Die Konjunktur-Einschätzung von Deutschlands Führungsspitzen ist so pessimistisch wie lange nicht. 52 Prozent befürchten einen Einbruch der Wirtschaft – schlechter war die Stimmung zuletzt im Herbst 2002. Nur 15 Prozent gehen davon aus, dass es mit der Konjunktur weiter aufwärts geht. Die Zahlen gehen aus dem aktuellen "Capital-Elite-Panel" hervor, das das Institut für Demoskopie Allensbach (IfD) regelmäßig für das Wirtschaftsmagazin ‘Capital' unter mehr als 600 Top-Entscheidern aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung erhebt. Für 88 Prozent der Befragten liegt ein Hauptkonjunktur-Risiko im hohen Ölpreis.
Die Finanzkrise führen 48 Prozent an, die Inflation 43 Prozent. Dagegen ist die Lage in den Unternehmen derzeit noch besser als die Stimmung: 67 Prozent der Top-Manager berichten von einer "sehr guten" oder "guten" Auftragslage ihrer Firma. Im März waren es allerdings noch 79 Prozent. Auch die Beschäftigungspläne sind unterm Strich noch positiv: 31 Prozent wollen in den nächsten zwölf Monaten neue Mitarbeiter einstellen. Allerdings planen auch schon 19 Prozent einen Stellenabbau.
Für ‘Capital'-Chefredakteur Dr. Klaus Schweinsberg ist die Gesamtentwicklung besorgniserregend: "Noch zehren die Betriebe vom Aufschwung der beiden letzten Jahre. Doch die schlechte Stimmung ist ein ernstzunehmendes Alarmzeichen. Jetzt muss die Politik ein deutliches Signal senden und gegensteuern." Diese Einschätzung wird auch durch die Unzufriedenheit der Führungsspitzen mit dem derzeitigen Kurs der Großen Koalition unterstrichen. So sagten 54 Prozent der Befragten, sie seien mit der rotschwarzen Wirtschaftspolitik nicht zufrieden. Und nur noch 36 Prozent (März: 45 Prozent) bescheinigen der Bundesregierung, sie sei "stark genug". 61 Prozent machen sich Sorgen, dass sie "zu schwach" ist.
Sechs von zehn sind für Jamaika, nur jeder Vierte für Fortsetzung der Großen Koalition Entsprechend gering ist auch die Begeisterung für eine Fortsetzung des jetzigen Regierungsbündnisses nach der Bundestagswahl 2009. Falls es dann erneut weder für ein Zweierbündnis von Schwarz-Gelb noch für Rot-Grün reicht, wünschen sich laut ‚Capital'- Umfrage nur noch 25 Prozent ein abermaliges Zusammengehen von Union und SPD.
Sechs von zehn Befragten wäre dagegen eine Jamaika-Koalition von Union, FDP und Grünen "am liebsten". Eine Ampel unter SPD-Führung wollen gerade mal sieben Prozent.
Die Vorbehalte gegenüber der SPD liegen nicht zuletzt daran, dass die große Mehrheit der Top-Entscheider gerade in den Politikfeldern für einen Kurswechsel plädiert, die die SPD und ihre Anhänger überwiegend für gut bestellt halten. So fordern rund 60 Prozent der Unions- und FDP-nahen Führungsspitzen "große Korrekturen" in der Steuerpolitik, doch nur 26 Prozent der SPD-Anhänger. Und in der Energiepolitik wollen lediglich sieben Prozent der bürgerlichen Kräfte den "bisherigen Weg fortsetzen", aber immerhin 41 Prozent der SPD-Anhänger.
Dagegen stößt sogar ein schwarz-grünes Zweierbündnis ohne FDP bei den Befragten auf große Zustimmung: Auf die gesonderte Frage, ob sie es "begrüßen würden", wenn nach der nächsten Bundestagswahl Union und Grüne "zusammen die Regierung bilden", antworteten 68 Prozent mit "Ja". Top-Manager und Top-Politiker unterscheiden sich allerdings stark in ihrer Präferenz: Während bei den Wirtschaftsführern eine große Mehrheit von 76 Prozent Schwarz-Grün begrüßen würde, ist es bei den Politkern nur eine Minderheit von 37 Prozent.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier deutlich aussichtsreicherer Kanzlerkandidat
Trotz der weit verbreiteten Skepsis gegenüber der SPD kommt ihr voraussichtlicher Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier bei der Elite gut an. Nach Einschätzung von 70 Prozent der Befragten hat der Außenminister "das Zeug, Bundeskanzler zu werden".
87 Prozent bescheinigen ihm, der "aussichtsreichere Kanzlerkandidat" als der SPD-Vorsitzende Kurt Beck zu sein. Umgekehrter Meinung sind gerade einmal sechs Prozent.
Auch vor Angela Merkel, die nach wie vor eine große Mehrheit (76 Prozent) für eine starke Kanzlerin hält, muss Steinmeier sich nicht verstecken. Bei allen persönlich-politischen Eigenschaften schneidet er ähnlich gut ab wie sie. So erhalten sowohl Merkel als auch Steinmeier Lob von der Elite für ihr Fingerspitzengefühl, ihre Vertrauenswürdigkeit und ihre strategische Klugheit.
"Die Führungsspitzen zeigen Respekt für Steinmeier – sie sehen in ihm einen eher ebenbürtigen Kandidaten als Beck", unterstreicht Allensbach- Chefin Prof. Dr. Renate Köcher. Allerdings halten große Teile der Entscheider Steinmeier in den machtpolitischen Kategorien im Vergleich mit Merkel für unterlegen. Von der Kanzlerin glauben deutlich mehr, dass sie "durchsetzungsstark" ist und "den Kurs der eigenen Partei bestimmt".