Wulff beklagt Entmachtung der Parlamente. Bundespräsident nannte als Beispiele für die Entmachtung des Parlaments die Euro-Krise und den Atomausstieg: „Sowohl beim Euro als auch bei Fragen der Energiewende wird das Parlament nicht als Herz der Demokratie gestärkt und empfunden.
Die deutsche Politik leidet nach Ansicht von Bundespräsident Christian Wulff unter einem Bedeutungsverlust der Parlamente. In seinem ersten Bilanzinterview ein Jahr nach seiner Amtsübernahme kritisierte Wulff in der ZEIT, dass „heute zu viel in kleinen 'Entscheider'-Runden vorgegeben wird, was dann von den Parlamenten abgesegnet werden soll. Darin sehe ich eine Aushöhlung des Parlamentarismus. Damit schwindet die Grundlage für Vertrauen, fehlt die Transparenz und Teilhabe für Bürger und Parlamentarier.“
Nach Überzeugung von Wulff hat sich die Politikerverdrossenheit ausgeweitet: „Nicht mehr nur von Bürgern gegenüber Politikern. Inzwischen sind Politikerinnen und Politiker häufig verdrossen, verdrossen über ihre eigene Tätigkeit und ihre Rolle, die ihnen noch zukommt, verdrossen über ihren schwindenden Einfluss.“ Der Präsident forderte, dass „Parlamente stärker an Entscheidungen teilhaben müssen“.
Wulff nannte als Beispiele für die Entmachtung des Parlaments die Euro-Krise und den Atomausstieg: „Sowohl beim Euro als auch bei Fragen der Energiewende wird das Parlament nicht als Herz der Demokratie gestärkt und empfunden. Dort finden die großen Debatten nicht mit ergebnisoffenem Ausgang statt, sondern es wird unter einigen wenigen etwas vereinbart und durch Kommissionen neben dem Parlament vorentschieden.“
Der Bundespräsident wies den Einwand zurück, wonach Beratungen im Parlament in Krisensituationen zu lange dauern könnten: „Der Bundestag und der Bundesrat haben in der Finanzkrise bewiesen, schnell handlungsfähig zu sein.“ Zur Demokratie gehöre aber grundsätzlich, „dass man sich Zeit nimmt“. Die Schnelligkeit, mit der Politik „bei einigen herausragenden Entscheidungen verläuft, ist beunruhigend“. Sie führe zu Frust bei Politikern und Bürgern und „einer vermeidbaren Missachtung der Institutionen parlamentarischer Demokratie“.
Der Ausstieg aus der Atomenergie in Deutschland hätte nach Ansicht von Bundespräsident Christian Wulff von den Regierungsparteien auf Parteitagen beschlossen werden sollen. Er „empfinde es als positiv, dass die Grünen einen Parteitag zur Energiewende abgehalten und dort um Positionen gerungen“ haben. „Es hätte auch denen gut angestanden, zu einer solchen fundamentalen Richtungsveränderung der deutschen Politik einen Parteitag einzuberufen, die diese Veränderung jetzt vollziehen und noch vor Monaten eine andere Entscheidung – auf einem Parteitag – getroffen haben.“
Wulff sagte, gut begründet dürfe „jeder seine Meinung ändern, aber die Herbeiführung der Entscheidung und die Erklärung der Gründe erfordern eine besondere Kraftanstrengung“. Er fügte hinzu, am Ende brauche „jeder auch seine Unterstützer, gerade auch bei der Umsetzung“. Wulff forderte die Politiker auf, den Bürgern ihr Tun besser zu erklären: „Die Politik hat heute kommunikative Mängel. Sie erklärt nicht mehr ausreichend das, was getan werden muss, sie priorisiert nicht mehr (...) und sie überfordert uns durch ihr rasantes Tempo.“