Rogoff:
Die Behörden haben nicht versucht, die Blasen zu bekämpfen, sondern sie gestützt. Die Steuernachlässe sind ein Versuch, den Konsum hochzuhalten. Die Rettungsaktionen für die Immobilienfinanzierer Fannie und Freddie und die Investmentbank Bear Stearns sollen den Immobilienmarkt am Leben halten. Aber der Konsum wird sich irgendwann abschwächen, und die Hauspreise werden weiter fallen. Die Politik hat nur erreicht, dass der Zug in Zeitlupe entgleist. Der Unfall wird nicht vermieden werden, und die gesamte Wirtschaft wird den Preis dafür zahlen.
Heißt das, weitere Banken wie zuletzt Indymac in Kalifornien werden Pleite gehen?
Rogoff:
Regionalbanken wird es gleich dutzendweise erwischen, bevor das hier zu Ende ist. Auch ein paar durchaus große Banken werden wohl übernommen werden oder gar Pleite gehen. Die Finanzbranche muss schrumpfen, weil ganze Geschäftsfelder weggebrochen sind und nicht wiederkehren werden. In der Luftfahrtbranche gehen in so einem Fall Fluggesellschaften Pleite oder werden von Konkurrenten geschluckt. Doch die Federal Reserve scheint das Bild vor Augen zu haben, dass sie es bewerkstelligen kann, alle Institute um 15 Prozent schrumpfen zu lassen. Doch das funktioniert in einem kapitalistischen System nicht.
Die Inflation steigt derzeit kräftig an. Wird die Fed bald mit Zinserhöhungen dagegen angehen?
Rogoff:
Die Fed hat sich ein tiefes Loch gegraben, weil sie so viele Blankoschecks ausgegeben hat, um die Finanzkrise zu mildern. Ich erwarte, dass sie verbal weiterhin sehr hart gegen die Inflation vorgehen wird, aber sonst wenig tun wird. Denn sie ist der Finanzbranche ausgeliefert und hat einige Risiken in die eigenen Bücher genommen. Selbst wenn die Inflation für ein paar Jahre auf fünf oder sechs Prozent steigt, wird die Zentralbank dies gegenüber einer tieferen Finanzkrise vorziehen.
Also droht Stagflation, eine Kombination aus schwachem Wachstum und hoher Inflation?
Rogoff:
Die Fed steckt in einer Zwickmühle. Inflation ist das langfristige Problem, die Wirtschaftsverfassung das kurzfristige. Wahrscheinlich müsste sie strenger gegen Inflation vorgehen, als sie es tatsächlich tun wird. Denn die Versuchung ist gewaltig, in die andere Richtung zu schauen, während die Inflation steigt. Denn wenn die Inflation steigt, bleiben die Hauspreise real betrachtet wohl eher konstant. Das wirkt psychologisch und hilft zu verhindern, dass der Markt in eine Schockstarre verfällt. Außerdem wird der Druck im Prä-sidentschaftswahlkampf immens sein, keine aggressiven Erhöhungen vorzunehmen.
Stecken die USA denn bereits in einer Rezession?
Rogoff:
Es ist Haarspalterei, ob es bereits eine Rezession ist oder nicht. Das Eingreifen der Regierung hat den Absturz verlangsamt, aber dafür den Abschwung in die Länge gezogen. Vor Ende 2009 wird sich die Lage nicht wirklich bessern, und bis dahin wird es sich auf jeden Fall wie eine Rezession angefühlt haben. Das wird sich in den Arbeitsmarktzahlen, an den Aktienmärkten und den Wachstumszahlen niederschlagen.
Manche Beobachter befürchten für die USA ein "verlorenes Jahrzehnt", wie es Japan erlebt hat.
Rogoff:
Die Gefahr besteht durchaus, falls die Reaktion der Politik in die falsche Richtung geht. Und das könnte durchaus geschehen, wenn man sich vor allem die von den Demokraten im Vorwahlkampf vertretenen Positionen ansieht. Demokratische Kandidaten für Senat und Repräsentantenhaus haben sich etwa für stärkere Gewerkschaften ausgesprochen, wollen Handelsrestriktionen verschärfen und Steuern deutlich erhöhen. Selbst wenn der republikanische Kandidat John McCain gewinnt, erwarte ich große Steuererhöhungen. Dadurch könnte es ein Jahrzehnt geben, in dem der Produktivitätszuwachs wesentlich geringer ist als er es in den vergangenen 15 Jahren war.