Wenn Apple ruft, pariert die Presse. Trunken vor Euphorie preist ein Reporter des SPIEGEL das neue Iphone und setzt damit neue Maßstäbe in der Schleichwerbung.
Schleichwerbung kann man das eigentlich gar nicht mehr nennen, denn die Werbung ist offensichtlich. Nur, sie ist nicht als Werbung gekennzeichnet - ein doppelter Vorteil für Apple.
Wenn Steve Jobs ruft, dann kommen sie alle. Und wer es sich nicht leisten kann, dem wird Anreise und Hotel auch schon mal finanziert. Wichtig ist, dass bei dem gut inszenierten Medienspektakel möglichst viele Pressevertreter anwesend sind.
Wie die Kinder auf die Weihnachtsüberraschung warten 5000 „Journalisten" gespannt auf Produktneuigkeiten. Drei Stunden lässt sie Steve Jobs warten. Dann lüftet sich der Vorhang. Tosender Applaus. Die Masse wabert vor Begeisterung. Das neue Iphone ist da.
Tags drauf dann die Jubelartikel in den Medien. So weiß der SPIEGEL Abgesandte folgendes zu berichten:
„Das Modell 2.0 macht alle technische Kritik am Vorgänger vergessen - billiger soll es trotzdem sein. Das Beste sparte sich Apple-Chef Steve Jobs bis zum Ende auf: den Preis. 199 Dollar soll das neue iPhone-Modell in der Acht-Gigabyte-Ausführung kosten - also halb so viel wie der Vorgänger." Guter Hinweis, kleine Rechenhilfe. Jetzt also zugreifen?
Der gesamte Artikel strotzt nur so von naiver Begeisterung für das neue Modell. In der Hand halten und testen konnte es gleichwohl niemand der Anwesenden. Das hält den Jubelreporter jedoch nicht davon ab, ins Detail zu gehen: „Mit Halbheiten wird man sich dennoch nicht begnügen müssen, denn die Ausstattung übertrifft den Vorgänger bei weitem."
Auch in der Wortwahl klingt pure Euphorie durch: „Apple spendiert dem iPhone 3G auch ein GPS-Modul - das stand ganz oben auf der Wunschliste der Iphone-Anwender".
Das kommt bestimmt gut an, wenn Apple etwas „spendiert", suggeriert es doch dem Konsumenten, als wenn hier etwas verschenkt würde. Apple, ein Unternehmen, welches die Wünsche der Kunden berücksichtigt. SPIEGEL - Leser wissen eben mehr.
Kritik? Fehlanzeige.
Noch nicht einmal der Versuch ist zu spüren, eine gewisse Distanz zu Produkt und Unternehmen einzuhalten. Dies ist eine ganz neue Dimension der Berichterstattung, nicht nur im SPIEGEL, sondern in allen Medien.
Für Apple zahlt sich das aus. Das Unternehmen spart nach Angaben eines Insiders geschätzte 20 Million Euro für Werbung und Marketingkosten. Das erledigen die „Journalisten" für lau. Andere Unternehmen müssen ihre Produkte durch „ehrliche Werbung" unters Volk bringen. Von Apple dagegen sieht man kaum Reklame. Kein Problem: Eine euphorische SPIEGEL Veröffentlichung ist bedeutend wertvoller als 10 Seiten Werbung im gleichen Blatt. Ein gutes Geschäft also.