Halbwahrheiten und Falschinformationen prägen den derzeitigen Titel des deutschen Wochenzirkulars. DER SPIEGEL, das Presseorgan des Finanzministeriums?
„Angriff auf den Wohlstand" - der Titel ist schon korrekt. Inflation lässt die Kaufkraft des Euro schmelzen wie Butter in der Sonne. Abgaben und Steuern geben dem Bürger den Rest. Doch in dem ewigen Bemühen, dem Leser einen echten Bösewicht zu präsentieren, ist der Feind des Wohlstands beim „Spiegel" schnell identifiziert: Der Spekulant.
Hedgefonds, Banken, Investmentfonds, Massen von Kleinanlegern seien für die hohen Rohstoffpreise verantwortlich. Das ist griffig. Das kapiert jeder.
Böse Spekulanten kaufen Kakao und Öl und treiben damit die Preise hoch. Wo tun sie das? An Terminbörsen, an denen Futures gehandelt werden. Damit verteuern sie die Rohstoffe und sind für den Hunger auf der Welt verantwortlich. So weit, so schlecht.
Gut für den „Spiegel", dass seine Leserschaft die etwas komplexen Zusammenhänge an Terminbörsen nicht versteht. Doch davon einmal abgesehen:
Was das Thema Öl angeht, kenne ich nur Spekulanten, die auf niedrigere Preise spekulieren. Insbesondere das Heer von deutschen Kleinanlegern kauft Puts (Optionen auf fallende Kurse). Doch auch am größten und wichtigsten Ölhandelsplatz der Welt, der New York Mercantile Exchange sind derzeit kaum größere spekulativere Positionen auszumachen. Vielmehr ist es sogar so, dass der spekulative Überhang der drei wichtigen Anlegergruppen Kleininvestor, Fondsverwaltern und Berufshändlern derzeit so gering ist wie seit vielen Wochen nicht mehr. Doch solche Fakten passen nicht in die „Spiegel" Story.
Ferner gilt: An der Terminbörse ist der An- und Verkauf von Futures immer ein Nullsummenspiel. Was der eine kauft, muss ein anderer verkaufen. Und damit sind wir beim alles entscheidenden Mechanismus an den Terminbörsen:
Für jede Wette, die auf steigenden Ölpreis spekuliert, gibt es eine Gegenwette, die genau auf das Gegenteil abzielt. Dort, wo einer auf einen Anstieg wettet, spekuliert ein anderer auf den Abstieg.
Der Spiegel tut freilich so, als wenn die bösen Spekulanten nur eine Richtung kennen: die nach oben. Die Autoren verschweigen völlig, dass immer genau so viele Akteure auf die Gegenrichtung wetten.
Die Summe derer, die auf fallende oder steigende Kurse spekulieren, muss also an den Terminbörsen immer gleich sein. Es ist wie bei einem Magneten: Genauso wenig wie es einpolige Magneten gibt, gibt es Finanzmarktvehikel, die von Natur aus nur auf eine Richtung ausgerichtet sind.
Ein Future der gekauft wird, muss immer auch von jemand anders verkauft werden. Derjenige, der ihn kauft, wettet auf höhere Kurse. Derjenige, der einen Future verkauft, wettet auf sinkende Kurse.
Ein Heer von Spekulanten ist an den Terminmärkten deshalb nicht nachteilig, sondern sogar von Vorteil: Damit werden erratische Schwankungen gemildert. Je mehr Akteure sich ein einem Markt tummeln, desto schwieriger ist es, diesen zu manipulieren. Ein mathematisches Gesetz, Statistik erstes Semester. Das passt natürlich nicht in die „Spiegel" - Story. Stattdessen werden der Vorstadt irgendwelche Jüngelchen präsentiert, die an Rohstoff-Zertifikaten basteln. Motto: Schaut her, auch dieser böse Bub ist für teueres Öl verantwortlich.
Des Weiteren verschweigt der Spiegel völlig, dass auch jene Rohstoffe im Preis steigen, die nicht am Terminmarkt gehandelt werden. Beispiel Phosphor. Der Preis ist um fast 50% gestiegen. Ebenso geht es mit den so genannten „Seltenen Erden" steil nach oben, unverzichtbarer Grundstoff für jede moderne Industrieproduktion. Auch hier kann nicht der Terminmarkt als vermeintlicher Auslöser in Frage kommen.
Ist die Wirkanalyse der Terminmärkte schon ein Stück aus dem Tollhaus von Börsenlaien, so wird diese noch übertroffen von der Frage, welche Rolle die Steuern bei den Benzinpreisen spielen. Der Staat ist laut „Spiegel" mit seiner Steuerpolitik keinesfalls Preistreiber, sondern er leidet sogar unter den hohen Ölpreisen.
Dies ist nun eine Interpretation, die freilich einige Argumentierungskünste erfordert. Der Finanzminister wird mit der Begründung rein gewaschen, dass er zwar höhere Mehrwertsteuern an der Zapfsäule kassiere, aber der Verbraucher dafür auch weniger Schokolade kaufe, weil ihm das Geld fehle. Und da fehlten dann die Mehrwertsteuer-Einnahmen. Wirklich eine sehr pfiffige Analyse des „Spiegel"-Teams.
Besonderen Wert legt der „Spiegel" auf den bemitleidenswerten Umstand, dass der Staat zusätzlich zur Mehrwertsteuer „nur" 65,45 Cent pro Liter Benzin an Mineralölsteuern abzapft und die letzte Mineralölsteuererhöhung schon fünf Jahre zurückliegt. Der „Spiegel" kommt zu dem bedauernswerten Schluss, dass in der Zwischenzeit diese 65,45 Cent nur noch eine Kaufkraft von 61 Cent hätten. Entsprechend folgert das Massenblatt, dass die Mineralölsteuer weiter erhöht werden müsse.
Der „Spiegel" - die Pressestelle des Finanzministers? Vielleicht hat ja Peer Steinbrück persönlich den Artikel in die Feder diktiert. Diese These wird dadurch untermauert, weil der „Spiegel" bei seiner Berechnung wohlweislich die 3 Milliarden Euro unter den Tisch fallen lässt, die der Staat durch die Autobahn Maut einnimmt.
Kein Wort darüber, dass der Staat mit seinen Steuern, Gebühren, Strafen und Klima-Abgaben seine Untertanen derartig aussaugt, dass natürlich am Ende auch weniger Geld an der Zapfsäule übrig bleibt. Und nicht nur dort. Auch für die Dinge des täglichen Lebens bleibt immer weniger Geld übrig.
Dieser Mix aus Geldentwertung einerseits und immer höheren Abgabenbelastung andererseits ist der eigentliche Angriff auf den Wohlstand.
Und hier gehts zu einer ordentlichen Analyse über die Zukunft des Ölpreises: