abgeordneten in einem fraktionsübergreifenden Aufruf, den sie heute EU-weit verbreiten wollen.
In dem der Financial Times Deutschland (Montagsausgabe) vorliegenden Papier fordern sie die Bürger auf, schlagkräftige Nichtregierungsorganisationen für die Reform der Finanzmärkte zu gründen. „Uns fehlen Stimmen, wie wir sie mit Greenpeace in der Umwelt- oder Misereor in der Entwicklungspolitik haben“, sagte der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold.
Für die Finanzmärkte habe bisher keine Gewerkschaft oder Denkfabrik eine Expertise entwickelt, die derjenigen der Geldbranche standhalte, beklagten auch Burkhard Balz (CDU) und Udo Bullmann (SPD). Banken würden die Politik mit Horrorszenarien über die Folgen schärferer Regeln einschüchtern, so Bullmann: „Es gibt keine neutrale Instanz, die die Zahlen der Banken überprüfen kann. Aber es ist eine Menge Geld fürs Lobbying da, um jeden dummzuschwätzen.“
Anders als die Landtage oder der Bundestag verfügt das Europaparlament über keinen eigenen wissenschaftlichen Dienst, der die Abgeordneten unterstützt. „Da sehe ich ein Defizit“, sagte der CDU-Politiker Balz. „Aber die Hedge-Fonds- und Private-Equity-Manager sind geballt nach Brüssel gefahren, um mit Abgeordneten zu sprechen. Das war die reinste Überflutung an Terminwünschen“, sagte Balz. Manche Lobbyisten wollten ihn sogar am Wochenende zu Hause besuchen.
Der Grünen-Politiker Giegold beklagte das Übergewicht der Finanzbranche in den Expertengruppen der EU-Kommission, in denen sich die Brüsseler Behörde für ihre Gesetzesinitiativen beraten lässt. „Niemand weiß, was dort besprochen wird, es werden keine Protokolle öffentlich“, sagte Giegold. Es müsse ein verbindliches Lobbyregister geben.