Weit reicht das Heer der Wissenschaftler - bis zurück in die Antike. Es waren Denker, Astronomen, Physiker, Chemiker und Mathematiker die unsere Welt veränderten. Sie alle lehrten uns Zug um Zug, was die Welt im Innersten zusammenhält. Sie forschten nach den kleinsten Teilchen unserer Materie, nach dem átomos, nach neuen Stoffen in der Natur, nach Techniken, der téchne, um das neu gewonnene Ingenieurwissen „ins Werk zu setzen“. Diese Genies waren keineswegs alle liebenswürdige Persönlichkeiten: Im Gegenteil, einige waren sogar mürrische Zeitgenossen, sogar regelrechte Kotzbrocken, wie etwa Newton. Schauen wir uns in einem Zusammenschnitt einige Meilensteine an, die diese Forscher der Menschheit hinterließen - im Spiegel der Rohstoffwelt.
Greifen wir den Geschichtsfaden um -400 vor unserer Zeitrechnung auf. Die These von Demokrit von den kleinsten unteilbaren Teilchen der Materie hatte fast bis in unsere Zeit Bestand. Sichtbare Materie entsteht, wenn sich die Atome aneinander binden. Sie selbst sind von unendlicher Menge und haben keine Qualität wie die chemischen Elemente, so erklärt Demokrit.
200 Jahre später entfaltet der erste Ingenieur der Antike seine Genialität. Archimedes aus Syrakus entwickelt Kräne mit Greifhaken, gewaltige Katapulte, Brennspiegel, Flaschenzüge, Wasserschrauben, entdeckt das Hebelgesetz und das nach ihm benannte Auftriebsprinzip. Man könnte ihn auch als den ersten Forensiker ansehen, denn den wahren Goldgehalt einer Königskrone bestimmte er über deren Dichte. Der Legende nach übergab der Goldschmied dem König eine Krone, die statt Gold auch Silber enthielt. Aber wie das herausfinden? Archimedes wurde beauftragt den Sachverhalt zu klären. Die zündende Idee bekam er, als er ein Bad nahm und bemerkte, dass er soviel Wasser verdrängte, wie es seiner Leibesfülle entsprach. Übrigens, der von ihm aufgedeckte Betrug wurde später durch eine gewisse Körperkürzung des Goldschmieds geahndet. Ein zufälliges Schlüsselerlebnis ganz anderer Art hatte Newton in seinem Garten, als ihm ein Apfel auf sein Denkstübchen fiel. Es war der Denkanstoß zu seiner Gravitationslehre!
Für Rohstoff-Fans erhellt sich das 16te Jh. mit dem Vater der Mineralogie, mit Georgius Agricola, alias Georg Bauer. Auf Latein klingt das gleich wissenschaftlicher. In seinem ersten Werk 1530 beschreibt er Verfahren zur Erzsuche und -verarbeitung. Mit mehreren Werken begründete er die Geowissenschaften. So beschreibt er, wie Stoffe im Erdinnern entstehen und die „Natur der aus dem Erdinneren hervorquellenden Dinge“. Er bringt Ordnung in Steine und Erze, entdeckt 1540 das Element Bismut und klassifiziert 570 Mineralien. Der latinisierte G. Bauer ist Begründer der Bergbaukunde.
Hätte es im 17ten Jh. nicht den „skeptischen Chemiker“ Robert Boyler gegeben, wäre der Weg zur wissenschaftlichen Chemie erst viel später gefunden worden. Der „Lufterforscher“ entdeckte und bewies, dass Gase festen Regeln gehorchen. So stellt er fest, dass sich Druck und Volumen umgekehrt proportional zueinander verhalten. Für den Iren besteht die Materie nicht, wie Jahrhunderte angenommen, aus nur vier Elementen, sondern aus „Korpuskeln“.
Dann, 1643 erscheint ein Frühchen auf der naturwissenschaftlichen Weltbühne; daraus reift das geniale Ekelpaket Isaac Newton heran. Während 1665 Pest und Brände in London wüten, schwelgt Newton als 23-Jähriger abgeschieden in Mathematik. Er kann die elliptischen Bahnen der Planeten, die Johannes Kepler beschrieb, erstmals mathematisch erklären: Die Kraft, die Planeten in ihre Umlaufbahn zwingt, wirkt zwischen allen Massen des Universums. Sie wächst proportional zum Produkt der beiden Massen, die einander anziehen, und nimmt mit der Entfernung quadratisch ab. Er erkundet die Natur des Lichts und schickt weißes Licht durch ein Prisma, das es in seine Spektralfarben zerlegt. Makaber, aber er schiebt sich sogar eine Ahle in die Augenhöhle, um dem Augenlicht hinter die Schliche zu kommen und er daraufhin nur noch „bunte Kreise“ sieht. Nebenbei erfindet er das Spiegelteleskop.
