Marshall Auerback und L. Randall Wray betrachten drei Runden an Zuhälterschläge von letzter Woche: die Partystimmung bei Goldman Sachs, JP Morgans Gewinne trotz CDS-Verbindlichkeiten und Timothy Geithners Abneigung gegen Elisabeth Warren, „die einzige sensible Stimme innerhalb der Obama-Administration.“
von Marshall Auerback und L. Randall Wray , Übersetzung von Lars Schall
OK, es gab drei Nachrichten von Belang letzte Woche und drei Runden Zuhälterschläge. Zunächst einmal wurde Goldman Sachs dafür, dass es Kunden düpierte, mit einer Geldstrafe von 550 Millionen US-Dollar belegt. Wir brauchen die Anschuldigungen hier nicht im Detail wiederzugeben. Goldman half dem Hedgefonds-Manager John Paulson dabei, Schrottpapiere auszuwählen, von denen klar war, dass sie im Wert schlechter werden würden, und sie als besicherte Schuldverschreibungen (Collateralized Debt Obligations, CDOs) an seine eigenen Sündenbock-Klienten zu verkaufen. Goldman und Paulson wetteten daraufhin gegen diese Klienten. Da Paulson „Vermögenswerte“ ausgewählt hatte, die garantiert Verluste zeitigen würden, war es eine todsichere Wette, dass Paulson und Goldman gewinnen und dass Goldmans Klienten verlieren würden.
Oh, und übrigens: obwohl Goldman ein Treffen von Paulson und den Sündenböcke arrangierte, teilte Goldman den Sündenböcken niemals mit, dass Paulson den Handel angeleiert hatte und gewinnen würde, wenn sie verlören. Auf der Wall Street ist das business as usual. In der Einigung mit der SEC verständigte sich Goldman darauf, dass dies „unvollständige Informationen” waren —d. h., dass die Sündenböcke eventuell gerne gewusst hätten, dass Goldman und Paulson zusammenarbeiteten, um sicherzugehen, dass die Wetten geschummelt waren und die Sündenböcke verlieren würden. Ja, was denn sonst?!
Für Goldman war das ein kleiner Schlag aufs Handgelenk. Die Bank kontrolliert nach wie vor die Obama-Administration. Das Geldhaus ist mit seinen Maulwürfen Timmy Geithner and Larry Summers immer noch verantwortlich für die Fiskalpolitik. Und damit ist Goldman in der Lage, die Staatsgelder so zu leiten, wie es der Bank nützt.
Das muss gefeiert werden — Goldmans Investoren feierten den “Schlag aufs Handgelenk”, indem sie Goldmans Aktien im nachbörslichen Handel um 8 US-Dollar stiegen ließen, nachdem sie im normalen Handel um 6 US-Dollar höher gingen. Der Anstieg der Marktkapitalisierung betrug für Goldman aufgrund der Verlautbarung ungefähr 3 Milliarden US-Dollar. Der Tiefseevampir (vampire squid) verdiente $3.84 Milliarden in diesem Quartal, wobei es noch einmal erstaunliche $12.78 Milliarden an Einnahmen obendrauf gab. Daran gemessen beläuft sich die Strafe, mit der Goldman belegt wurde, auf Einkünfte, die Goldman laut NY Times binnen 15 Tagen in den ersten drei Monaten diesen Jahres einstrich (siehe hier: http://dealbook.blogs.nytimes.com. Könnte es einen besseren Grund zum Feiern geben?
Runde zwei: die andere übrig gebliebene Investmentbank, JP Morgan, verlautbarte, dass ihre Profite um 76% gestiegen sind. Die lustige Angelegenheit ist, dass JP Morgans Verluste in allen Geschäftssparten horrend waren: es verlor Einlagen, vergab weniger Kredite, und selbst ihre Gebühren fielen um 68%. Wie also kann eine Bank mit solch schlechten Resultaten Profite machen? Nun, in den alten Zeiten nannte man das “window dressing“ (Schaufensterdekoration bzw. Bilanzverschönerung)—was darauf hinaus lief, dass die Banken untereinander ein wenig Gold hin und her verschoben, um ihre Kreditwürdigkeit zu zeigen. Im Fall von Morgan sollen die Profite angeblich durch „Handel“ erzielt worden sein. In Wirklichkeit stammen sie größtenteils vom Reduzieren der „Kreditausfallreserven“. In anderen Worten kam Morgan zu der Entscheidung, dass es zu viele Reserven gegenüber all den schlechten Krediten aufwies, die es während des letzten Jahrzehnts gemacht hatte. Die Kreditnehmer werden doch gewiss in den nächsten Monaten und Jahren Zahlungen wegen ihrer Schulden tätigen, oder etwa nicht? Sicherlich, die Hausbesitzer sind mächtig unter Wasser, verlieren ihre Arbeitsplätze und kürzen ihre Ausgaben, aber die wirtschaftliche Erholung steht um die Ecke. Sieht so aus, als würde 1933 wiederholt werden sollen.
