Ich gehöre zu den ''Späterwachern'', denen erst zum Ausbruch der Krise klar wurde, was passieren wird. Aber ich dachte mir, besser spät erwachen als weiter zu schlafen. Also brach ich meine Zelte ab und ging nach Panama, denn ich wollte nicht in Europa sein, wenn dort die Lichter ausgehen.
Von Stefan Mudry
Zugegeben: Ist ein blauer Himmel erwünscht, ist Panama zum fotographieren von März bis Dezember nicht der richtige Ort. Nicht, weil das Land nichts zu bieten hätte, aber es ist während der Regenzeit fast immer bewölkt. Panama gehört zu den Gebieten, in denen es im Zusammenhang mit der Klimaveränderung mehr regnet.
Was für mich in Mitteleuropa ein Grund zum Auswandern war, ist in Panama ein Grund zum Einwandern, denn wer sich eine Idealtemperatur wünscht, findet sie in Panama fast über das ganze Jahr. Während der Regenzeit ist es wirklich angenehm. Tagsüber unter 30°C, nachts etwas über 20°C. Das bedeutet aber nicht, dass es den ganzen Tag regnet.
Es handelt sich mehr um tropische Schauer, die kurz aber heftig sind. Zudem ist eine Wolkenschicht ein hoher Sonnenschutzfaktor, den Mitteleuropäer während der Trockenzeit von Dezember bis März aus der Tube auftragen. Logischerweise nennen die Panameños die Regenzeit Winter und die Trockenzeit Sommer. Fälschlicherweise sagt man jedoch - vor allem auf dem Land - der Sommer sei kälter als der Winter, weil es im Sommer sehr windig sein kann und in Panama eher von gefühlten als von gemessenen Temperaturen gesprochen wird.
Laut dem CIA World Fact Book (https://www.cia.gov) ist die Bevölkerung Panamas 27,2 Jahre alt. Die Deutschen sind hingegen mit 44,3 Jahren eines der 'ältesten Völker' der Welt. Mit 45 Einwohnern pro Quadratkilometer ist das Land dünn besiedelt, was etwa einem Siebtel der Bevölkerungsdichte Mitteleuropas entspricht.
Die Hälfte der drei Millionen Bewohner lebt im Ballungsraum um Panama-City. Zu den beiden Nachbarstaaten hat Panama gute Beziehungen. Nach Kolumbien gibt es durch einen 100 Kilometer breiten Urwaldgürtel noch keine Straßenverbindung. In Costa Rica wie auch in Panama gibt es kein Militär, so dass militärische Konflikte ausgeschlossen werden können. Die ethnischen Gruppen haben immer friedlich nebeneinander gelebt.
Panama City
Panama-City hat nicht allzuviel zu bieten. Wer auf Städtetourismus steht, würde eher sagen: zum Abgewöhnen. Es gibt eine sehr schöne Altstadt, die gerade restauriert wird, die Schleusen des Kanals und ein paar Museen. Im Vergleich zu anderen lateinamerikanischen Metropolen ist die Stadt aber ein Dorf, denn hier wohnen nur 500.000 Menschen. Sehr interessant ist aber das Land.
Im Gegensatz zu Costa Rica gibt es hier nur sehr wenige Touristen und kaum Hotels. Daher ist die Kultur der Menschen noch nicht durch den Massentourismus beeinflusst und man findet ''Natur pur''. Es gibt wunderschöne Inseln im Atlantik und im Pazifik, die zum großen Teil von Indios bewohnt sind. Sie machen 5% der Bevölkerung aus und sind voll intergriert. Ihr Land darf zu ihrem Schutz nicht verkauft werden.
Besonders interessant ist das Hochland in Chirquí, Panamas kälteste Region. Wie muss Vasco Nuñez de Balboa gestaunt haben, als ihn die Ureinwohner Panamas vom Atlantik zum Pazifik führten. 1513 stand er auf den Bergen, von wo aus er beide Ozeane gleichzeitig sehen konnte. Und es gibt den Dschungel in Darién, dessen Durchquerung nach Kolumbien als eines der letzten Abenteuer gilt, von dem aber von offizieller Seite abgeraten wird.
