Eigentlich ist Sylt betreten verboten. Das merkt der Besucher allerdings erst, wenn er auf der Insel landet. - Wer nach Sylt fährt braucht vor allem zwei Dinge: Viel Geld und einen Regenschirm.
Der Autor auf Sylt: Die Karibik Deutschlands?
Eigentlich ist Sylt betreten verboten. Das merkt der Besucher allerdings erst, wenn er auf der Insel landet: Überall Verbotsschilder, alles privat, Durchgang verboten oder zumindest auf eigene Gefahr.
Die ganze Insel steht unter strengstem Naturschutz, der Rest ist perfekt zubetoniert. Abweichungen von ausgetretenen Beton-Pfaden sind strengstens untersagt und werden teuer geahndet.
Auf der Promenade begegnet man dem typischen Sylt-Besucher: durchschnittlich 75 Jahre alt, 175 kg schwer, Konto siebenstellig. Junge und Arme sucht das Auge auf der Insel vergeblich. Auch Ursylter sind kaum zu sehen. Dafür Massen an Rentnern, die alle eine Jack Wolfskin Jacke tragen. Wahrscheinlich gab es diese Marken-Lumpen irgendwo auf der Insel mal umsonst. Eine andere Erklärung habe ich für dieses Phänomen nicht.
Die betagten Besucher werden meist von einem Vierbeiner an einer Leine hinter sich hergezogen. Denn auch das ist auf Sylt streng geregelt: Hunde müssen angeleint sein. Auf den Betonwegen findet sich alle 100 Meter eine Bank (zum sitzen) und alle 1000 Meter eine öffentliche Toilette. Wenn der Tourist am Nachmittag sein Reet-Pferch verlässt braucht er also nicht weit zu laufen und kann gleich auf der nächsten Sitzgelegenheit vor sich hindämmern. Eine andere Beschäftigung gibt es auf Sylt leider nicht – außer Essen und Saufen.
Sylt, es riecht nach Heide, Moor und Meer. Ein Moor gibt es zwar nicht auf der Insel, dafür aber viel Meer. Dieses zu erreichen ist allerdings gar nicht so einfach, denn große Teile der Insel sind hermetisch abgeriegelt, eingezäunt, zugemauert, überwacht. Fehlt nur noch ein Todesstreifen. Auch dass hat einen tieferen Sinn: Auf den wenigen Zugängen zum kilometerlangen Strand laueren nämlich pensionsberechtigte Wegelagerer und verlangen Strandzoll! Ja, richtig gelesen! Sylt verlangt Eintrittgeld für Strände.
Wo kämen wir denn eigentlich hin, wenn man in Deutschland so einfach einen Strand betreten könnte, ohne zu zahlen? Auf Sylt kostet das Strandvergnügen 3,5 Euro pro Tag und Nase. Wenn die Sonne scheint, können die Strände Sylts gut mit der Karibik konkurrieren. Gott sei Dank regnet es oft, so dass man sich den Strand sparen kann, obwohl er wirklich sehr schön ist.
Wer „schwarz“ baden gehen will muss aufpassen. Es gibt Strandwächter in Zivil. Schwarzbaden kostet 70 Euro. Auch das Betreten der Dünen kostet 70 Euro. Das Verrichten der Notdurft wird ebenfalls mit 70 Euro bestraft (groß 140 Euro).
Doch nicht nur der Strand kostet Geld. Auch das Eindringen in stinknormale Gegenden geht nur gegen Gebühr. Mitten in der Pampa plötzlich ein riesiger Warnhinweis: "Kurabgabe pflichtiges Gebiet". Ein Preis steht nicht darunter. Lohnt sich wahrscheinlich nicht, weil die Kurabgabe jedes Jahr teurer wird und man deshalb immer neue Schilder drucken müsste.
Doch damit nicht genug: Wer den Nordteil der Insel erkunden will (der „Ellenbogen“), muss auch noch Maut zahlen! Ich traue meinen Augen nicht: PKW kostet 5 Euro, Wohnwagen 10 Euro – für ein paar Kilometer schöner Natur auf kaputter Straße.
Ich frage die Abkassiererin an der Mautstelle, was das soll? „Die Gegend ist privat“ – hallt es aus der Mauthütte zurück. „Wem denn das Land gehöre?“ möchte ich wissen. „Mir!“ entgegnet die gereizte Stimme hinter der Kasse. Warum sie denn dort sitze, wenn sie so viel Land habe, frage ich nach. „Weil mir das Finanzamt alles genommen hat“, zetert die Stimme zurück. Hintergrund ist wohl, dass der guten Dame das Land zwar gehört, sie aber aus Naturschutzgründen keine Hotelburgen darauf bauen darf. Einzig mögliche Geldquelle ist also die Maut, um sich dieses schöne Fleckchen Sylt anzuschauen.
Wer also nach Sylt fährt braucht vor allem zwei Dinge: Viel Geld und einen Regenschirm. Oder am besten: Noch mehr Geld und zwei Regenschirme, denn normaler Regenschutz wird schnell vom Sturm zerfetzt.