Die Straße von Hormus trennt die Arabische Halbinsel vom Iran. Diese Meerenge ist von weltstrategischer Bedeutung für Öl und Gas. Doch die Spannungen zwischen Arabien und Iran eskalieren. Ein Besuch vor Ort.
Michael Mross: Sprung in die Straße von Hormus
von Michael Mross
Als der jetzige Herrscher des Oman König werden wollte, da stand sein Vater im Weg, denn dieser hielt das Zepter in der Hand. Also tötete er kurzerhand seinen Erzeuger und bestieg den Thron. – Die Gebräuche auf der Arabischen Halbinsel waren schon immer etwas barsch – andere Länder, andere Sitten.
Heute wackelt der Thron des Herrschers ebenfalls – nicht weil ein Nachfolger scharf auf den Posten ist, sondern weil das Volk aufbegehrt. Das verträumte Sultanat Oman am Persischen Golf, Wüstennachbar von Dubai, an der Spitze der Arabischen Halbinsel, an der Straße von Hormus – das Ölnadelöhr des Westens – wird von Unruhen erschüttert. Grund genug, vor Ort einmal nach dem Rechten zu sehen.
Die Einreise in den Oman auf dem Landweg ist keine einfache Sache. Fast zwei Stunden stehen wir an der Grenze. Kontrollen hin und her, Visum, Datenabgleich. Heutzutage werden die Eindringlinge genau untersucht. Früher sind wir dagegen einfach so über die Grenze gefahren. Der Zöllner schlief derweil im Häuschen. Heute aber ist alles anders. Nachdem wir die Einreiseformalitäten in brütender Hitze hinter uns gebracht haben, geht’s Richtung Straße von Hormus – quasi auf den Spuren Sindbad des Seefahrers.
An der letzten Ortschaft, da wo es nicht mehr auf dem Landweg weitergeht, mieten wir uns ein Dhow, ein altes arabisches Motorboot und tuckern gemächlich in Richtung Nordspitze der Arabischen Halbinsel.
Die Landschaft ist atemberaubend. Je weiter man nach Norden kommt, desto zerklüfteter wird die Berglandschaft. Kilometerlang schlängelt sich das Meer ins Landesinnere, umrahmt von bis zu 2000 m hohen, kargen Wüstenbergen. Hier ist der Oman wirklich noch verträumt. Ab und zu kleine versengte Fischerdörfer, welche man nur per Seeweg erreichen kann.
Es sieht alles friedlich aus. Und trotzdem brodelt es überall. Nicht nur innerhalb der Königreiche - Zwist herrscht am gesamten Golf. Die Drohungen aus Iran werden lauter.
Die GCC (der Golf-Kooperationsrat, umfasst die Staaten Saudi-Arabien, Kuwait, Katar, Bahrain, Oman und die Vereinigten Arabischen Emirate) wurde vom iranischen Armeesprecher Hassan Firouzabadi noch letzte Woche als „diktatorische Front“ bezeichnet. Aggressiv reagierte Teheran auch auf den Einsatz Saudi-Arabischer Truppen in Bahrain: „Die Golf-Diktatoren sollten keine untaugliche Kriegsfront gegen Iran aufbauen und ihre Bürger kriminell unterdrücken, sondern ihnen endlich die Freiheit geben, über sich selbst zu bestimmen“ – hieß es aus Teheran.
Der GCC wiederum bezichtigt den Iran der Zündelei und Aufstachelung. Bahrain hat nun zum Boykot iranischer Waren aufgerufen. Kuwait verurteilte zwei angebliche Spione des Iran zum Tode. Und die Spannungen zwischen Abu Dhabi und Teheran eskalieren, weil der Iran drei kleine Inselchen im Persischen Golf besetzt hat.
Der Iran gießt unterdessen weiter Öl ins Feuer indem er die gesamte Gegend am Persischen Golf kurzerhand zum eigenen Hoheitsgebiet erklärte: „Der Golf gehörte in der Vergangenheit uns, er gehört uns heute und er wird uns in Zukunft gehören“ – sagte Armeesprecher Firouzabadi in einer offiziellen Erklärung.
Da zittern die Golf-Herrscher. Tatsächlich ist es so, dass schon aus historischen Gründen die Spannungen zwischen Arabern und Iranern viel größer waren als die zwischen Israel und Iran. Ein Beobachter formulierte es so: Seit 50 Jahren streitet der Iran mit Israel, aber seit 1000 Jahren gab es immer wieder Krieg zwischen Iran und den Arabern. Schon allein das Wort „Araber“ gilt im Iran als Beleidigung. All dies ist der Grund, warum sich die Golfstaaten am meisten vor einer möglichen Atombombe des Irans fürchten.
Straße von Hormus, wichtigstes Ölnadelöhr der Welt (zum Vergrößernn Bild klicken)
Nun wäre ja das Säbelrasseln am Golf eine regionale Angelegenheit, wenn hier nicht die „Ölquellen des Westens“ und das wichtigste Rohstoff-Nadelöhr der Welt liegen würde: die Straße von Hormus. Diese passieren alle Golf Öl- und Gastanker, wenn sie ihre Energiefracht in die Welt transportieren.
Die Straße ist das wichtigste Nadelöhr für den Ölexport nach Japan, den USA und Westeuropa. Tanker mit 16,5–17 Mio Barrel Öl (25 % des Weltölverbrauchs) im Wert von 800 Mio. US-$ durchfahren sie täglich. Ist die Straße von Hormus blockiert, geht auf der Welt im wahrsten Sinne des Wortes das Licht aus. Doch schon mehrmals hatte der Iran bereits angedroht, im Kriegsfalle die Straße zu sperren – kaum schwierig, weil sie nur 60km breit ist.
Gemächlich tuckert unser Dhow über die tiefblauen Gewässer der Straße von Hormus. Ab und zu mal ein Sprung ins warme Nass. Eine fantastische Landschaft begleitet uns an die Spitze der arabischen Halbinsel. Kaum zu glauben, dass diese Gegend von so hoher strategischer Bedeutung ist. Friedlich vereint sich das tiefklare Blau des Persischen Golfs mit den Gewässern des Indischen Ozeans. Noch ist alles friedlich – wie lange noch?