Estland kriegt Euro. Die Baltenrepublik ist nach Slowenien und der Slowakei das dritte Land aus dem ehemaligen Ostblock, das den Euro als Zahlungsmittel übernimmt. - Ostbörsen weiter selektiv mit Outperformancechancen.
von Andreas Männicke
Prosit Neujahr! Neues Jahr, neues Glück: Im neuen Jahr dürfen wir gleich zu Jahresbeginn ein neues EWU-Land begrüßen. Estland ist ab dem 1. Januar 2011 der Europäischen Währungsunion (EWU) beigetreten. Estland ist damit das 17. Land, das der EWU beigetreten ist. Es ist aber das erste Land aus der ehemaligen Sowjetrepublik, was Beachtung verdient. Am 12. Mai 2010 bescheinigte die Europäische Kommission und die Europäische Zentralbank Estland die Erfüllung aller EU-Konvergenzkriterien. Im Juni 2010 stimmten die EU-Finanzminister sowie die Staats- und Regierungschefs der EU der Aufnahme Estlands in die Eurozone zu. Einen Monat später legten die Finanzminister den offiziellen Wechselkurs von 15,6466 estnischen Kronen für einen Euro fest.
Die Baltenrepublik ist nach Slowenien und der Slowakei das dritte Land aus dem ehemaligen Ostblock, das den Euro als Zahlungsmittel übernimmt. In der Hauptstadt Tallinn wurde der Euro-Start mit einem Feuerwerk zu Mitternacht gefeiert.
Der EWU-Beitritt mag in Anbetracht der Verschuldungsorgien der „PIGS“-Länder Fragen aufwerfen, ob damit ein weiteres Schwachwährungsland und „Wackelkandidat“ den Euroraum betritt. Estland mit einem BSP pro Kopf von 10.200 € das ärmste Land im Euro-Club.
In der Tat ist die Brutto-Auslandsverschuldung in Relation zum BSP mit 121% (Vorjahr 126%) immer noch viel zu hoch. Die Brutto-Auslandschulden betragen gegenwärtig 17 Mrd € bei einem BSP von nur 14 Mrd €. Vom Betrag her sind17 Mrd € „Peanuts“ in Relation der Schulden der HRE. In Estland tat sich zudem nach der Krise einiges, was Hoffnung macht. Ministerpräsident Andrus Ansip, der die Mitte/Rechts-Koalition in Estland anführt, kommentierte den EWU-Beitritt am 1. Januar wie folgt: „Dies ist ein kleiner Schritt für den Euro, aber ein großer Schritt für Estland.“ Angela Merkel formulierte zuletzt beim EU-Krisengipfel in Brüssel: „Man muss an den Euro glauben!“. Mit Ansip hat sie nun einen weiteren Bruder in der Glaubensgemeinschaft.
Andere osteuropäische Staaten wie Polen, Ungarn und Tschechien planen den EWU-Beitritt wesentlich später und sehen den EWU-Beitritt auch mit gemischten Gefühlen entgegen. Keiner will so gerne die eigene Währung und damit auch die eigene Identität aufgeben, zumal der Euroraum im Moment durch die „PIGS“ alles andere als stabil ist. Estland wurde zwar in den Jahren 2008/2009 nach dem Lehman-Schock besonders hart von der Finanz- und Wirtschaftskrise getroffen. Man darf aber den Hut abziehen, wie gut Estland im Jahr 2010 die Krise gemeistert und sich auf den EWU-Beitritt vorbereitete hat.
Estland ist in Relation zu den anderen Ländern ein Zwerg. Estland trägt nur zu 0,2% zum gesamten BSP des EWU-Raumes von 8,9 Billionen € bei. Das kleine Land hat zwar nur 1,4 Mio. Einwohner, ist aber in mancher Hinsicht das fortschrittlichste Land des Baltikums und sogar Europas:. In Estland ist der freie Internetzugang sogar in der Verfassung geregelt. Es gibt kaum ein Land auf der Welt, wo das Internet soweit verbreitet ist und die Onlinedienste auch so stark in Anspruch genommen wie in Estland. Nicht nur Online-Banking ist schon lange eine Selbstverständlichkeit, sondern sogar die Busfahrkarten werden online abgerechnet. Auch wird das Parlament online gewählt. Telefonieren sie auch ab und zu mit SKYPE kostenlos in die ganze Welt? Dass Sie dies machen können, verdanken Sie Estland Kaum einer weiß, das SKYPE aus Estland kommt. Nun wissen sie es.
