Woher stammt all das Gold der Erde; welche Elemente begleiten Golderze als Partner? Wie reicherte sich das Gold an? Diese spannende Geschichte begann vor mehr als 4,5 Milliarden Jahren, als unser Planet noch ein flüssiger Feuerball war.
Von Hans-Jörg Müllenmeister
Teilchenschauern aus schweren Elementen einer fernen Supernova prasselten auf die „glutjunge“ Erde - darunter Partikel aus Gold - sie versanken in Richtung Erdkern. Langsam kühlte die Erde ab, und es begann der Prozess vielfältiger Erosion. Gesteinsmassen gerieten in Bewegung, wandelten sich und falteten sich auf zu Gebirgen. Schwere Metalle wie das Gold drangen in höhere Erdschichten und reicherten sich dort in bestimmten Mineralien an.
Das Mineral Calaverit ist ein wahrer Goldhort. Es bildet sich in heißen wässerigen Lösungen (hydrothermal) als Sulfid in goldhaltigen Gängen. Chemisch gesehen, vereint es die gleichwertigen Partner Gold und Tellur stabil unter einem Dach mit der stöchiometrischen Formel AuTe2. An dieser „tragenden Konstruktion“ hat Gold 44% und Tellur 56% Anteil. Erstaunlich, dass Gold aus der edlen Metallzunft ausgerechnet einen unedlen Partner mit ins Haus nimmt: ein Zwitter zwischen einem Metall und einem Nichtmetall. Wie Selen gehört Tellur als Grenzgänger zu den Halbmetallen, zu den sogenannten Calkogenen. Aber lassen Sie sich nicht täuschen, was sein Vorkommen angeht. Tellur ist sogar noch seltener als Gold; es liegt in seiner Häufigkeit zwischen Osmium und Gold. Kein Wunder, denn jährlich werden nur etwa 700 Tonnen Tellur gefördert, fast viermal weniger als Gold. Reinrassig ist Tellur sehr spröde. Ein krasser Widerspruch zum dehnbaren sehr geschmeidigen Goldpartner. Tellur ist silbrig-metallisch. Erhitzt man indes seine Kristalle auf über 990°C, ahmt Tellur die Farbe seines Partners nach: goldgelbe Dämpfe steigen auf. Schlagen die gegen eine gekühlte Fläche, erscheint Tellur in einer anderen Modifikation. Spontan bildet sich ein braunschwarzes amorphes, also gestaltloses Tellurpulver.
Reinrassig auf sich allein gestellt, läuft Tellur zu seiner Hochform auf. Es färbt Gläser, erhöht in Aluminium, Kupfer- und Stahllegierungen die Korrosions- und Temperaturbeständigkeit, Härte und Zähigkeit. Als Tellur-Einkristall nimmt seine Leitfähigkeit bei Belichtung zu. Diese Eigenschaft nutzt man bei Fotowiderständen. Bei -268,85 Grad Celsius „vergisst“ Tellur seinen elektrischen Widerstand, es wird wie man sagt, supraleitend. Im Verein mit Cadmium ist Tellur in Dünnschicht-Solarzellen herkömmlichen Materialien überlegen.
Als Arznei gegen Lepra sollen sich geringe Gaben von Tellur bewährt haben. Allerdings hat es eine tückische Eigenschaft. Kleine eingeatmete Mengen von Tellurdämpfen führen zu einem langanhaltenden Knoblauchgeruch - eine sichere Bank und todsicherer Platzhalter in überfüllten öffentlichen Verkehrsmitteln.
Neben Calaverit ist Sylvanit eines der wenigen Minerale, in denen wieder Gold eine feste Bindung mit Tellur eingeht. Sylvanit (AuAg)2Te4 kristallisiert monoklin und entwickelt bis zu einem Zentimeter große Kristalle. Und dann gibt es noch einige Mineralien, in denen gelegentlich Gold in winzigen Spuren zu Gast ist. Etwa Pyrit FeS2, das sogenannte Katzen- oder Narrengold. Das ist aber kein Golderz. Es ist für einen wirtschaftlichen Abbau ungeeignet.
