Irland: Die Gerüchteküche kocht heiß, aber Irland dementiert ein Interesse am EFSF. Griechenland: Defizitrevision 6.0 zieht weitere Sparmaßnahmen nach sich. Portugal: Überlegungen zu einem möglichen EWU-Austritt erhöhen nicht wirklich das Vertrauen der Anleger.
Von Kornelius Purps, UniCredit Research
Die nächsten drei Fähnchen sind bereits bestellt: "Wir sind Griechenland", "Wir sind Irland" und "Wir sind Portugal". Zum Glück steht Österreich nicht zur Debatte, sonst müsste man sich nach dem Lapsus der Veranstalter des G20 in Seoul wirklich Sorgen machen, dass statt "Austria" versehentlich "Australia" gebailoutet würde. Die kommenden Tage stehen jedenfalls voll und ganz im Zeichen der Schuldenkrise in Europa. Seit drei, vier Tagen wird der internationale Blätterwald nicht müde darüber zu spekulieren, Irland würde noch in dieser Woche bei der EU einen Antrag stellen, um unter den Rettungsschirm zu kommen.
Zur Erinnerung: Anfang Mai wurde im Zuge der Griechenland-Rettung eine 750 Mrd. Euro schwere Stützungsfazilität eingerichtet (EFSF), die sich zu €440 Mrd. aus Krediten der EWU-Mitgliedsländern, zu €250 Mrd. aus Darlehn des IWF und zu €60 Mrd. aus einer Kreditlinie der EU Kommission speist. Die Iren dementieren auf heftigste, einen Offenbarungseid leisten zu wollen, immerhin sei das Land bis Mitte 2011 zahlungsfähig. Die am 7. Dezember zu präsentierenden Haushaltspläne für 2011 würden den Markt schon beruhigen, heißt es gebetsmühlenartig aus Dublin.
Deutschland, in diesen Tagen um keine politische Auseinandersetzung verlegen, übe aber angeblich Druck auf die irische Regierung aus. Zum einen, um weiteren Schaden von den Anleihemärkten zu nehmen. Zum anderen, um Unterstützung für den ab 2013 vorgesehenen Staatsschulden-Restrukturierungsmechanismus zu erhalten (Sovereign Debt Restructuring Mechanism, SDRM, nur so für Ihre Akronym-Sammlung…). Am Dienstag treffen sich in Brüssel die 16 Finanzminister der EWU…
Die Spekulationen um einen Bail-Out und die Zusicherung, die Beteiligung privater Gläubiger an eventuellen Schulden-Restrukturierungen im Rahmen des SDRM würde lediglich ab Mitte 2013 begebene Staatsanleihen betreffen, führten am Freitag zu einer Rallye in den EWU-Peripherie-Anleihen. Der Renditeaufschlag irischer 10-Jahres-Bonds gegenüber Bunds verringerte sich um mehr als 80 Bp. Was eine solche Entwicklung wert ist, zeigt ein Blick in die jüngere Geschichte: Als sich die Spekulationen um eine Rettung Griechenlands im Frühjahr zuspitzten (die Ähnlichkeiten zur aktuellen Entwicklung um Irland sind frappierend…), engte sich der Spread griechischer Anleihen auch mal an einem Tag um 100 Bp ein. Wenige Tage später weitete er sich dann um 400 Bp (!) aus.
A propos Griechenland: Für die Hellenen (nicht für Helvetien) veröffentlicht Eurostat heute (angeblich um 11 Uhr) endgültige Zahlen für das Haushaltsdefizit und den Schuldenstand im Jahr 2009. Das Defizit dürfte statt bei 13,8% eher bei 15½% liegen. Daraus abgeleitet werden zusätzliche Sparmaßnahmen des Landes im Umfang von €4-4,5 Mrd. erforderlich sein. (Auf Vettel-Land übertragen wären das €40-45 Mrd.!). Der griechische Haushalt 2011 soll am Donnerstag präsentiert werden. Dann wird wohl auch verkündet werden, um wie viel das diesjährige Defizitziel von 8,1%/BIP verfehlt werden wird. (Die Rede ist von einem Fehlbetrag in Höhe von 9½%.)
Und als wäre das alles nicht genug, meldet sich aus Portugal ein Regierungsmitglied namens Luis Amado zu Wort. Wenn das Land seine wirtschaftlichen Probleme nicht in den Griff bekomme, müsse über einen Austritt aus der Währungsgemeinschaft nachgedacht werden, so der Außenminister. Sollten sich die Spekulationen um eine Rettung Irlands bewahrheiten, könnte es wohl Sinn machen, die Akte Portugal gleich mitzuverhandeln.
Wem das alles noch nicht ausreicht, hier weitere Punkte auf der dieswöchigen Agenda: Japans Wirtschaft wuchs in Q3 um 0,9% - stärker als erwartet. In den USA verhandelt Obama mit dem alten Kongress über zum Jahresende auslaufende Steuergesetze der Bush-Administration – Verlängerung allgemein gewünscht. China stoppt per sofort die Kreditvergabe an Bauunternehmen. Und ab morgen sind angeblich Internet-Adressen mit dem scharfen "ß" erlaubt. Da sichere ich mir doch gleich die Domain "www.der-boß-ist-deutschland.de..."