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US-Staatsanleihen: Implosion 2011

Eine schreckliche Katastrophe mit tragischem Ausgang für eine Unzahl von Menschen  hat Japan getroffen – da wäre es vermessen zu glauben, die Welt und ihre Wirtschaft könnten umgehend wieder zu „business as usual“ übergehen. Schon vor dieser Katastrophe schwächelte der Markt für US-Staatsanleihen. Die Ereignisse der letzten Tage beschleunigen nun die Entwicklung bis zu seiner Implosion.

 

Eine Analyse des GEAB
In der 52. Ausgabe des GEAB hatten wir schon dargelegt, wie der „Fall der Petrodollarmauer“ dazu führen werde, dass die Golfstaaten noch in diesem Jahr ihren bisherigen massiven Aufkauf von US-Staatsanleihen einstellen. In dieser 53. Ausgabe des GEAB werden wir darlegen, dass der massive Schock für die japanische Wirtschaft nicht nur dem Kauf von US-Staatsanleihen durch Japan ein Ende setzen wird. Nun werden die japanischen Behörden sogar gezwungen sein, einen großen Teil ihrer US-Staatsanleihen und Dollarwährungsreserven abzustoßen, um die enormen Summen für die Stabilisierung, den Wiederaufbau und die Ankurbelung der heimischen Wirtschaft aufbringen zu können.

Japan und die Golfstaaten gehörten bisher zu den wichtigsten Aufkäufern von US-Schulden. Sie besitzen zusammengerechnet ein Viertel der Forderungen weltweit gegen die USA, deren Gesamtschulden sich auf 4.400 Milliarden US-Dollar (Stand 2010) belaufen. Die Lage für den US-Anleihenmarkt wird somit mehr als bedenklich. Darüber hinaus kauft auch China, das 20% dieser Wertpapiere hält, nur noch zögerlich. Wenn sich die Investoren weltweit über die neue Lage auf dem Markt für US-Staatsanleihen Klarheit verschafft haben werden, ist die Grundlage für seine Implosion im zweiten Halbjahr 2011 gelegt. Dann bleibt von den traditionellen Aufkäufern amerikanischer Schuldentitel nur noch die FED übrig, und die kann einen solchen Markt nicht stabil halten.

Da auch der Markt für Anleihen der US-Gebietskörperschaften, den sogenannten Munis, zu kollabieren droht und Gerüchte über eine Restrukturierung der öffentlichen Schulden der Staaten an der EU-Peripherie, einschließlich Großbritanniens, die Runde machen, wird sich diese Entwicklung recht schnell vollziehen. Da war es nicht verwunderlich, dass PIMCO, der weltweit größte Anleihenfonds, schon im Februar 2011 begonnen hat, seine US-Staatsanleihen massiv abzustoßen. Und damals war die Lage noch nicht so dramatisch wie nun nach dem japanischen Erdbeben und Nuklearunfall.

Die wichtigsten Inhaber von US-Staatsanleihen (10/2010) - Quellen: US Treasury / Dave's Manuel
Aber die Zukunft des Markts für US-Staatsanleihen wird nicht nur durch die Ereignisse in Japan und der arabischen Welt  bestimmt. Vielmehr wächst das Risiko seiner Implosion unter der Einwirkung von vier weiteren Entwicklungen:

  • Die nunmehr in den USA verfolgte Sparpolitik, (deren Unvermeidbarkeit wir in der 47. Ausgabe des GEAB vorhergesagt hatten), die den Markt für die Anleihen der US-Gebietskörperschaften (Munis) in den Kollaps treibt
  • Das Unvermögen der FED, eine dritte Runde des Quantitative Easings (QE3) einzuläuten
  • Der vor dem Hintergrund einer globalen Inflation unvermeidbare Anstieg der Leitzinsen
  • Das Ende des Dollars als Weltleitwährung.
Natürlich stehen diese Entwicklungen zueinander in Wechselwirkung. Und wie bei jeder großen Krise verstärken sie sich nun gegenseitig, was einen massiven Schock im zweiten Quartal 2011 unvermeidbar macht. Man könnte sogar noch einen fünften Faktor der Entwicklung anführen: Die vollkommene Lähmung der US-Politik.

Narrenschiff USA
 
Die täglichen Auseinandersetzungen auf fast allen Politikfeldern zwischen den Republikanern, die durch die Erfolge der Tea-Party-Bewegung noch weiter nach rechts gerückt sind, und den Demokraten, die frustriert mit ansehen müssen, wie Obama nach und nach seine entscheidenden Wahlversprechen kassiert, entlarvt jeden Tag das politische Washington ein wenig mehr als « Narrenschiff », das auf den Wellen der Ereignisse ohne Richtung, ohne Strategie, ohne Kampfwillen, ohne Möglichkeiten, wieder die Kontrolle zu erlangen herumgeworfen wird. Damit wird, wenn es zur Implosion des Markts für US-Staatsanleihen kommen wird, aus Washington keine brauchbare Gegenreaktion zu erwarten sein. Alles, was Washington beisteuern wird, wird ein Bündel aus widersprüchlichen Signalen sein, was dazu führen wird, dass die Krise sich noch verschärfen wird.

Die dreifache Katastrophe, die Japan getroffen hat (Erdbeben, Tsunami und Nuklearunfall), ist ein Ereignis von einer solchen Bedeutung, dass die umfassende weltweite Krise davon noch beschleunigt und verschärft wird. Dies gilt insbesondere für den Zerfall der Welt – und öffentlichen Ordnung. Das Ausmaß der Verwüstungen, die weitreichende Zerstörung der Energieversorgung der weltweit drittgrößten Wirtschaftsmacht, der Grad und die Schwere der Nuklearunfälle in den Atomkraftwerken, ist einer dieser massiven Schläge, auf die zu reagieren die internationale Ordnung nicht mehr in der Lage ist.

