Fiskus drohen hohe Einnahmeausfälle durch Verlustvorträge. Regierung sieht „erhebliche Risiken“ für Unternehmenssteuern. Über 600 Milliarden Euro Verlustvorträge allein bei der Körperschaftssteuer. „Die Wirtschaftskrise ist in den Zahlen noch gar nicht enthalten“.
Dem Staat drohen erhebliche Steuerausfälle durch Verluste, die Unternehmen aus der Vergangenheit vor sich herschieben. Nach Berechnungen des Bundesfinanzministeriums belaufen sich die sogenannten Verlustvorträge bei der Körperschaftssteuer auf 605 Milliarden Euro. Das geht aus einem Schreiben des Ministeriums hervor, das der Tageszeitung „Die Welt“ (Dienstagausgabe) vorliegt. „Die Bundesregierung sieht im Bestand der festgestellten Verluste erhebliche Risiken für das Körperschaft- und Gewerbesteueraufkommen“, heißt es in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Barbara Höll (Linke). Die Verlustvorträge der Gewerbsteuerpflichtigen betragen nach Angaben des Finanzministeriums 569 Milliarden Euro. „Die steuerliche Werthaltigkeit der Verlustvorträge übersteigt das Körperschaft- und Gewerbesteueraufkommen um eine Vielfaches“, heißt es in dem Schreiben.
Nach der Statistik des Finanzministeriums haben mehr als 52 Prozent der körperschaftssteuerpflichtigen Unternehmen Verlustvorträge in ihren Büchern. Bei den Gewerbesteuerpflichtigen sind es immerhin 38,6 Prozent. Die Verluste können mit Gewinnen in der Zukunft verrechnet werden und mindern so die Zahlungen an den Fiskus. Allerdings können die Verluste aufgrund der Mindestbesteuerung nicht komplett geltend gemacht werden. Diese Regelung wurde aber immer wieder von Gerichten kritisiert. „Wir müssen die Regeln anpassen“, forderte der FDP-Finanzexperte Daniel Volk gegenüber der „Welt“. „Sonst laufen wir Gefahr, dass uns ein Gericht das abnimmt.“ Dann könnte ein größerer Teil der Verlustvorträge von den Firmen genutzt werden. Volk: „Und da kann es schnell um eine nicht unerhebliche Größenordnung gehen.“ Nach Berechnungen des Finanzministeriums würde ein Verzicht auf die Mindestbesteuerung zu jährlichen Mindereinnahmen von 2,2 Milliarden Euro führen.
Alle Zahlen aus dem Schreiben des Finanzministeriums beziehen sich auf das Jahr 2006 (Körperschaftsteuer) beziehungsweise 2004 (Gewerbesteuer). Neuere Werte liegen in der Steuerstatistik noch nicht vor. Beim FDP-Finanzexperten Volk sorgt das für zusätzliche Unruhe: „Die Wirtschaftskrise ist in den Zahlen noch gar nicht enthalten“, sagte er. „Man muss befürchten, dass der Bestand an Verlustvorträgen noch mal angewachsen ist.“ Volk fordert eine Regelung, die es erlaubt, die Verluste langsam abzubauen. „Wir können das Problem nicht ewig vor uns herschieben.“ Das Finanzministerium hat eine Arbeitsgruppe einberufen, die bis September Vorschläge für eine Neuregelung erarbeiten soll.