Nicht zuletzt entwickelt Newton die Differential- und Integralrechnung, ein geniales und zugleich spannendes Rechenwerkzeug der heutigen Ingenieure. Damit wird es erstmals möglich, beliebige Kurven und Körper zu berechnen. Johannes Kepler, übrigens auch ein ehemaliges Frühchen, entwickelte zuvor ein numerisches Rechenverfahren, um den Rauminhalt von Weinfässern zu ermitteln. 1700, als Aufseher der Königlichen Münze berufen, fühlt sich Newton als Herr über Leben und Tod. Unbarmherzig verfolgt er Falschmünzer bis zum Galgen. Begnadigungen gibt es nicht. Für seine „Verdienste“ schlägt ihn König Jakob zum Ritter. Kein Pardon kennt er auch für seinen Kollegen Leibniz, der wie nachgewiesen, zur gleichen Zeit mit ihm die Infinetisimalrechnung erfand. Er bezichtigt ihn im Namen der Royal Society des Plagiats.
Newton überlebte Leibniz (1646 - 1716) um elf Jahre. Der gelernte liebenswürdige Diplomat Gottfried Wilhelm von Leibniz und Gegenspieler Newton war wohl das größte Universalgenie aller Zeiten. Er war in allen Wissensgebieten zu Hause. Bereits 1672 konstruierte Leibniz eine Rechenmaschine, die multiplizieren, dividieren und Quadratwurzel ziehen konnte. Er entdeckte, dass sich Rechenprozesse viel einfacher mit einer binären Zahlencodierung durchführen lassen und entwickelte das Dualsystem mit den zwei Zuständen, den Dualzahlen 0 und 1: Grundstein der heutigen Computertechnik.
Ganz erheblich bringt der Autodidakt John Dalton die Wissenschaft des 19ten Jahrhunderts voran. Aus chemischen Analysen schließt Dalton auf das relative Atomgewicht der beteiligten Elemente. Als Grundeinheit dient ihm der Wasserstoff mit dem Atomgewicht 1 und er gibt das Gewicht der anderen Elemente mit einem Vielfachen davon an. Seine Berechnungen sind die ersten Meilensteine zum Periodensystem der Elemente, heutige Grundlage der Chemie.
Als Student war der Russe Dmitri Mendelejew 1834-1907 ein leidenschaftlicher Patience-Leger. Dieser Sinn nach Ordnung und Strategie verschafft sich in seiner Tabelle der Periodischen Elemente wissenschaftlichen Ausdruck.1869 ordnet er 63 Elemente ansteigend nach der Atommasse zu Gruppen mit ähnlichen Eigenschaften. Er sagt aufgrund der Systematik die unbekannten Eigenschaften der fehlenden Elemente Gallium, Scandium und Selen, aber auch das seltene Element Rhenium voraus. Ihm zu Ehren nannte man 1955 das neu entdeckte Element 101 Mendelevium. Auch als Vater der russischen Ölindustrie bekannt geworden, entwickelte der bescheidene und liberale Mendelejew neue Raffineriemethoden.
Joseph von Frauenhofer (1787-1826) war wie Dalton ein unermüdlicher Autodidakt. Er vereinte Intelligenz, wissenschaftliche Neugier mit praktischem Geschick. Der Forscher entdeckte im Sonnenspektrum insgesamt 1500 dunkle Absorbtionslinien, die nach ihm benannten „Frauenhofer Linien“, die typischen Fingerabdrücke der Elemente im Sonnenspektrum. Das gleiche Phänomen zeigt sich auch im Licht ferner Quasare. Damit schuf Frauenhofer eine der Grundlagen zur Astrophysik.
Das größte Rechengenie aller Zeiten lebte von 1777 bis 1855: Carl Friedrich Gauß. Unser Alltag ist angefüllt mit Ergebnissen seiner Leistung. Nach seiner Zahlentheorie werden nicht nur Daten verschlüsselt, ob PIN-Nummern oder Telefongespräche. Seine Differentialgeometrie im dreidimensionalen Raum ist für die Berechnung von Turbinenschaufeln oder Propeller elementar. Gauß war ein Zahlensüchtling, schon als Jugendlicher sammelte er Primzahlen wie andere Spielzeuge und Pilze. Obschon Gauß ein feinfühliger Romantiker war, stand er auf festem Boden; er glaubte daran, dass alles in der Natur nach mathematischen Gesetzen abläuft. Als überragender Mathematikus spekulierte er recht clever an der Börse und kam dadurch zu ansehnlichem Reichtum.
