Prof. Hankel: Euro führt in politische Krise. Ökonom plädiert für "Nord-" und "Südeuro". Wennn die Sünder nicht austreten, fliegt der Euro auseinander. Folge: Nationale Währungen werden wieder eingeführt.
Auszug eines Interviews bei derstandard.at
derStandard.at: Wohin führt uns das alles Ihrer Ansicht nach?
Hankel: In die politische Krise. Damit komme ich zu unserer deutschen Verfassung. Es ist ein Angriff auf die innere Souveränität, die innere Gesetzgebung und die innere Demokratie der europäischen Nationen, denn der Rettungsschirm und was da noch kommen soll - das Konkursrecht - greift nach der Währung in die Autonomie der Haushalte ein. Deutschland hat bereits unterschrieben, dass es sage und schreibe 70 Prozent der Bundessteuereinnahmen - 170 von 250 Milliarden Euro in den Rettungsfonds einzahlt.
derStandard.at: Ihre Bundeskanzlerin Angela Merkel verlangt ohnedies neue Regeln. Die Gläubiger müssten an den Kosten beteiligt werden.
Hankel: Aber was sie verlangt ist ein Rechtsbruch. Neuregelung heißt, die alten Verträge ändern - also brechen. Wir haben zum Beispiel in Deutschland ein Verfassungsgerichtsurteil zum Lissabon-Vertrag, indem das deutsche Verfassungsgericht geradezu kategorisch festgestellt hat, dass jeder Schritt über Lissabon hinaus einer Verfassungsänderung oder einer Volksabstimmung bedarf. Deswegen haben wir die Klage eingereicht. Jetzt muss das deutsche Verfassungsgericht erstens eine Stellungnahme abgeben, ob der Bruch der No-Bailout-Klausel, inklusive des Stabilitätspaktes, durch die deutsche Rechtssprechung gedeckt ist. Aber erst recht, dass was Frau Merkel verlangt - nämlich einen neuen Vertrag. Darüber müsste Europa neu abstimmen.
derStandard.at: Sie gelten gewissermaßen als der "Leichenbestatter" des Euro von Anfang an.
Hankel: Da muss ich protestieren. Ich bin der besorgte Vater Europas, der nicht haben möchte, dass sein Kind in den Brunnen fällt. Ich hatte jüngst einen Schlagabtausch mit EZB-Präsident Trichet, und ich habe ihm gesagt, dass noch so gute Ziele durch falsche Instrumente kaputt gemacht werden können. Genau das geschieht hier: Das große Ziel, der europäischen Einigung und Integration wird durch die Währungsunion kaputt gemacht. Er hat vorgezogen, dazu nicht viel zu sagen. Das ist der Leichenbestatter.
derStandard.at: Die Alternative?
Hankel: Wenn die Währungsunion bestehen bleiben soll, müssen die ewigen Sünder raus. Im eigenen Interesse sollten sie freiwillig austreten, denn sie können ihre Misere nicht mit einem solchen Programm, wie es ihnen die EU vorschreiben muss, bewältigen. Sie müssen in den Währungsclub Nummer zwei. Und wenn das nicht rechtzeitig gemacht wird, werden wir noch erleben, dass das ganze auseinanderfliegt und wir zu den nationalen Währungen, das heißt zum EWS zurückkehren, einer Wechselkursunion zwischen allen EU-Staaten, die hervorragend funktioniert hat, bis man sie leichtsinnig aufgelöst hat. Nicht aus ökonomischen, sondern aus politischen Gründen - wegen der deutschen Wiedervereinigung.