Der vergangene Woche gestorbene britische Historiker Tony Judt hat vor seinem Tod Europa als besseres Modell im Vergleich zu den USA bezeichnet. Europa sei "ziemlich gut durch die Krise gekommen".
Der vergangene Woche gestorbene britische Historiker Tony Judt hat vor seinem Tod Europa als besseres Modell im Vergleich zu den USA bezeichnet. "Wenn es heute ein westliches Modell gibt, dann ist das Europa, nicht Amerika. Das mag sich nicht in den nackten Wachstumszahlen zeigen, aber diese wären viel schlechter für die Vereinigten Staaten, wenn etwa die amerikanische Gesundheitsindustrie als die unnütze Produktion von Papier behandelt würde, die sie in Wahrheit ist, statt als produktiver Sektor. Und wenn man amerikanische Gefangene als Arbeitslose zählte: Denn mehrheitlich junge männliche Schwarze wären in Freiheit nahezu unvermeidlich ohne Job", sagte der Wissenschaftler der ZEIT.
Europa sei "ziemlich gut durch die Krise gekommen", sagte Judt. Vor allem die oft kritisierten Sozialausgaben hätten "einen sehr erwünschten keynesianisch-antizyklischen Effekt - indem sie Arbeitslosen und Bedürftigen helfen, haben sie zugleich die Wirtschaft stimuliert und die Nachfrage angekurbelt".
Judt sagte, er halte auch die angeblich drohende Überalterung Europas "für einen Mythos". Er könne sich erinnern, "dass man einmal vor dem Gegenteil Angst hatte - dass wir zu viele Kinder haben würden und sie nicht würden ernähren können. Nun sind es angeblich zu wenige. Das ist aber eine Krise, die leicht bewältigt werden könnte durch Veränderungen beim Rentenalter, durch Anpassung der Bezüge an die Inflation, Beendigung der Zwangsverrentung und Ähnliches".
Judt war in England aufgewachsen und hatte in Amerika als Historiker Karriere gemacht. Zu seinen bekanntesten Werken zählt Europa. Die Geschichte eines Kontinents von 1945 bis zur Gegenwart. Am 6. August war der mehrfach preisgekrönte Judt im Alter von 62 Jahren in New York gestorben.