Estland hat aber auch seine Hausaufgaben selbst inmitten der Krise erfüllt und im Gegensatz zu allen anderen EU-Ländern Haushaltsdisziplin bewahren. Obwohl das BSP in 2009 um 14% einbrach, schaffte es Estland, einen Haushaltsüberschuss in Höhe von 0,6% des BSP zu erreichen. Auch im letzten Jahr erzielte Estland ein Haushaltüberschuss von 0,6%. Erreicht wurde dies freilich mit sehr drakonischen Sparmaßnahmen wie eine Verringerung der Gehälter im öffentlichen Dienst um bis zu 30% (auch bei Lehrern und sogar bei der Polizei) und sogar eine Verringerung der Renten. Zudem wurden die Steuern im Land angehoben, Dies wäre bei den „PIGS“ auch notwendig, aber politisch kaum umsetzbar gewesen. Die Esten mussten also so manche Entbehrungen hinnehmen, kamen damit aber wieder auf den grünen Zweig.
Dies dürfte fast für Westeuropa zum Vorbild werden. Im Gegensatz zum Nachbarland Lettland musste Estland auch keine Hilfen des IWF in Anspruch nehmen, obwohl das Leistungsbilanzdefizit in 2007 17% und in 2008 8% des BSP betrug. In 2010 erzielte Estland aber sogar einen Leistungsbilanzüberschuss in Höhe von 4,6% des BSP. Ähnliches wird in diesem Jahr erwartet. Insofern handelt es sich um einen Musterschüler, was „EU-Hausaufgaben“ angeht. Die Währungsreserven blieben sogar in der Krise stabil bei 2,3 bis 2,6 Mrd €. Der Wechselkurs wurde ohnehin schon vor der Euro-Einführung künstlich an den Euro gekoppelt und zwar im Verhältnis 1 zu 15,65, was in etwa 1 zu 11,6 in Dollar ausmacht.
Die Inflationsrate betrug im letzten Jahr auch nur 2,2%., wobei sie in 2009 sogar negativ war. Das BSP beträgt aber gerade einmal 14 Mrd €, also so viel wie Goldman Sachs im Jahr an Boni auszahlt. Immerhin wuchs das BSP im letzten Jahr schon wieder um 2,4% und in diesem Jahr wird ein BSP-Wachstum von 3,9% erwartet. Damit ist Estland zwar kein „Baltikum-Tiger“ mehr mit Wachstumsraten von 5-7% wie in den Jahren 2003 bis 2007 und auch der „Aufbruchstimmung“ ist nüchterner Überlebenstrieb gewichen, aber die Krise scheint überwunden zu sein.
Die Börse hat den EWU-Beitritt schon antizipiert und mit einer Performance von über 70% beim OMX Tallinn-Index honoriert. Als Außenminister Guido Westerwelle schon Anfang letzten Jahres verbal grünes Licht für den schon seit 2006 geplanten EWU-Beitritt Estlands gab, schossen die Kurse in Estland alleine im Januar 2010 um 50% in die Höhe. Zudem machte die skandinavische Investmentgesellschaft East Capital, einer der größten Investoren im Baltikum, in diversen Roadshows auf die Unterbewertung der Aktien aufmerksam, was zu wahren Kursprüngen im Januar 2010 führte. Die deutsche Beteiligungsgesellschaft Beteiligungen im Baltikum AG (WKN 520420, www.baltikum.de ) profitieren von der guten Performance im Baltikum.
Noch besser schnitten ist Osteuropa nur die Indizes der Ukraine und der Mongolei ab. Aber auch russische Aktien erfreuten die Anleger in 2010 mit einer Performance von über 20%. Die Verurteilung von Chodorkowski zu 14 Jahren Gefängnis, also bis 2014, lässt wiederum Fragen des Rechtstaates Russland, der Einmischung der Politik (wie Putins Vor-Verurteilung) und der Unabhängigkeit der Gerichts aufkommen. Die Medienschelte ging hier bereits um die ganze Welt. Die Proteste in Russland halten sich aber in Grenzen, obwohl einige Demonstranten verhaftet wurden. Auch wenn das Urteil kurzfristig das Sentiment gegenüber Russland eintrübt, bleibt Russland weiterhin einer der chancenreichsten Investmentmärkte der Welt, was ich im nächsten EAST STOCK TRENDS auch ausführlich begründen werde.
Ungarn wird in diesem Jahr den EU-Ratsvorsitz übernehmen. Hoffentlich wird den Ungarn dann auch klar, was sie mit dem neuen Mediengesetz in Ungarn angerichtet haben. Positiv bin ich weiterhin für polnische Aktien gestimmt, die schon in 2010 viel Freude bereiteten und den DAX outperformten. Es wird in Osteuropa auch in 2011 selektiv immer wieder Outperformancechancen geben.