Drei Dome aus purem Gold
Wer aber glaubt, unser ganzes Gold schlummre nur in bestimmten Mineralen, der vergißt einen unerwarteten, schier gigantischen Goldspeicher: die Weltmeere. Schon in den zwanziger Jahren versuchte ein findiger Deutscher dem Meer sein Gold abzutrotzen. Aus der Goldausbeute wollte man die deutschen Reparationen zahlen. Indes war die durchschnittliche Ausbeute mit 0,000004 Gramm Gold pro Tonne Meerwasser extrem unwirtschaftlich. Da stockt schon der Atem, wenn man sich theoretisch das gelöste Gold als Chlorid-Komplex vorstellt:
Die Konzentration entspricht 0,000000004 Kilogramm Gold pro Kubikmeter Meerwasser. Aber multipliziert mit dem gigantischen Wasserkörper der Weltmeere von 1500.000.000.000.000.000•Kubikmeter (1,5 Trillionen Kubikmeter), vagabundieren sechs Millionen Tonnen Gold in den Ozeanen. Diese Goldmenge würde alles bisher geförderte Gold der Menschheit um das 40-fache übertreffen: Ein Riesenwürfel Gold mit einer Kantenlänge von fast 68 Meter. Damit könnte man bequem drei Kölner Dome (Steingewicht 300.000 Tonnen) aus massivem Gold errichten. So ein Monument hielt ewig und die jährlichen Renovierungskosten von 10 Millionen Euro könnten überdies entfallen.
Tiefer, tiefer, unerreichbar?
Neben Milliarden Jahre alten Lagerstätten wie im Witwatersrand in Südafrika, gibt es epithermale „junge“ Goldlagerstätten. Das Gold an sich ist Milliarden Jahre alt, Orte seiner Konzentration sind wesentlich jünger. Die jüngsten finden sich an den Subduktionszonen tektonischer Platten. Hier steigen hydrothermale Wässer aus den Magmen empor, angetrieben vom Vulkanismus. Die Magmen funktionieren wie Goldfahrstühle aus dem tiefen Leib der Erde; sie transportieren das Gold und setzten es als Stockwerksvererzung in Gängen ab oder imprägnieren damit das Gestein, z.B. Bergkristalle. Neuere Untersuchungen aktiver Hydrothermalfelder in Neuseeland brachten Erstaunliches zu Tage: mehr als 1.000 Tonnen Gold bildeten sich so in gerade einmal 50.000 Jahren. Und der Prozess geht Tag für Tag weiter. Bedeutende Lagerstätten diesen Typs gibt es noch in Papua Neuguinea, Mexiko und Peru.
Kleine Helfer
Bislang nahm man an, dass sich Gold nur in rein anorganischen Prozessen anreichert. Es gibt aber Mikroorganismen, die Gold sogar organisch konzentrieren können. Vor einigen Jahren entdeckten Wissenschaftler das Bakterium Cupriavidus metallidurans auf Goldnuggets. Diese Winzlinge hocken nicht zufällig gelangweilt auf den Goldklümpchen. Vielmehr produzieren sie das Gold selbst über eine biochemische Reaktion. Man könnte diese Nanos vergleichen mit dem Goldesel aus Grimms Märchen, dessen Stoffwechsel als Endprodukt bekanntlich lauter Dukaten entließ.
Offenbar verrichten diese Mikroben ihre Geschäfte zu ihrem eignen Schutz. Durch ihr „edles“ Verdauungsprodukt haben sie sich einen Lebensraum erschlossen, der für andere Organismen tabu, geradezu giftig ist. In den Böden, in denen diese Goldbakterien siedeln, finden sich toxische Goldverbindungen. Es sind giftige Gold-Schwefel-Verbindungen, die einen bestimmten Gen-Komplex im Bakterium aktivieren. Die biochemische Reaktion führt zur chemischen Umwandlung in reines, „entgiftetes“ Gold. Das Bakterium erschließt sich also durch seine Abwehrreaktion eine ökologische Nische.