Erst 14 Elemente waren am Ende des 17ten Jh. bekannt und beschrieben, z. B. die Metalle Eisen, Kupfer, Silber und Gold neben Kohlenstoff, Schwefel und Phosphor. Dann aber bricht im fruchtbaren 19ten Jh. vor allem auf deutschem Boden ein Feuerwerk der Entdeckungen aus. 1789 findet Klaproth die Elemente Uran und Zirconium. 1860 entdecken Kirchhoff u. Bunsen Rubidium und Cäsium. Indium wird von Reich u. Richter 1863 dargestellt; Cadmium 1817 von Stromeyer u. Hermann; Germanium 1886 von Winkler. Der Österreicher v. Welsbach entdeckt 1895 Praseodym und Neodym. Gemeinsam extrahieren 1898 Marie u. Pierre Curie aus der Pechblende Polonium und Radium. Das seltene Metall Rhenium stellten 1925 die Rheinländer Walter Noddack u. Ida Tacke erstmals rein dar.
Dann ein Quantensprung in der Naturwissenschaft... eine völlig neue Sicht der Welt tut sich auf. Postulierte Leibniz noch „natura non facit saltus“, „die Natur macht keine Sprünge“ so zeigt Max Planck, dass es in der Tat in der absurden Mikrowelt der Atome zu Sprüngen kommt. Selbst das Licht wird in Energiepäckchen, in Quanten, ausgesendet. Schluss mit der Kontinuität. Die Teilchen folgen nach Max Born einer statistischen Wahrscheinlichkeit bezüglich Ort und Geschwindigkeit. Die Naturvorgänge in der atomaren Welt laufen nicht stetig ab, ja sie sind sogar nicht eindeutig vorhersagbar. Photonen, die Träger des Lichts, haben ein Zwillingswesen, mal sind sie Teilchen, mal Welle. Schluss mit dem Atommodell des Neuseeländers Ernest Rutherford (1909), in dem Elektronen wie Kugeln den Atomkern umkreisen. Vielmehr kreisen sie laut Niels Bohr (1913) auf ganz bestimmten Bahnen. Nach dem heutigen Atommodell bewegen sich Elektronen „verschmiert“ in bestimmten Orbitaten rund um den Atomkern, und zwar mit bestimmten Ortswahrscheinlichkeiten.
Der erste Pionier der Halbleitertechnik war Walter Schottky (1886-1976). Er erkannte, dass die elektrische Leitfähigkeit bestimmter Halbleiter von außen steuerbar ist. Dieses Verhalten nutzt man für die Entwicklung von Transistoren und Integrierten Schaltkreisen, den IC’s. Hier schließt sich der Kreis. Den Binärcode 1 und 0 - das sprunghafte Verhalten der Leitfähigkeit - Strom ein für 1, Strom aus für 0 - hatte bereits Leibniz vor 300 Jahren mathematisch als den Schlüssel für die automatisierte Rechentechnik erkannt.
Für viele ist Albert Einstein der Revolutionär und Star unter den Physikern. Er schmeißt die Kraft, die Newton der Gravitation beimisst über den Haufen, statt dessen sieht er die Krümmung und das Verbiegen der Raumzeit durch eine Körpermasse, etwa die Sonne. 1917 postulierte er die indizierte Emission von Licht (Lichtverstärkung). Dieser quantenmechanische Vorgang ist die physikalische Grundlage der Laser. Neben dem Transistor ist das die bedeutendste Erfindung, die auf der Quantenphysik beruht. Trotzdem: Einstein konnte sich nie mit der unheimlichen Natur der Quantenphysik anfreunden, die auf Wahrscheinlichkeiten beruht. Sein ablehnender Kommentar: Der Alte (Gott) würfelt nicht!
Der Deutsche Leibniz musste erst einmal die Dualzahl kreieren, der Schwede Jöns Jakob Berzelius das Halbleitermaterial Silicium 1824 darstellen und schließlich der Österreicher Walter Schottky den Halbleitereffekt erkennen. Dann erst folgte der mühsame Weg zu den IC-Bauelementen bis zum Computer. Ein langer Marsch vom Hochbarock bis in unsere Siliciumzeit. Ein anderes Beispiel: Der Effekt der Supraleitung wurde 1911 vom Niederländer H. K. Onnes erkannt. Er beobachtet, dass Quecksilber (entdeckt vor 2.500 Jahren) unterhalb von 4,19 Kelvin sprungartig seinen elektrischen Widerstand verliert. Onnes stellt fest, dass die Supraleitfähigkeit nur auf quantenmechanischen Effekten beruht. Im Jahre 1986 publizieren der deutsche Physiker J. G. Bednorz und der Schweizer K. A. Müller, beide Nobelpreisträger, ihre Entdeckung der Hochtemperatursupraleitung (HTS). 2005 wurde der weltweit erste HTS-Generator der Siemens AG erfolgreich in Betrieb gesetzt. Im Jahre 2012 erwartet der Autor den Einsatz von HTS auf Silberbasis.
Der Rösselsprung durch die Geschichte der Wissenschaft zeigt nicht unmittelbar den Zusammenhang zwischen genialer Idee, Rohstoff und technischer Anwendung. Dafür ist alles zu verzweigt und verwoben. Geniales wirkt über Jahrhunderte hinweg, eben in die Ferne.