Oswalt Kolle ist bereits am 24. September in seiner Wahlheimat Amsterdam gestorben. Heute fand eine Trauerfeier im Familienkreis statt. Danach gaben die Angehörigen den Tod des berühmten deutschen Sexualaufklärers bekannt.
Wie die Tageszeitung DIE WELT erfuhr, ist Oswalt Kolle am 24. September in seiner Wahlheimat Amsterdam gestorben. Heute fand eine Trauerfeier im Familienkreis statt. Danach gaben die Angehörigen den Tod des berühmten deutschen Sexualaufklärers bekannt. Morgen, am 2. Oktober, wäre er 82 Jahre alt geworden.
Der Journalist Kolle war der wichtigste Vorkämpfer der sexuellen Aufklärung, die ab Mitte der 60er-Jahre den Kirchen die Vorherrschaft über Fragen der Sexualmoral streitig machte. Seine Filme sahen 140 Millionen Menschen in aller Welt.
„Er war ein Menschenfreund,“ schreibt DIE WELT in der Samstagausgabe, „der sich eine Zivilisation der Zärtlichkeit wünschte.“ Wer abschätzen will, was Kolle geleistet hat, müsse sich die Zeit seines Wirkens vor Augen führen. Es war eine Zeit, in der weibliche Lust als Sünde, Homosexualität als ekelhafte Perversion und Jungfräulichkeit als heilig betrachtet wurden. Solche Vorstellungen, die heute fast nur noch in streng muslimischen Milieus vorherrschen, gehörten damals zum Programm der großen Volkskirchen, die für die geistige Orientierung in Politik, Schule, Fernsehen und Familie zuständig waren.
Oswalt Kolle entkrampfte diese körperfeindliche Kultur. Er war der große Popularisierer, der die akademische Sprache der Psychologen und Sexualwissenschaftler verständlich machte. Bei ihm lernten die Deutschen, dass man über Sexualität reden kann. Als er die Leserinnen der Zeitschrift „Neue Revue“ aufforderte, über ihre Sexualität zu schreiben, erreichten ihn nicht 80 oder 100 wie er erwartet hatte, sondern 10 000 Briefe, viele davon sechs bis sieben Seiten lang.
Die damals rebellierenden Studenten verachteten ihn als Retter der bürgerlichen Ehe und propagierten eine „sexuelle Revolution“. Doch Kolle wollte die Menschen nicht umerziehen, sondern ihnen Ängste nehmen. „Wenn man etwas verändern will,“ schrieb er, „muss das vorsichtig geschehen.“
Seine Wahlheimat war Holland, ein Land dessen Liberalität und Toleranz er schätzte. Die deutsche Staatsbürgerschaft gab er zurück. Im Jahr 2000 bekam er von der Deutschen Gesellschaft für Sozialwissenschaftliche Sexualforschung die Magnus-Hirschfeld-Medaille. Die offiziellen Stellen der Republik hatten nie eine Ehrung für ihn übrig.