Das US-TV-Unternehmen ABC gibt wöchentlich Zahlen zum US-Verbrauchervertrauen bekannt. Vor drei Wochen wurde mit einem Minus von 51 Punkten ein neues Allzeittief seit Messbeginn Mitte der 80er Jahre registriert. Der Tiefpunkt hatte zuvor bei -49 Punkten gelegen. Dieser wurde in der Rezession 1990/91 gemessen.
Aktuell befindet sich der Index bei -44 Punkten, hat also einen leichten „Aufschwung“ erfahren. Ob diese Verschiebung von Bedeutung ist, müssen die Zahlen der nächsten Wochen zeigen. Die Art und Weise, wie nicht nur dieser Verbrauchervertrauensindex, sondern auch derjenige der Uni Michigan und der Consumer Confidence Index des Conference Boards in den vergangenen Monaten zusammengebrochen sind, ist ohne Beispiel.
Selbst in den 70er und 80er Jahren gab es keinen Absturz um mehr als 40 Punkte innerhalb von lediglich anderthalb Jahren. Was dieser Absturz im Selbstverständnis der US-Amerikaner bewirkt hat, drückt sich in vielen Artikeln in US-Medien aus.
Die Diskussion rankt sich um den „American Dream". Der amerikanische Traum versprach ein besseres Leben in einem Land voller Möglichkeiten für jeden einzelnen. Erfunden wurde dieser Terminus vom US-Schriftsteller James Truslow Adams im Jahr 1931. In jenem Jahr betrug die US-Arbeitslosenquote knapp 20 Prozent (siehe Pfeil); das Verbrauchervertrauen dürfte sich auf niedrigstem Niveau befunden haben.
Der „amerikanische Traum“ war in seiner ersten Phase lediglich ein Stück Hoffnung. Er blieb Ziel, nicht Versprechen. Weitgehend verwirklicht wurde er im Wirtschaftswunder nach dem zweiten Weltkrieg. In den 90er Jahren bis zur Mitte dieser Dekade erfüllte sich zusätzlich der Wunsch vieler US-Amerikaner nach einem eigenen Haus. Mehr als dreiviertel der US-Bürger konnte sich diesen Traum verwirklichen. Doch der Traum war auf Sand gebaut. Die US-Amerikaner befinden sich jetzt im Stadium des Zweifels an sich selbst und ihrem Land. „Ist der amerikanische Traum vorbei“, wird offen gefragt. Viele bejahen diese Frage. „Downsizing“ ist ein beliebtes Wort geworden (kleineres Haus, kleineres Auto, weniger fahren, weniger Restaurantbesuche etc.). Das deutsche Wort „Angst“ taucht häufiger in diesen Artikeln auf. Verantwortlich gemacht werden die Banker, die Manager, die Bonusfiebrigen, die ohne Rücksicht auf Verluste handeln. Der Ehrliche ist der Dumme: Das ist auch so ein geflügeltes Wort, was jetzt überall durchdringt. Die Enttäuschung über die eigenen Landsleute, das eigene Land und die eigene Situation ist groß. Hier einige Links dazu:
Economy squeezes American Dream: USA Today
Ohne Zweifel ist diese Kolumne von Laura Rowley eine der gelungensten Parabeln auf die Zerstörung des „Amerikanischen Traums“. Wer ein wenig anglophil ist, wird sich hier ein Schmunzeln nicht verkneifen können.
http://finance.yahoo.com/expert/article/moneyhappy/87379
Natürlich ist klar, dass eine solche lethargische und selbstzweiflerische Situation nicht ewig Bestand hat. Gerade die Amerikaner neigen dazu, ihr Leben nach einer Zeit der Enttäuschung wieder selbst in die Hand zu nehmen und anzupacken. Es ist alles nur eine Frage der Zeit, so lautet ein beliebter Spruch. Wie lange wird diese Malaise noch andauern? Goldman Sachs hat dazu eine - wie ich finde - bemerkenswerte Analyse geschrieben. http://biz.yahoo.com/ap/080617/banks_analyst_note.html
Der Primus unter den Brokern sieht für den Finanzsektor frühestens gegen Ende 2008 die Möglichkeit einer ausgedehnten Rallye. Die Maximalverluste werden erst im ersten Quartal 2009 auftreten, so Goldman Sachs.
Wenn der Finanzsektor bis zum Jahresende nicht anzieht, dürfte der breite Markt bis dahin auch in seiner Entwicklung gehemmt sein. Je länger die Finanzkrise dauert, je stärker der Verbraucher von der restriktiven Kreditvergabe betroffen ist, je deutlicher die Unternehmen ihre Investitionen reduzieren und je stärker die Arbeitslosenquote anzieht, desto deutlicher wird eine US-Rezession an Fahrt aufnehmen können.
Die Anträge auf US-Arbeitslosenversicherung, die als Indikator für die US-Arbeitsmarktsituation gelten, befinden sich seit Jahresbeginn auf einem anhaltend hohen Niveau (zwischen 340.000 und 380.000). Aus dieser Range dürfte es demnächst einen Ausbruch geben. Viele Anzeichen sprechen dafür, dass sich dieser Ausbruch nach oben vollziehen wird. Zur Erinnerung: Zwischen 2004 und 2007 befand sich die Zahl der Anträge auf US-Arbeitslosenversicherung permanent in einer Spanne zwischen 300.000 und 340.000 (Ausnahme: Kathrina-Hurrikan in 2005). Diese Spanne ist definitiv Vergangenheit.
Fazit: Der „amerikanische Traum" wurde in den Mühen zu Beginn der großen Depression geboren. Es dauerte lange, bis er verwirklicht werden konnte. Jetzt liegt er in den Augen der US-Bürger zerstört am Boden. Die Selbstzweifel der US-Amerikaner sind groß. Hoffnung gibt es kaum, wird es aber wieder geben, das ist eine „Frage der Zeit". Goldman Sachs beantwortet die Frage der Zeit mit dem Ende des Jahres 2008. Wir können - auch aufgrund unserer eigenen Analysen - mit einem solchen Zeithorizont gut leben.
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