Einerseits wollen Staaten Sparen - andererseits wollen sie nicht die Konjunktur abwürgen. Wie schwierig das Sparen werden kann und wie kaputt die öffentlichen Finanzen in den meisten westlichen Ländern sind - das zeigt der jüngste Bericht der BIS.
Von Markus Gärtner
Die 20 führenden Industrie- und Schwellenländer haben am Wochenende in Toronto eine Halbierung der Budgetdefizite bis 2013 uns Visier genommen. Das klingt dramatisch und ernst. Doch wie unverbindlich die Festlegung ist, zeigt ein Blick in die Gipfel-Erklärung.
Dort wird nämlich auch festgehalten, dass laufende Konjunkturprogramme weitergeführt werden. Wir sparen, wenn wir mit dem Anschieben fertig sind,
heißt das im Klartext !
Wie schwierig das Sparen werden kann, wenn es denn ernsthaft in Angriff genommen wird, und wie kaputt die öffentlichen Finanzen in den meisten westlichen Ländern sind, das sieht man bei der Lektüre eines weiteren interessanten Dokuments: Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich – die Notenbank der Notenbanken – publizierte ihren 80. Jahresbericht. Darin lässt die in Basel beheimatete BIZ anlässlich ihres Jahrestreffens keinerlei Zweifel am Ernst der Lage, die sie für schwieriger als vor drei Jahren hält. Das folgende Zitat stammt aus dem Kapitel über “gefährliche Nebeneffekte auf der Intensivstation”:
“The crisis has left the global macroeconomic situation far worse than it was three years ago. In Europe and the United States, unemployment is high and demand prospects are poor. Support programmes for markets and institutions have created a dependency from which the financial system may have a hard time withdrawing without a continuation of very easy monetary policy. And some banks and banking systems remain highly leveraged and still appear to be on life support. The crisis has left the global macroeconomic situation far worse than itwas three years ago. In Europe and the United States, unemployment is highand demand prospects are poor. Support programmes for markets andinstitutions have created a dependency from which the financial system mayhave a hard time withdrawing without a continuation of very easy monetarypolicy. And some banks and banking systems remain highly leveraged andstill appear to be on life support.”
- Die Verschuldung bleibt in vielen Ländern außerhalb des Finanzsektors hoch. Die privaten Haushalte haben begonnen, ihre Schulden zu reduzieren. Doch die starke Zunahme öffentlicher Schulden ein-gerechnet, sind die Verbindlichkeiten seit 2007 substanziell angestiegen. Sie werden 2010 als Prozentsatz des BIP in Frankreich, Deutschland, Spanien, Großbritannien und den USA 20-40% höher liegen.
- Die Finanzkrise hinterlässt den Politikern ein enorm schwieriges Erbe: Sie müssen eine mittel- bis langfristige Perspektive entwickeln und anbieten, während sie sich mit einer zerbrechlichen und ungleichen Erholung herumschlagen
- Ein Teil der Krisenmaßnahmen hat nötige Veränderungen in der realen Wirtschaft und im Finanz-sektor verzögert. Der Schuldenabbau und die Reparatur von Bilanzen sind bei weitem nicht abgeschlossen.
- Makroökonomische Ankurbelung hat ihre Grenzen. Das Verhalten der Märkte zeigt, dass in vielen Ländern die Grenzen fiskalischer Maßnahmen erreicht sind. Umgehende Konsolidierung ist vieler-orten notwendig.
- Die fundamentale Reform des Finanzwesens muss vollendet werden, damit die Banken nachhaltiges Wachstum unterstützen können. Die Reformen sollten effektivere Regelwerke und stärkere Markt-aufseher hervorbringen.
- Die Banken bleiben anfällig gegen weitere Kreditausfälle. Die Reparatur ihrer Bilanzen ist noch lange nicht erledigt.
- Geldpolitik kann nicht beliebig lange expansiv bleiben. Niedrige Zinsen können Investitionsent-scheidungen verzerren. Wenn Zinsen länger niedrig bleiben, können sie Schuldner ermuntern, die Laufzeiten zu verkürzen, größere Risiken einzugehen und ihre Bilanzen langsamer zu bereinigen.
- Eine Beseitigung der Haushaltsdefizite erfordert Strukturreformen die Wachstum fördern und so höhere Ausgaben durch das Altern der Bevölkerung abfedern können. Einsparungen können kurz-fristig das Wachstum drosseln, aber die Alternative wäre das Risiko ein plötzlicher Vertrauensverlust der Marktteilnehmer, der weitaus schlimmer wäre. Hier unterstützt die BIZ ganz klar die Position der Europäer in der Auseinandersetzung mit der US-Administration, deren Motto immer noch “spend, baby, spend” bleibt.
- Drei Jahre nach Beginn der Krise sind die Erwartungen an eine Erholung und an Reformen hoch, aber die Geduld ist sehr gering. Nebeneffekte der anhaltenden Konjunkturstimulierung und der Stützung des Finanzsektors – kombiniert mit ungelösten Schwächen im Finanzsektor – drohen, die Erholung abzuwürgen.
- Die Zentralbanken dominieren einige Segmente der Finanzmärkte und verzerren dadurch die Preise wichtiger Anleihen und Kredite. Dadurch entmutigen sie in vielen Fällen den Privatsektor.
- Die Zeit ist gekommen zu fragen, wann und wie die Stimulierung der Konjunktur und der Finanz-märkte gedrosselt werden kann.
- Die drei wichtigsten Probleme, die sich aus einer Fortsetzung der Krisen- programme ergeben sind: Die Verzögerung wichtiger Restrukturierungen, der Aufbau von Zombiebanken und die Verhinderung des Schuldenabbaus.