Die Beruhigungstablette, wonach die Fed jederzeit mit dem Aufsetzen eines weiteren Quantitative Easing-Programms (QE 3) eine wirtschaftliche Abkühlung verhindern kann, ist im Markt weit verbreitet. Die historische Erfahrung zeigt jedoch, dass sie Rezessionen nicht verhindern kann.
von Robert Rethfeld
„Die USA haben das neue Paradigma eines ununterbrochenen Wachstums erreicht“. So oder so ähnlich lauteten die Schlussfolgerungen einiger Analysten im Sommer 1999.* „Der Zyklus ist verschwunden“, hieß es im Januar 1987 in der NY-Times.**
Offensichtlich sorgen längere Perioden unterunterbrochenen Wirtschaftswachstums für derartige (Fehl-) Einschätzungen. Zudem hatte die US-Fed im Herbst 1998 die Märkte mit einer für die damalige Zeit großen Liquiditätsspritze gerettet, sodass das Vertrauen in die US-Zentralbank hoch war. Im Frühjahr 2000 markierte der Aktienmarkt ein wichtiges Hoch. Es folgte eine Rezession. Aus dem Jahr 1987 ist der Herbst-Crash bei den Älteren noch in guter Erinnerung.
Niemand kontrolliert den Wirtschaftszyklus, erst recht nicht die Zentralbanken. Seit 1854 (Beginn der US-Rezessionsstatistik) blieb nicht eine Dekade rezessionsfrei. Seit dem Ende des zweiten Weltkriegs fanden 11 US-Rezessionen statt. 11 Rezessionen in 60 Jahren bedeuten etwa alle 5,5 Jahre eine Rezession (oder zwei Rezessionen pro Dekade).
Wie die Statistik des NBER (National Bureau of Economic Research der USA) weiter zeigt, verteilen sich die Rezessionen ungleich. In den 1990er Jahren kam es lediglich zu einer Rezession. Die vergangene Dekade lag mit zwei Rezessionen im Durchschnitt. Angesichts der keineswegs gelösten Krisensituationen in den Industrieländern (Staatsverschuldung, teilweise hohe Arbeitslosenquoten, Abhängigkeit vom Export) wäre es verwunderlich, wenn die laufende Dekade nicht von zwei Rezessionen getroffen werden würde.
Ein Blick auf das US-Verbrauchervertrauen (Bloomberg-Consumer-Comfort-Index) zeigt, dass der statistisch erfasste Übergang von der Rezession zum Wirtschaftsaufschwung im Sommer 2009 gefühlt schlichtweg nicht stattgefunden hat.
Einer Arbeitslosenquote von 9,1% plus Tankstellenpreise nahe 4 US-Dollar pro Gallone lassen auch kein anderes Verhalten erwarten.
An den Anleihenmärkten setzt sich die Einpreisung eines konjunkturellen Abwärtstrends fort. Wie sonst ist es zu erklären, dass die Rendite 10jähriger US-Anleihen in der vergangenen Woche unter drei Prozent gefallen ist? Gleichzeitig befindet sich die US-Inflationsrate im Aufwärtstrend. Für den Juni erscheint eine offizielle US-Inflationsrate von 3,3 Prozent realistisch. Ist die Inflationsrate höher als die Anleihenrendite, spricht man von einem negativen Realzins. Wie der folgende Chart zeigt, ist ein negativer Realzins ein guter voraus laufender Indikator für das US-Wirtschaftswachstum.
Nach diesem Chart befindet sich die US-Wirtschaft auf dem Weg in eine Abkühlungsphase. Unterstützung erhält dieses Szenario durch die Ratio der zyklischen zu den nicht-zyklischen Indikatoren. Dies markierte ihr Hoch bereits im Februar und zeigte somit eine negative Divergenz zum S&P 500.
An nicht-zylischen Konsumgütern (u.a. Nahrungsmittel, Getränke) kann in Abschwüngen naturgemäß weniger gespart werden als an zyklischen Konsumgütern (u.a. Autos, Häuser, Haushaltsgegenstände). Deshalb ist der obige Chart ein wichtiger Fingerzeig im Hinblick auf eine bereits begonnene Abschwungphase.
Fazit: Das Verbrauchervertrauen bleibt auf niedrigem Niveau, die Anleihenmärkte preisen eine wirtschaftliche Abkühlung ein, die Ratio der zyklischen zu nicht-zyklischen Konsumgütern bestätigen diese Einschätzung. Die Beruhigungstablette, wonach die Fed jederzeit mit dem Aufsetzen eines weiteren Quantitative Easing-Programms (QE 3) eine wirtschaftliche Abkühlung verhindern kann, ist im Markt weit verbreitet. Die historische Erfahrung zeigt jedoch, dass sie Rezessionen nicht verhindern kann. Der Wirtschaftszyklus lebt, und er verfügt über eine eigene Dynamik.
Die praktische Schlussfolgerung lautet: Das Jahr 2012 erscheint stark rezessionsgefährdet.