Das ehemalige Herzstück deutschen Journalismus eröffnete in Berlin eine Zentralredaktion und gleichzeitig tiefe Einblicke in die wahre Motivation der Presseagentur. – Bundespräsident fordert „ISO-Norm“ für Journalismus.
Von Michael Mross
Bundespräsident Wulff, zahlreiche Spitzenpolitiker sowie Vertreter der deutschen Massenmedien kamen, um die neue dpa-Zentrale in Berlin zu bewundern.
Die dpa ist die wichtigste Presseagentur Deutschlands und beliefert praktisch alle Zeitungen sowie TV. Gemäß dem Statut des Deutschen Presserats sind Journalisten dazu angehalten, distanziert und objektiv über Ereignisse zu berichten, ohne Interessenslagen zu berücksichtigen.
Um so erstaunlicher, was der Chef der dpa - Wolfgang Büchner - als Hauptmotivation für die Arbeit seiner 200 zentralisierten Kollegen angibt: Nicht die Wahrheit, nicht der Facettenreichtum eines Ereignisses, nicht die Objektivität, nicht die kritische Distanz, nicht das Hinterfragen, nicht investigativer Journalismus – sondern einzig der „Kunde“ steht im Vordergrund der Arbeit der Deutschen Presse Agentur.
"Der Newsroom ist insgesamt Teil der Kundenagentur dpa, die sich als Zentralredaktion der deutschen Medien versteht. Wir versorgen sie zielgenau mit den Inhalten, die sie für ihre eigenen Kunden brauchen, nutzbar für Zeitung und Internet, Radio und Fernsehen, e-Paper und Handy", sagte Büchner.
Die Zentralredaktion als Zentraldirektion für das, was in deutschen Medien steht und was der deutsche Michel denkt. Meinungsvielfalt zentralisiert. Immer politisch korrekt. Immer im Einklang mit Konzerninteressen. Schöne neue Medienwelt.
Der Kunde soll aus den Meldungen einen wirtschaftlichen Erfolg erzielen – das verkündet dpa-Chefredakteur vor laufenden Kameras und im firmeneigenen Video ohne rot zu werden. Was hat das noch mit Journalismus zu tun?
Ist die dpa ein bloßer Erfüllungsgehilfe der Konzern-Journaille zum Zwecke der Renditeoptimierung? Werden Berichte so abgeliefert, wie es der Kunde wünscht? Ist die Agentur ein Lobby-verseuchter Handlanger des Mainstreams?
Ist dpa lediglich Zulieferer für das, was Kunden wollen, um damit wirtschaftlichen Erfolg zu erzielen? Ist dpa ein billiger und willfähriger Büttel des Erwartungshaltungsjournalismus? Dinge werden nicht so dargestellt, wie sie wirklich sind, sondern so umgemodelt, damit der Kunde Geld verdienen kann und Politiker nicht aufmucken?
Aus der Deutschen Presse Agentur ist offensichtlich die Deutsche PR Agentur geworden. Da erstaunt es wenig, dass der deutsche Bundespräsident unwidersprochen und unkritisiert in der neuen Zentralredaktion von einer „ISO-Norm“ für deutschen Qualitätsjournalismus fabuliert, welcher in der Nähe dessen anzusiedeln ist, was schon Goebbels erfolgreich umgesetzt hat: die Gleichschaltung aller Medien. Ein durchgestylter Journalismus, welcher die Erwartungshaltung seiner Auftraggeber befriedigt. Ein Journalismus, der keinem mehr weh tut, der Politiker umschmeichelt und den Konzernen nicht auf die Füße tritt. Ist es das, was der Kunde wünscht?
Der Chefredakteur von dpa über die Arbeit der Agentur: