1 Mann, 2 Frauen? Vielweiberei? Eigentlich in Deutschland verboten. Gilt aber nur für Deutsche. Islamische Neubürger dürfen auch mehrere Frauen haben - entschied das Bundesverwaltungsgericht.
Eine im Ausland geschlossene Zweitehe steht einem Einbürgerungsanspruch in Deutschland nicht entgegen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, wie aus einer Mitteilung hervorgeht (Aktenzeichen BVerwG 1 C 15.17).
Zuvor hat der Syrer eine sonderbare Geschichte um den Fall gestrickt, denn die Zweitfrau ist auch noch seine Cousine. Er hat sie angeblich geheiratet, weil sie sonst Gefahren ausgesetzt sei. Der Mann hatte eine "Affäre" mit der Cousine, aus der eine Tochter hervorging. Da die Frau als Unverheiratete in Syrien völlig entrechtet gewesen wäre, habe er sie geheiratet, wie er vor Gericht aussagte.
Das Gericht fiel auf die krude Story rein.
Der Syrer lebt seit 1999 in Deutschland. Seine Einbürgerung war zurückgenommen worden, nachdem seine Zweitehe bekannt geworden war. Gegen diese Rücknahme klagte er vor Gericht. Erfolgreich.
Das Prinzip der "bürgerlich-rechtlichen Einehe" gehöre laut Bundesverwaltungsgericht nicht zur freiheitlich demokratischen Grundordnung. Sondern sei eher ein Bekenntnis zu Recht und Gesetz sowie der im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte.
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
Mehrehe eines Ausländers hindert nach geltendem Recht nicht dessen Anspruchseinbürgerung
Eine rechtswirksam im Ausland eingegangene weitere Ehe schließt zwar eine privilegierte Einbürgerung von Ehegatten Deutscher nach § 9 Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) mangels Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse aus. Sie steht aber einem wirksamen Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung und damit einem Einbürgerungsanspruch nach § 10 StAG nicht entgegen. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden.
Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme seiner Einbürgerung. Der 1981 in Syrien geborene Kläger lebt seit 1999 in Deutschland, er studierte hier und arbeitet seit 2008 als angestellter Bauingenieur. Im April 2008 heiratete er eine deutsche Staatsangehörige, mit der er in ehelicher Lebensgemeinschaft lebt; aus der Ehe gingen drei Kinder hervor. Im Jahre 2010 wurde er auf seinen Antrag hin nach § 9 StAG eingebürgert, nachdem er im Einbürgerungsverfahren nur diese Ehe angegeben hatte.
Im Jahre 2012 erhielt die Beklagte Kenntnis davon, dass der Kläger im Juni 2008 in Damaskus mit einer syrischen Staatsangehörigen rechtswirksam eine weitere Ehe geschlossen hatte. Er erkannte die Vaterschaft für eine Anfang 2012 von seiner Zweitfrau geborene Tochter an. Die Tochter lebt seit Herbst 2013 im Haushalt des Klägers in Karlsruhe. Auch die Zweitfrau lebt seit April 2017 mit eigenem Haushalt in Karlsruhe.
Die Beklagte nahm im Dezember 2013 die Einbürgerung des Klägers mit Wirkung für die Vergangenheit zurück. Durch das Verschweigen der Zweitehe und die im Einbürgerungsantrag abgegebenen Erklärungen habe er arglistig über die Einbürgerungsvoraussetzungen getäuscht. Die Zweitehe schließe es aus, dass sich der Kläger in die Lebensverhältnisse in Deutschland eingeordnet habe, und stehe auch einem wirksamen Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung entgegen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat den Rücknahmebescheid aufgehoben, weil es jedenfalls an der Kausalität des dem Kläger vorgeworfenen Verhaltens für die Einbürgerung fehle. Der Kläger habe bei Einbürgerung auch unter Berücksichtigung der in Syrien wirksam geschlossenen weiteren Ehe nach § 10 StAG einen Einbürgerungsanspruch gehabt. Diese Zweitehe stehe dem nach § 10 StAG geforderten Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht entgegen.
Der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat den Rechtsstreit an den Verwaltungsgerichtshof zur näheren Prüfung zurückverwiesen, ob der Kläger im Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung einen Einbürgerungsanspruch gehabt hat. Die Einbürgerung des Klägers ist allerdings rechtswidrig erfolgt, weil die in Syrien geschlossene und vom Kläger im Einbürgerungsverfahren verschwiegene Zweitehe einer „Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse“ nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StAG entgegensteht. Auch waren im Zeitpunkt der Einbürgerung die Voraussetzungen für einen Einbürgerungsanspruch nach § 10 StAG noch nicht erfüllt.
Bei der Ermessensentscheidung über die Rücknahme hat die Beklagte aber einen möglichen Einbürgerungsanspruch des Klägers nach § 10 StAG im Zeitpunkt der behördlichen Rücknahmeentscheidung zu berücksichtigen. Die Beklagte hat hier einen solchen zu Unrecht mit der Begründung verneint, dass der Kläger sich wegen seiner Zweitehe nicht wirksam zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekannt habe. Der Rechtsbegriff der „freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ ist bezogen auf die Gestaltung der staatlichen Ordnung und ihres Handelns.
Dieser Rechtsbegriff ist damit enger als das Erfordernis der Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StAG. Er verlangt vom Einbürgerungsbewerber ein Bekenntnis zu einem auf Recht und Gesetz sowie der Achtung und dem Schutz der im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte gründenden Gemeinwesen, aber kein Bekenntnis zum Prinzip der bürgerlich-rechtlichen Einehe.
Dem Gesetzgeber steht es allerdings frei, die Anspruchseinbürgerung bei bestehender Mehrehe auszuschließen, etwa indem er nach dem Vorbild des § 9 Abs. 1 Nr. 2 StAG auch für die Anspruchseinbürgerung vom Ausländer eine „Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse“ verlangt.
Ob im Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung ein Einbürgerungsanspruch des Klägers bestand, wird das Berufungsgericht mit Blick auf die Einbürgerungsvoraussetzung einer eigenständigen Sicherung des Lebensunterhalts aufzuklären und zu entscheiden haben.
Urteil vom 29. Mai 2018 - BVerwG 1 C 15.17 -
Vorinstanzen:
VGH Mannheim, 12 S 2216/14 - Urteil vom 25. April 2017 -
VG Karlsruhe, 3 K 1117/14 - Urteil vom 25. September 2014 -