Der deutsche Arbeitsmarkt nähert sich weiter mit großen Schritten der Vollbeschäftigung. Die Arbeitslosenquote ist mit 7,0% so niedrig wie nie zuvor seit der Wiedervereinigung. Der in einigen Branchen bereits jetzt bestehende Fachkräftemangel wird sich aufgrund der ungünstigen demographischen Entwicklung weiter verschärfen.
von Thilo Heidrich, Postbank Research
Die saisonbereinigte Zahl der Arbeitslosen in Deutschland ist im Juni um 8 Tsd. gegenüber dem Vormonat gesunken. Damit ist sie seit exakt 2 Jahren ohne Unterbrechung rückläufig. Allerdings blieb das Ausmaß der Verbesserung etwas hinter den Erwartungen zurück. Wir hatten mit -20 Tsd. gerechnet, der Markt war von -17 Tsd. ausgegangen.
Parallel zum Rückgang der Arbeitslosigkeit stiegen die Erwerbstätigkeit und die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten. Die um einen Monat verzögerte Zahl der Erwerbstätigen kletterte im Mai um 34 Tsd. auf 40,93 Mio. Damit setzte sich der seit Anfang 2010 währende steile Aufwärtstrend ungebremst fort. Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Erwerbstätigkeit um fast eine halbe Million. Die um zwei Monate verzögerte Veröffentlichung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten stieg im April um 47 Tsd., womit sich auch hier der positive Trend weiter fortsetzte.
Die steigende Nachfrage nach Arbeitskräften spricht außerdem dafür, dass ein Ende der Erholung noch nicht in Sicht ist. Die Zahl der offenen Stellen stieg um 2 Tsd. auf 462 Tsd. im Juni. Mittlerweile hat sie ein Niveau erreicht, welches zuletzt vor zehn Jahren verzeichnet wurde. Allerdings schwächten sich die Anstiege in den vergangenen Monaten etwas ab, was für eine verringerte Dynamik beim Stellenaufbau in nächster Zeit hindeuten könnte.
Der deutsche Arbeitsmarkt nähert sich also weiter mit großen Schritten der Vollbeschäftigung. Die Arbeitslosenquote ist mit 7,0% so niedrig wie nie zuvor seit der Wiedervereinigung. Der in einigen Branchen bereits jetzt bestehende Fachkräftemangel wird sich aufgrund der ungünstigen demographischen Entwicklung weiter verschärfen. Daher dürften die derzeit bereits geführten Diskussionen beispielsweise um die Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte oder die Vereinbarkeit von Beruf und Familie in den kommenden Monaten und Jahren an Brisanz gewinnen.
Insofern ist die aktuelle Entwicklung des Arbeitsmarktes ein zweischneidiges Schwert. Einerseits ist sie ein Beleg für den Aufschwung in Deutschland und verbessert zudem die Staatsfinanzen. Sollte die Verbesserung jedoch in einer Überhitzung des Arbeitsmarktes münden, weil notwendige strukturelle Reformen nicht oder nicht rechtzeitig eingeleitet werden, könnten sich mittel- und langfristig erhebliche negative Effekte für die deutsche Wirtschaft ergeben.