Neue dubiose Vertriebspraktiken bei der Hamburg-Mannheimer. Versicherungsvertreter erschleichen sich Zutritt zu Wohnungen als Repräsentanten eines Familienverbandes. In einem Empfehlungsschreiben des Verbandes, das rät der DFV den Familien ausdrücklich zu einem Beratungsgespräch mit einem Hamburg-Mannheimer-Vertreter.
Beim Versicherungskonzern Ergo kommen neue seltsame Vertriebspraktiken ans Licht. Vertreter der Tochter Hamburg-Mannheimer geben sich nach Informationen der Tageszeitung „Die Welt“ (Montagsausgabe) seit Jahren als Entsandte des traditionsreichen Deutschen Familienverbandes (DFV) aus, wenn sie unangemeldet an Haustüren klingeln. Unter dem Vorwand einer Umfrage für den Verband wollen sie letztlich einen Termin für eine Versicherungsberatung vereinbaren.
Diese Praxis sei „ein üblicher Teil der Schulung neuer Vertreter, zumindest in der Region, in der ich tätig war“, berichtet eine frühere Ergo-Vertreterin, deren eidesstattliche Versicherung der „Welt“ vorliegt. Ein weiterer Vertreter bestätigt diese Angaben ebenfalls eidesstattlich. In einem Empfehlungsschreiben des Verbandes, das der „Welt“ ebenfalls vorliegt, rät der DFV den Familien ausdrücklich zu einem Beratungsgespräch mit einem Hamburg-Mannheimer-Vertreter.
Die Ergo und der 1922 gegründete Familienverband, der regelmäßig Stellungnahmen zu Gesetzgebungsvorhaben der Bundesregierung abgibt, bestätigen grundsätzlich die Zusammenarbeit. „Seit mehr als 30 Jahren besteht eine Kooperation mit der Hamburg-Mannheimer“, sagt DFV-Bundesgeschäftsführer Siegfried Stresing. Er begründet dies damit, dass immer wieder Familien beim Verband nachfragen, wie sie fürs Alter vorsorgen können. „Eine derart umfassende und individuelle Beratung können wir als Verband keinesfalls leisten“, so Stresing. Man weise im Empfehlungsschreiben aber auf die Interessen der Hamburg-Mannheimer als Wirtschaftsunternehmen hin.
Außerdem will Stresing die Tarnung solcher Besuche als Umfragen des DFV nicht gutgeheißen haben. „Es werden keine Umfragen oder ähnliches in unserem Auftrag durchgeführt. Ebenso wenig werden Vertreter des DFV eingesetzt.“ Allerdings wird dies in der Praxis von den Versicherungsverkäufern offenbar weniger eindeutig formuliert: Die vermeintlich klare Trennung zwischen dem Verband und den Ergo-Vertretern kommt bei den an der Haustür überraschten Kunden regelmäßig nicht an. Stresing bekommt nach eigenen Angaben „zwei- bis dreimal im Monat“ Beschwerden wegen der Umfragen.
Die Ergo beteuert in einer Stellungnahme jedoch ein sauberes Vorgehen: „Unsere Außendienstpartner kontaktieren persönlich Privathaushalte mit einer Meinungsumfrage zu allgemeinen Fragen rund um das Thema Versicherung. In der Ansprache erklärt der Außendienstpartner, auf Empfehlung des DFV zu kommen und nutzt in diesem Zusammenhang ein Empfehlungsschreiben des DFV.“
In dem Fragebogen zur vermeintlichen Meinungsumfrage, der dieser Zeitung in einer beispielhaften Fassung vorliegt, geht es ausschließlich um Versicherungsfragen, die vor allem den Vorsorgebedarf des möglichen Kunden ausloten. Außerdem werden natürlich Kontaktdaten abgefragt – wenn der Kunde per Unterschrift erlaubt, ihm per Telefon weitere Angebote zu machen, hätten die Vertreter in den vergangenen Jahren phasenweise eine Extra-Vergütung bekommen, berichtet ein Vertriebler, der selbst solche Umfragen gemacht hat.