Markt der Eitelkeit
Neben diesen Winzlingen gibt es unstete Spezies von Goldbegleitern: den Homo Spekulans. Immer an der Gezeitenwende eines extremen Wirtschaftszyklus besinnen sich vereinzelt Menschen auf die Jahrtausend alte Freundschaft mit dem Gold. Bereits 2003 hatte ich in der Metapher „Der Goldzug fährt nach Nirgendwo“ das verrückte Treiben vorahnend geschildert. Der Goldexpress hat seit dem Start 2001 seine Geschwindigkeit verfünffacht. Altbackene Goldhasen sitzen genüßlich im Erste-Klasse-Salon und schwadronieren über die goldgerahmte Zukunft. Ein Goldengel verteilt an alle Gold- und Krummnasen einen Adventskalender besonderer Art: Hinter dem ersten Türchen stehen die besten Festtagswünsche des Autors an alle Leser.
Hinter den weiteren Türchen folgt all das, was wir alle brauchen und kennen: Phantasie, Humor, Liebe, Zuversicht, Menschlichkeit, Hilfe, Toleranz und gute Gedanken. Aber das letzte Türchen mit Zeitschloß hat es in sich, denn es verbirgt den Goldchart der Zukunft. Wau!
Im Goldexpress eingefädelt ist ein Waggon der Österreichischen Bundesbahn, angefüllt mit merkwürdigen Reisegruppen. Wißbegierige Goldhamster scharen sich um den Goldösi Johsai, auch bekannt als Folienjo. Und um den Undertaker Waleichenburg wabert eine stattliche Menge Trauerklöße, die den Euro mit Zeter und Mordio wiederholt zu Grabe trugen. Ein sonderbares Völkchen - gemischt aus Goldphilie und Währungsnekrophobie!
In anderen Abteilen stolzieren dichtgedrängt Goldfasane auf Ihren Krügerrands wie auf einem dampfenden Misthaufen. Darunter formen farbenprächtige Goldbugs Reste aus Zahngold zu massiven Dungkugeln. Wieder andere haben in Goldfolie riesige Mengen an Lunchpaketen eingewickelt - alles Vorkehrungen für die zu erwartende schlechte Zeit. Die Morgenpost, „Die Goldseiten“, wird täglich kess von einem hübschen Goldkäfer als Informationslektüre ausgeteilt und verschlungen wie eine leckere Leibspeise.
Dazu kredenzt man Silberwasser und Danziger Goldwasser. Prost! Einige Goldfüchse berauschen sich an den großartigen Meilensteinen die vorüber huschen. Sie erwarten die Endstation des Goldzuges bei 5000 maroden Greenwegs. Diese Pessimisten! Nun, in einigen Jahren naht in der Tat die prächtige Goldene Hochzeit. Nach diesen Festtagen wird es auch dort wieder ruhiger ums Gold als Menschheitsbegleiter und ein neuer Zyklus beginnt.
Jahrtausende nach der Menschheit wird unser genesener Planet auf die Frage „Wie geht es dir, Erde?“ antworten. „Schon besser! ... „Vorübergehend hatte ich ja die Seuche, sie nannte sich „Homo Sapiens“.
Gewiss... kaum etwas wird von unseren technischen Errungenschaften, Denkmälern und unserer Kultur übrigbleiben - vielleicht könnte ein Rudiment unversehrt sein: die Goldmaske Tutanchamun. Selbst die wird in einigen Milliarden Jahren verdampfen, verdampfen durch unseren Stern, der sich zum Roten Riesen aufbläht. Dann verschwindet das geliehene Gold der Erde dahin, wo es einst herkam: im unendlichen Schlund des Universums. Das gleiche geschieht mit unserem Körper, dem einstigen Staub der Sterne. Vielleicht haben zukünftige Generationen noch eine Galgenfrist. Doch nur, wenn sie sich als Gäste auf Erden benehmen.