Krawalle in Athen. Ministerpräsident Papandreou bietet Rücktritt als griechischer Regierungschef an. "Kalter Krieg" zwischen Bundesregierung und Europäischer Zentralbank (EZB). Der Countdown für Griechenland läuft unerbittlich.
Der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou ist offenbar unter Umständen bereit, auf sein Amt zu verzichten. Der Regierungschef habe laut Medienberichten, die sich auf griechische Regierungskreise berufen, in Gesprächen mit den Vorsitzenden der anderen Parlamentsparteien die Bildung einer "Regierung der nationalen Rettung" vorgeschlagen.
Falls es zur Bildung einer solchen Einheitsregierung komme, würde Papandreou möglicherweise auf das Amt des Regierungschefs verzichten, hieß es weiter. Der Ministerpräsident wolle sich am Mittwochabend in einer Fernsehansprache äußern. In Griechenland protestieren unterdessen Tausende gegen das geplante neue Sparpaket des Ministerpräsidenten.
Durch den zum Generalstreik ausgerufenen Protest fallen im ganzen Land Züge und Fähren aus, während Ministerien, staatliche Unternehmen und viele Banken geschlossen bleiben.
Die Protestierenden, die Zufahrtsstraßen zum Athener Parlament blockieren, bezeichnen die Politiker des Landes als "Diebe und Verräter". Ihretwegen stünde das Land am finanziellen Abgrund.
Andauern sollen die Demonstrationen bis zum 30. Juni, dem Tag der Parlamentsabstimmung über das Sparprogramm. Dieses sieht zusätzliche Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen vor, womit der Staatsetat um 6,5 Milliarden Euro entlastet werden soll. Ziel sei, die Auszahlung der nächsten Kredittranche aus dem Hilfspaket von Europäischer Union, Internationalem Währungsfonds und der Europäischen Zentralbank zu sichern.
Dutzende vermummte Autonome und Rechtsextremisten haben sich am Mittwoch Schlägereien im Zentrum Athens vor dem Parlament geliefert. Die beiden Gruppen gingen mit Latten und Schlagstöcken aufeinander los. Zuvor hatten linksextreme Autonome die Polizei angegriffen, berichtete das Fernsehen. Die Beamten setzten Tränengas ein, um die Randalierer auseinanderzutreiben.
Die Ausschreitungen fanden am Rande der Massenproteste gegen das Sparprogramm der griechischen Regierung statt. Auf dem zentralen Syntagma-Platz standen mehrere Mülleimer in Brand, Tische und Stühle umliegender Cafés lagen auf der Straße.
Der Countdown für Griechenland läuft unerbittlich: Ohne Hilfspaket der Euro-Länder ist Griechenland Anfang Juli pleite. Doch während sich die Krise zuspitzt, verhakt Europa sich in einem bizarren Streit - ausgelöst von deutschen Maximalforderungen. Es geht um die Details einer neuen Notfallhilfe von bis zu 120 Milliarden Euro für Athen und die Beteiligung von Banken und Versicherungen an den Kosten. Ein neues Notpaket ist Voraussetzung dafür, dass die nächste Tranche an Hilfskrediten Ende Juni an Athen ausgezahlt wird.
Beim Krisentreffen der Euro-Finanzminister am Dienstagabend in Brüssel sorgte Deutschland für Ärger. "Im Saal hat es mächtig gekracht", berichtete ein EU-Diplomat. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Notenbank-Präsident Jean-Claude Trichet blieben in der Frage unversöhnlich. Medien sprechen bereits von einem "Kalten Krieg" ("Spiegel") zwischen Bundesregierung und Europäischer Zentralbank (EZB). So angespannt war die Stimmung, dass sich die Minister noch nicht einmal auf eine Erklärung zur Solidarität mit Athen einigen konnten - ein ungewöhnlicher Vorgang.
FDP-Generalsekretär Christian Lindner hat die Forderung des SPD-Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel für einen harten Schuldenschnitt im Falle Griechenlands scharf kritisiert. "Die Vorschläge von Gabriel sind brandgefährlich", sagte Lindner am Mittwoch zu SPIEGEL ONLINE.
Einerseits rede Gabriel mit seiner Forderung nach einem harten Schuldenschnitt eine für Steuerzahler, Arbeitsplätze, Sparguthaben und Lebensversicherungen unvorhersehbare Lage herbei. "Andererseits will er auch noch die Vergemeinschaftung der Schulden in Europa durch Euro-Bonds. Dadurch würde den Regierungen in Athen und anderswo der Reformdruck genommen. Bei der SPD passt nichts zusammen", sagte Lindner.
Der FDP-Politiker verteidigte den Kurs der Bundesregierung. "Die Kombination aus einem verbindlichen Defizitsenkungsprogramm in Griechenland und dem eingeforderten Entgegenkommen der privaten Gläubiger hat weniger Risiken und mehr Chancen für Deutschland als Gabriels Harakiri", sagte Lindner.
Gabriel hatte am Mittwoch die Vorschläge der Bundesregierung zur Lösung der Griechenland-Krise für unzureichend erklärt. Wenn man Akzeptanz schaffen wolle, müsse man einen harten Schuldenschnitt machen, bei dem die Gläubiger auf einen beträchtlichen Teil ihrer Forderungen verzichteten. Parallel dazu müsse ein nicht unerheblicher Teil der Kredite in sogenannte Euro-Bonds, für die die Euro-Staaten gemeinsam bürgen würden, umgewandelt werden, so der SPD-Politiker in der "Zeit".