Mit brachialen Maßnahmen versucht der Herrscher in Dubai mögliche Aufstände zu unterdrücken. Doch in der Hochhaus-Metropole am Golf brodelt es. Wer sich nicht benimmt, geht in den Knast - und wird gefoltert. Aufstand in Dubai - nur eine Frage der Zeit?
Hochhäuser in Dubai: Schon Ruine oder noch im Bau?
von Michael Mross
„Großer Sandburgwettbewerb“ titelt „Gulf News“ auf Seite Eins dieser Tage – darunter ein riesiges Foto der besten Sandskulptur. Die Redakteure der größten Dubai-Postille beweisen jeden Tag ihr Gespür für Wichtiges. In Dubai ist die Welt eben noch in Ordnung – nur da draußen irgendwo, da brennt’s in der Wüste.
Libyen, Syrien, Oman, Saudi-Arabien – überall Probleme und Aufstand. Friedliches Strandleben dagegen in Dubai – das ist die Botschaft. Doch jeder weiß: auch in Dubai brodelt es.
Als 2008 bereits die Finanzkrise tobte, da ließ der Herrscher verlauten, dass es in der Welt zwar Probleme gebe, diese würden Dubai jedoch nicht berühren. „Der Hurrikan werde die Emirate verschonen.“ – Zwei Jahre später war Dubai pleite. Das Wahrzeichen der Stadt, der größte Betonklotz der Welt, musste umbenannt werden zugunsten des Helfers aus Abu Dhabi, Scheich Khalifa. Eine demütigendere Aktion ist wohl kaum denkbar.
Seitdem stehen viele Wolkenkratzer leer. Viele Projekte wurden gestoppt. Manche Hochhäuser ragen als angefangene Ruinen in den Wüstenhimmel. Investoren verloren Zig-Milliarden. Die Hauspreise sind im freien Fall. - Alles wurde selbstverständlich mit Krediten finanziert. Wie die Bankhäuser am Golf das überleben sollen, weiß wohl nur Allah allein. Die Unruhen im Mittleren Osten verschlimmern die Situation natürlich noch.
Doch auch heute heißt es wieder: der Aufstand in der arabischen Welt kann nicht auf Dubai übergreifen. Ob Allah das Emirat dieses Mal verschont, darf bezweifelt werden. Die Spannungen in der sengenden Beton-Metropole werden gleichwohl unter der Decke gehalten. Dubai hat schließlich nicht nur die größten Häuser der Welt, sondern auch die beste Überwachungsinfrastruktur, von denen nicht mal George Orwell träumte.
Wer in der Wüste zu schnell fährt, der wird von fast unsichtbaren Radaranlagen erfasst. Weit und breit kein Mensch, dafür eine Minute später das Knöllchen per SMS aufs Handy. Wunder der Überwachungstechnik. Alles ist gut vernetzt in Dubai. Wer nicht zahlt, der muss den Lappen abgeben oder wandert gleich in den Knast.
Unter diesen Umständen ist es schwierig, eine Revolution zu starten. Und dennoch kommt es immer wieder zu Aktionen, von denen man in der Zeitung natürlich nichts liest. So sollen angeblich indische Bauarbeiter gegen ihre Unterbringung protestiert haben. Sie verlangten Klimaanlagen für ihre Behausungen – angesichts von 50 Grad im Schatten eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Doch hier zeigte sich der Herrscher gütig: Das Problem wurde mit 10 Millionen Dollar behoben, die Sklaven vorerst ruhig gestellt.
Großzügig verfährt das Regime auch mit der Geheimpolizei. Im Scheichtum Katar wurden die Gehälter für die Spezialeinheiten verfünffacht. Da wollte man sich Dubai nicht lumpen lassen und hat das Salär für seine Wüsten-SS gleich verzwölffacht – so heißt es. Die Geheimpolizei ist schließlich ein Garant dafür, drohende Aufstände und „unsittliches Benehmen“ im Keim zu ersticken.
Die Überwacher kennen kein Pardon und greifen sofort hart durch. Manch einer bezahlt das auch schon mal mit dem Leben. Weil er sich in Dubais Nobelherberge „Burj Al Arab“ daneben benahm, wurde letzte Woche ein Brite von der Polizei in den Knast gesteckt. Am nächsten morgen war er tot.
Die Familie des Toten war entsetzt: Der Mann wies starke Kopfverletzungen auf und erstickte offenbar an Erbrochenem, weil er bewusstlos war. Auf die Frage, woher die Kopfverletzungen rührten, hieß es von offizieller Seite, er sei immer wieder mit dem Kopf gegen die Wand gerannt und hätte sich dabei schwer verletzt.
Augenzeugen sahen etwas anderes: Wie die "Daily Mail" unter Berufung auf verschiedene Quellen berichtet, wurde der Mann "heftig zusammengeschlagen", bis er bewusstlos liegenblieb. Dem Bericht zufolge hätten Wachmänner ihm Nahrung und Wasser verweigert und ihm nicht erlaubt, einen Anwalt zu sprechen.
Die britische Botschaft verlangt nun lückenlose Aufklärung in dem Fall. Doch das kann lange dauern. Für Dubai ist die Angelegenheit offenbar erledigt.
Aufstand in Dubai? „Derzeit noch nicht, aber vielleicht in 1-2 Jahren“ erklärt mir ein Einheimischer bei einem Hintergrundgespräch. Noch hätten Herrscher und Polizei die Lage fest im Griff, was aber nicht heißt, dass dies auch in Zukunft so bleibt. „In Dubai geht’s immer etwas später los. Doch wenn die Dominosteine im Mittleren Osten kippen, bleibt auch die Glittermetropole am Golf nicht verschont.“