Um es klar zu sagen: Morgan macht sein Geld nicht durch Bankgeschäfte. Die Realität ist, dass Morgan nicht anderes ist als eine $1.3 Billionen-Bank, die mit einer $76 Billionen-Derivate-Reinigungsaktion verbunden ist. Für den Fall, dass Sie es vergessen haben: die Anstrengungen, den Markt für Credit Default Swaps zu retten, sind dazu da, JP Morgan vor dem Untergang zu bewahren. Der Analyst für Finanzdienste Josh Rosner hat wiederholt gesagt, dass JP Morgan zusammengebrochen wäre, wenn die Regierungsverantwortlichen nicht interveniert hätten, um den CDS-Markt zu retten. Die Risiken der Reinigungsaktion übersteigen bei weitem das, was in der Bank vor sich geht.
OK, und dann hätten wir noch Zuhälterschläge Runde drei. Unser Liebling Timmy hat sich mit Elizabeth Warren angelegt. Aus Furcht, dass die Leser eine Erinnerungsstütze brauchen, sei gesagt, dass Warren die einzige sensible Stimme innerhalb der Obama-Administration ist. Offensichtlich war sie auch vom ersten Tag an ein Dorn in Geithners Fleisch, da sie jeden Monat, seitdem Obama die Präsidentschaft antrat, kritische Reports über die Bailouts des Finanzministeriums veröffentlichte. Deswegen hält Geithner sie für keinen „Team Player“.
Ohne jedwede Übertreibung gibt es keinen Offiziellen in der Administration, der ihren oder seinen Job mehr verdient als es Warren tut. Wenn—und das ist ein großen wenn—die USA die derzeitige Krise überstehen sollten, gibt es niemanden, der dafür mehr Anerkennung verdiente als Warren. Verdammt, die Hälfte aller Männer (und vielleicht auch der selbe Prozentsatz bei den Frauen) hat ihr bereits einen Heiratsantrag gemacht. Trotzdem hat es Timmy Geithner (lasst uns das wiederholen: Timmy! Geithner!), die inkompetenteste und am meisten mit Interessenskonflikte belegte Regierungsperson, die es seit “Heck-uv-a-job” Brownie gab1, gewagt, gegen Frau Warren als die Chefin des neuen Consumer Financial Protection Bureau zu sein.
Angesichts seiner unglückseligen Vorstellung im Finanzministerium beginnt man so langsam seine Abneigung zu verstehen, wenn es darum geht, dass die Regierung Banken leiten könnte. Es ist eine Projektion seiner eigenen Inkompetenz und Kleinmütigkeit. Anstatt zu fragen, was hätte getan werden müssen, um eine Lösung herbeizuführen, fragte Geithner nur, was das Beste wäre, dass das Finanzministerium in Anbetracht von drei eigenwilligen, selbst auferlegten Einschränkungen tun könne: keine Verstaatlichung, keine Verluste für Wertpapierbesitzer und kein weiteres Geld vom Kongress. Warum hat eine neue Regierung, die mit einer großen Krise konfrontiert wurde, nicht versucht, die Begrifflichkeiten der Debatte zu verändern? Allein Elizabeth Warren unternahm diesen Versuch.
Es lohnt sich, das Verhalten von Geithner von heute mit den Handlungen zu vergleichen, die von Franklin Delano Roosevelt unternommen wurden. Während der Phase, in der das Bankensystem unter Jesse Jones, dem Vorsitzenden der Reconstruction Finance Corporation, restrukturiert wurde, verlangte die RFC den Rücktritt der drei führenden Banker einer jeden Institution, die finanzielle Hilfe erhielt. Diese Forderung wurde nicht immer akzeptiert, aber ihre pure Existenz war eine potente Abschreckung, um das gezeigte Verhalten nicht zu wiederholen.
Wie viele Manager wurden während der derzeitigen Krise ersetzt? Wie viele wurden aufgrund betrügerischen Verhaltens angeklagt? Elizabeth Warren hat wenigstens Versuche unternommen, um eine Art von öffentlicher Verantwortung herbeizuführen. Im Kontrast dazu hat das Finanzministerium jeden Versuch, ein besseres Verständnis über die Ursachen der Finanzkrise zu erlangen, durch endlose Gerichtsanfechtungen, Verdunkelungen, Lügen und Verzögerungstaktiken hartnäckig frustriert. Zusätzlich hat das Finanzministerium durchgängig alle ernsthaften Versuche bekämpft, strukturelle Veränderungen des Bankensystems einzuführen, als das Gesetz zur Finanzregulierung sich seinen Weg durch den Kongress bahnte. Weil sich Elizabeth Warren weigerte, mit diesem hinterhältigen Banker-Club Ball zu spielen, wird sie von Geithner als kein „Team Player” erachtet.
In der Tat stimmen wir mit Timmy überein. Elizabeth Warren sollte um Timmys Job kämpfen. Feuert Geithner. Jetzt. Elizabeth Warren soll Finanzministerin werden. Und 2012 soll Warren als Präsidentschaftskandidatin antreten. Wir sollten uns auf nicht weniger einigen als das. Obama will den Job doch sowieso nicht. Tut uns leid, Leute, aber der Mut zur Hoffnung (the audacity of hope) kann uns nur dorthin bringen. Es ist Zeit für ein neues Gesicht im Weißen Haus. Elizabeth ist unser Mann oder eben unsere Frau.
[1] Gemeint ist Mike Brown, der FEMA-Direktor während des Desasters, das von Hurrikan Katrina verursacht wurde. Als Brown unter Kritik geriet, antwortete Präsident George W. Bush darauf: "You're doing a heckuva job, Brownie."