Künftiges Euro-Land Estland verspricht Solidarität bei neuer Schuldenkrise in Europa. Sollte Estland nach seiner Übernahme des Euro für die Rettung verschuldeter Euroländer zur Kasse gebeten werden, „sind wir bereit“. Solidarität sei „ein großer Wert für alle EU-Mitgliedsländer.
Der Regierungschef der Baltenrepublik Estland hat nach dem Beitritt seines Landes zur Eurozone am 1. Januar 2011 uneingeschränkte Solidarität für den Fall neuer Schuldenkrisen in Europa zugesagt. In einem Interview der Tageszeitung DIE WELT (Montagausgabe) sagte Premierminister Andrus Ansip, sollte Estland nach seiner Übernahme des Euro für die Rettung verschuldeter Euroländer zur Kasse gebeten werden, „sind wir bereit“. Solidarität sei „ein großer Wert für alle EU-Mitgliedsländer. Wird sie gebraucht, wird Estland bereit sein, anderen zu helfen.“
Zwar ist Estland mit nur 1,3 Millionen Einwohnern die kleinste der drei Baltenrepubliken. Doch mit sparsamem Haushalten und einer nur sieben Prozent seiner Wirtschaftsleistung entsprechenden Staatsverschuldung – der niedrigsten aller 27 EU-Länder - gilt Estland als Europas Musterknabe. Mit seiner Solidaritätszusage hebt sich der seit 2005 regierende estnische Premier deutlich von anderen Ländern in Zentral- und Osteuropa ab. Die Slowakei etwa, die den Euro 2009 übernahm, lehnte im August eine Beteiligung am 110-Milliarden-Euro-Hilfspaket für das hoch verschuldete Griechenland ab.
Der Premier verteidigte den Kurs der estnischen Regierung, trotz scharfer Rezession und hoher Arbeitslosigkeit keine umfangreichen Konjunkturprogramme aufzulegen. Mit einem Minus von knapp 18 Prozent erlebte Estlands Wirtschaft nach langem Wachstum in der Krise 2008 und 2009 eine der weltweit schärfsten Rezessionen. Gleichwohl habe Estland schmerzhafte Reformen durchgeführt, Abgaben erhöht und sei mit einem Defizit von nur 1,7 Prozent durch die Krise gekommen. Mit ihrem konsequenten Kurs habe die estnische Regierung das Vertrauen der Bürger erhöht.
Tatsächlich vertrauen laut dem im August veröffentlichten Eurobarometer, einer europaweiten Umfrage im Auftrag der EU-Kommission, nur in Luxemburg, Schweden und Österreich mehr Bürger ihrer Regierung als in Lettland. „Das ist kein Zufall. In Ländern mit hohen Defiziten ist das Vertrauen in die Regierung gering. Deshalb führen wir unsere vorsichtige Politik auf jeden Fall fort. Ich halte nichts davon, sich Geld von seinen Kindern und Enkeln zu leihen. Jeder muss seine Rechnungen selbst bezahlen“, sagte Ansip der WELT.
Der estnische Regierungschef begründete auch, warum sein Land – anders als etwa Polen – auch in Zeiten der Krise auf die Übernahme des Euro setzt. Diese sei zentral, um das Vertrauen von Investoren aus Finnland und Schweden zu erhalten, von denen die estnische Wirtschaft vor allem abhängt. Schweden und Finnen erinnerten sich gut an vergangene Abwertungen in ihren eigenen Ländern. „Sie haben uns immer wieder gefragt, ob wir nicht abwerten. Der einzige Weg, solchen Gerüchten ein Ende zu machen, war, der Eurozone so schnell wie möglich beizutreten.“ Neues Wachstum für Estland könne, so Ansip, aus wieder zunehmenden Exporten kommen, die zwei Drittel der estnischen Wirtschaftsleistung ausmachen.