Schließlich trifft diese Katastrophe kein vor Kraft und Geld strotzendes Land. Die japanische Wirtschaftskrise dauert nun schon seit zwanzig Jahren an; Japans Staatsschulden sind mit die höchsten weltweit. Nun muss es den Aufbau mit begrenzten finanziellen Mitteln und unsicherer Energieversorgungslage leisten.
 
Es kann zur Zeit nicht vorhergesagt werden, wie sich diese Situation auf die Handels- und Warenströme Japans und damit auch weltweit auswirken wird. Japan ist ein wesentlicher Bestandteil der internationalen Ordnung der letzten Jahrzehnte. Tokio ist weltweit einer der größten Finanzplätze, neben London und New York einer der großen Devisenmärkte. Japanische Unternehmen stellen für die Weltwirtschaft wichtigste elektronische Bauteile her. Und wie wir schon in vorhergehenden Ausgaben des GEAB darlegten, ist es neben Großbritannien für die USA ein eminent wichtiger Verbündeter, ohne den die Amerikaner in den letzten fünfzig Jahren nicht in dem Ausmaß die globale Kontrolle über Wirtschaft, Finanzmärkte und Geldpolitik hätten ausüben können.

Dieser für die USA so wichtige Verbündete gerät seit einigen Jahren in dem Maße, wie China erstarkt und die USA an Macht verlieren, immer weiter unter chinesischen Einfluss. Die durch das Erdbeben ausgelöste Krise wird nach unserer Auffassung diese Entwicklung noch beschleunigen. Denn heute ist ausschließlich China in der Lage, Japan mit massiven Geldmitteln zu Seite zu stehen und kann darüber hinaus auch die japanische Wirtschaft mittelbar äußerst wirksam unterstützen, indem den japanischen Unternehmen der immense chinesische Markt noch weiter geöffnet wird.
 
Japan und die Auswirkungen auf die Inflation
 
Was die weltweite Inflation anbelangt, kann man schon heute fünf Einfallstore ausmachen, durch die die Katastrophe in Japan die gegenwärtigen inflationären Tendenzen noch verstärken wird:

  • Die abrupte Abkehr weltweit vom weiteren Ausbau der Atomkraft , was sehr schnell zu einer erhöhten Nachfrage nach Rohöl, Gas und Kohle und damit zu steigenden Preisen führen wird.
  • Der Strommangel der Unternehmen und die Störungen im Warentransport werden zu einem Mangel an wichtigen elektronischen Bauteilen führen, was einen Anstieg der Preise für elektronische Geräte von Computern über Fernsehapparate bis Telefonen provozieren wird.
  • Da die von dem Erdbeben betroffene Region eines der wichtigsten landwirtschaftlichen Gebiete Japans ist, in der auch viele Raffinerien angesiedelt waren, wird Japan bald größere Mengen Nahrungsmittel und Treibstoffe einführen müssen, was insgesamt die Nachfrage nach diesen Gütern (insbesondere nach Reis) auf dem Weltmarkt erhöhen und damit die Preise ansteigen lassen wird.
  • Der weitgehende Stillstand der japanischen Wirtschaft, die sowohl ein Champion des Exports wie auch der kostengünstigeren Just-in-time-Produktion ist, wird zu einem weiteren Rückgang des weltweiten Warenverkehrs führen, womit auch die preisdämpfende Wirkung billiger Importe nachlassen wird.
  • Der Yen wird wegen den enormen Summen Liquidität, die die japanische Zentralbank zur Verfügung stellt, an Wert verlieren; gleichzeitig werden aufgrund der massiven japanischen Nachfrage nach Krediten, mit denen der Wiederaufbau finanziert werden soll, die Zinsen weltweit steigen.
Diese Vorhersagen schließen natürlich noch nicht die Möglichkeit der Verwirklichung des ultimativen Katastrophenszenarios ein, in dem der Großraum Tokio durch eine Kernschmelze und eine Explosion eines oder mehrerer Reaktoren des Atomkraftwerks Fukushima radioaktiv verseucht würde. Für diesen Fall müsste, wie dies um Tschernobyl herum geschah, ein Gebiet evakuiert werden, in dem mehr als 35 Millionen Menschen wohnen und das ein wichtiger Knotenpunkt der globalen Wirtschaft ist. Das wäre eine humanitäre Katastrophe von bisher nie dagewesenem Ausmaß und würde zu einer massiven Störung der Weltwirtschaft und an den Finanz- und Devisenmärkten führen. Für den Fall eines abrupten Ausfalls eines so wichtigen globalen Knotenpunkts wie den Großraum Tokio gibt es schlichtweg keinen „Plan B“.

So sehr wir hoffen, dass dieses Horrorszenario sich nicht verwirklichen wird, so sicher sind wir aber auch, dass das bisherige Ausmaß der Katastrophe ausreicht, um die umfassende weltweite Krise noch weiter zu verschärfen. Der Markt für US-Staatsanleihen wird, wie wir in dieser Ausgabe des GEAB darlegen werden, im zweiten Halbjahr 2011 das erste Kollateralopfer dieser Verschärfung sein. Glücklicherweise muss das Schlimmste nicht zwingend eintreten, aber das etwas absolut Schreckliches passiert ist, daran kann es keinen Zweifel geben.
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