Noch ist Panama ein Geheimtipp, das mehr für Bankkonten und den Kanal bekannt ist sowie für die panamische Flagge, unter welcher ein Viertel aller Schiffe fährt. Es ist nur so groß wie Bayern, hat aber meines Erachtens viel mehr zu bieten. Hier kann man morgens im Atlantik baden und abends im Pazifik. Oder umgekehrt.
Bei meinen Besuchen auf dem Land habe ich oft die folgende Frage gestellt: Was war hier 1989 LINK: http://de.wikipedia.org los? Damals kamen in Panama-City bei der US-Invasion nach offiziellen Angaben 500 Menschen ums Leben; nach inoffiziellen Meldungen waren es 3000. Die Antwort war immer die gleiche: Tranquilo! Es gab keine Probleme auf dem Land, aber es war kaum möglich, in die Stadt zu kommen, wo es daher zu gravierenden Versorgungsproblemen kam.
Diese Tatsache war für mich entscheidend, nach Panama zu ziehen. Ich gehöre zu den ''Späterwachern'', denen erst zum Ausbruch der Krise klar wurde, was passieren muss. Aber ich dachte mir, besser spät erwachen als weiter zu schlafen. Also brach ich meine Zelte ab und ging nach Panama, denn ich wollte nicht in Europa sein, wenn dort die Lichter ausgehen.
Im Ernstfall würde insbesondere der Winter zum Problem. Kaum vorstellbar ist das Horrorszenario einer kalten Wohnung ohne Nahrungsmittel. Auch wenn Teile Europas noch sehr dicht bewaldet sind, können die Wälder nicht genug Feuerholz produzieren. Und selbst wenn Heizmaterial vorhanden ist, kann während der kalten Jahreszeit nichts geerntet werden. Diese Probleme gibt es in Panama nicht. Gäbe es kein Öl, dann hätten die Schulen und Krankenhäuser in Panama auch keinen Strom. Aber es schneit nicht und Grundnahrungsmittel werden das ganze Jahr über produziert.
Sollte sich die Krise verschärfen, würden sich die Einnahmen aus dem Kanalgeschäft verringern und der von Ausländern finanzierte Wohnungsbau käme zum Erliegen. Durch den Arbeitsplatzabbau wären aber nicht Millionen von Arbeitnehmern betroffen. Es würde sich um eine überschaubare Anzahl von Menschen handeln, die fast alle auf dem Land wohnen und lange Wege in unbequemen Bussen in Kauf nehmen, denn nur wenige haben Autos.
Es gibt auch keine Großkonzerne, durch deren Pleite über Nacht tausende arbeitslos würden und es könnte sich niemand über die Einstellung der Sozialhilfe beklagen, weil es sie niemals gab. Nur wenige haben sechsstellige Hypotheken und nur eine Handvoll pensionierte Beamte haben hohe Renten zu verlieren.
Aber in Panama muss niemand heizen und nur wenige bezahlen Miete. Fast alle haben eigenes Land zur Selbstversorgung und ein Haus, denn Häuser sind ohne extreme Bauvorschriften und exorbitante Land- und Baukosten bezahlbar. Und das Wichtigste: Alle haben eine große Familie, deren Mitglieder sich gegenseitig unterstützen. Panama wird aus diesen Gründen besser durch die Krise kommen.
Das Touristenvisum wird bei der Einreise erteilt und ist sechs Monate gültig. Wer sich länger aufhalten will, muss das Land vor Ablauf des Visums für drei Tage verlassen, um für weitere sechs Monate einzureisen. Eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis bekommt man am einfachsten, indem man eine monatliche Rente von 1.000 Dollar nachgeweist oder indem man investiert. So zum Beispiel in die Aufforstung der Wälder.
Nicht nur während der beiden Weltkriege war es angenehmer in Panama zu leben, es wird bestimmt auch zum Höhepunkt der gerade entstehenden Krise so sein.