In Trubel der WM geht völlig unter, dass die öffentlich-rechtlichen Gebührenabsauger demnächst zur totalen Selbstbedienung greifen. Ab 2013 gilt die Zwangsgebühr für jeden Haushalt, mit und ohne Volksempfänger. Die neue Gebühr ist zwar grundgesetzwidrig - aber daran scheint sich niemand zu stören.
Von Klaus Peter Krause
Rätselfrage: Wenn Sie etwas auch dann bezahlen müssen, wenn Sie es partout nicht haben und nutzen wollen – was ist das? Richtig: die neue Zwangsgebühr für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk von ARD und ZDF von 2013 an. Auch wer weder Radio noch Fernsehgerät noch internet-taugliche Computer besitzt – jeder Haushalt, jede Betriebsstätte muß zahlen. Das ist etwas so, als wenn nun auch Tisch und Stuhl als Rundfunkgerät gelten.
Die Idee ist ausbaufähig
Tolle Idee. Sie ist ausbaufähig. Zum Beispiel eine Theatergebühr für alle, auch für die, die nie ins Theater gehen. Oder eine Schwimmbadgebühr für alle, auch für solche, die baden gar nicht wollen. Vorschlag für den nächsten Schritt: eine Autobahngebühr für alle – ob mit oder ohne Auto. Gewiß, wer Steuern zahlt, zahlt zwar auch heute schon für Theater, Schwimmbäder und Autobahnen, nämlich über die staatlichen Subventionen. Aber mit der Zwangsgebühr entfiele dann der individuelle, ungemein lästige Ticket-Kauf. Sehr, sehr praktisch. Einfach genial. Die Phantasie für weitere solche Streiche gegen die Bürger ist nach oben offen. Wann werden die wegen des Internet schwächelnden Qualitätszeitungen nach Zwangsabonnements rufen, um sich gegen bildungsferne, unterhaltungssüchtige, an Qualität desinteressierte, also unfreundliche Marktkräfte behaupten zu können? Dann hätten wir endlich auch öffentlich-rechtliche Zeitungen.
Kirchhof: Gar nicht so neu die Idee
Die grandiose freiheitsbeschränkende Idee stammt vom einstigen Verfassungshüter Paul Kirchhof, aus seinem (natürlich: unabhängigen) Gutachten, beauftragt dazu von den Bundesländern, bezahlt dafür von ARD und ZDF. Gar nicht so neu, diese Idee, argumentiert er: Mit den Anliegerbeiträgen für alle Bewohner einer Straße, die eine Kommune umbaut, wird das doch schon lange so gemacht, unabhängig davon, ob alle Anwohner vom Umbau einen Nutzen haben. Man sieht, wozu solche Anfangsideen mit der Zeit heranreifen. Wes Brot ich ess’, des’ Lied ich sing’? Das möchte man Kirchhof nicht unterstellen. Immerhin hatte er - das sei zu seiner Ehrenrettung festgehalten – empfohlen, die Werbung in den ARD- und ZDF-Programmen zu streichen, die jährlich rund 400 Millionen Euro einbringen. Auch sollte von der Gebührenpflicht befreit werden, wer die Programme nicht empfängt (gern zitiertes Beispiel: die Almhütte im Funkloch).
Die Gebühr wird zur Steuer
Mit der Umstellung von einer geräte- auf eine haushaltsbezogene Gebühr wird aus dem an sich nutzungsabhängigen Entgelt ein nutzungsunabhängiges. Es ist keine Bezahlung mehr für eine konkrete Leistung, daher dann eine Steuer, eine Haushalts- und Betriebssteuer. Das verdeutlicht: Der Staat verfestigt die Versorgung mit Information und Unterhaltung über öffentlich-rechtliches Radio und Fernsehen nun dauerhaft als hoheitliche Aufgabe. Und als politisches Machtinstrument. So gut einzelne Sendungen auch immer sind: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist politisch verseucht und bekannt dafür, sich dem Zeitgeist und politischem Mainstream zu unterwerfen, also sich am Indoktrinieren zu beteiligen. Das tun zwar auch private Medien, aber die müssen selbst sehen, wie sie zu ihrem Geld kommen, denn ihnen kann man sich ohne Zahlungszwang entziehen.
Die weit überdehnte „Grundversorgung“
Ohnehin sollen sich die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auf die sogenannte Grundversorgung beschränken. Nur sie ist die Legitimation für ihre Existenz. Aber was sie darunter verstehen, definieren sie selbst und haben es, seit die privaten Sender entstanden sind, immer weiter unnötig ausgedehnt. Inzwischen betreiben sie über zwanzig Fernseh- und über sechzig Radioprogramme. Das geht weit über die „Grundversorgung“ hinaus. Ein FAZ-Leser schrieb: „Zwei Fernsehprogramm und vier Rundfunkprogramme reichen dafür vollkommen aus, also ein Zehntel des derzeitigen ‚Angebots’. Und dafür müssen drei Euro pro Bürger und Monat vollkommen ausreichen. Meinetwegen können die Öffentlich-Rechtlichen darüber hinaus senden, so viel sie wollen. Sie sollen das dann aber verschlüsselt tun: Wer etwas davon abonnieren will, soll es bezahlen.“ Gegenwärtig beträgt die Zwangsgebühr monatlich 17,98 Euro. (FAZ vom 28. Dezember 2009) Hinzukommt, was ein anderer Leser so formuliert hat: „Kaum ein Viertel des heutigen Programms entspricht einem anspruchsvollen Informations- und Bildungsauftrag, der einmal die Gebührenfinanzierung begründete.“ (FAZ vom 22. Dezember 2009)
Austritt verboten: Zwangsmitgliedschaft
Die Umstellung bedeutet Zwangsmitgliedschaft. Ein beitragsbefreiender Austritt aus dem so bunten Kundenkreis der öffentlich-rechtlichen Sender ist nicht möglich. Wir kennen das von den Industrie- und Handelskammern: Unternehmen werden staatlich zur Mitgliedschaft gezwungen – und vor allem zum Zahlen. Die Zwangsmitgliedschaft bei den Öffentlich-Rechtlichen verletzt die für den Einzelnen grundgesetzlich geschützte Informationsfreiheit. Zu dieser Freiheit gehört auch das Recht, einen ungewollten Informanten abzulehnen und sich seinem Informationsangebot zu verweigern, ohne für dieses Angebot trotzdem zahlen zu müssen. Die Sender können noch ungestrafter anbieten, was immer sie wollen, ohne auf die Akzeptanz ihres Angebots bei der Kundschaft angewiesen zu sein. Ihre Programme können noch so flach und miserabel, noch so indoktrinierend und politisch korrekt sein, sie bekommen für den Mist den für die Zwangskunden festgelegten Preis. Ansehen müssen diese ihn nicht, aber für ihn bezahlen.
Der staatliche Strick
Man kann auch sagen: Mit der Neuregelung wird der staatliche Strick, der die Freiheit der Bürger ohnehin immer mehr stranguliert, wie zu einem Strick, den ein hinzurichtender Delinquent vorher selbst kaufen muss und dem Henker klaglos und in Demut zu überreichen hat.