Kubicki vergleicht Zustand der FDP mit Spätphase der DDR und kritisiert Parteiführung. "Es kann passieren, dass auch die FDP in sich selbst zusammenfällt.“ - Schleswig-Holstein will Gesetzesinitiative zur Mehrwertsteuerreform in den Bundesrat einbringen. Lindner soll neues FDP-Programm schon im Mai 2011 vorlegen.
Wolfgang Kubicki, FDP-Fraktionschef in Schleswig-Holstein, sieht seine Partei in einem desolaten Zustand und legt dem Vorsitzenden Guido Westerwelle im Falle von Niederlagen der FDP bei den kommenden Landtagswahlen den Rücktritt nahe. „An der Basis hat die Auflösung schon begonnen“, sagt Kubicki in einem Gespräch mit dem SPIEGEL. „Die Austritte nehmen massiv zu. Die FDP liegt in Umfragen seit einem halben Jahr zwischen vier und fünf Prozent, und die Mitglieder verlieren den Glauben daran, dass sich die Lage bald bessert.“ Zurzeit sei die Lage der FDP fast aussichtslos. „Die Situation, in der wir uns befinden, erinnert mich fatal an die Spätphase der DDR. Die ist irgendwann implodiert. Auf einmal war sie nicht mehr da. Die Führung konnte das bis zum Schluss nicht begreifen. Es kann passieren, dass auch die FDP in sich selbst zusammenfällt.“
Verantwortlich für den drohenden Zerfall der FDP ist Kubicki zufolge auch die Parteiführung: „Diejenigen, die in Regierungsverantwortung in Berlin sitzen, nehmen den Zustand der Partei kaum wahr. Sie sind abgehoben von dem, was in der FDP passiert. Das ist ein menschlicher Reflex auf die Vielzahl öffentlicher Angriffe. Man schottet sich ab und bestätigt sich wechselseitig, dass man gut ist. Wenn die Kritik ein so hohes Ausmaß erreicht hat wie bei Guido Westerwelle, dann will man das nicht mehr wahrnehmen. Es ist eine Art Selbstschutz.“ Als problematisch sieht Kubicki besonders das Verhalten von Parteichef Westerwelle. „Mit dem Abkapseln verschwindet ja auch die Möglichkeit, sich auszutauschen.
Ab diesem Moment haben Sie Probleme bei der Entwicklung einer vernünftigen Strategie oder deren Umsetzung.“ Dennoch gebe es zu Westerwelle keine Alternative. Weder einer der übrigen Bundesminister noch Generalsekretär Christian Lindner drängten sich als neuer Parteichef auf. Erst „bei wirklich dramatischen Niederlagen der FDP im nächsten Jahr würde Guido Westerwelle selbst die Frage des Verbleibens im Amte beantworten. Er würde nach meiner Einschätzung auf dem Bundesparteitag im Mai nicht erneut kandidieren“. Kritik übt Kubicki auch an Fraktionschefin Birgit Homburger. „Frau Homburger markiert für die FDP wahrnehmbar keine Punkte.“ Ihn wundere nicht, dass Homburger als unbekannteste Fraktionschefin im Deutschen Bundestag gelte. „Bei dem, was sie sagt, scheint es so zu sein, dass niemand das Bedürfnis hat, das auch zu transportieren.“
Kubicki bemängelt außerdem, dass die FDP die falschen Ministerien besetzt habe. Dass die Union das Finanzministerium führt, bedeute aber nicht, dass man zu dem Thema schweigen müsse. „Ich lasse mir nicht mehr gefallen, dass Wolfgang Schäuble die Reform der Mehrwertsteuer verschleppt.“ In spätestens zwei Monaten wolle Schleswig-Holstein eine Gesetzesinitiative für einen einheitlichen Mehrwertsteuersatz im Bundesrat einbringen.
Angesichts der desolaten Lage der FDP fordert Kubicki die Beschleunigung der Programmdebatte. Generalsekretär Lindner will das Programm im Sommer 2012 vorlegen, doch das sei zu spät, sagt Kubicki: „Die Menschen müssen erkennen können, dass die FDP auf da s Katastrophenjahr 2010 reagiert, dass sie künftig etwas anders machen will. Dazu brauchen wir die groben Umrisse des Programms schon zum Bundesparteitag im Mai 2011. Bis Sommer 2012 können wir damit nicht warten.“