Jean-Claude Juncker: Souveränität Griechenlands wird massiv eingeschränkt. „Sie brauchen für die anstehende Privatisierungswelle zum Beispiel eine Lösung nach dem Vorbild der deutschen Treuhandanstalt.“ Auch das griechische Steuererhebungssystem funktioniere „nicht in vollem Umfang“. – Irland und Portugal auf dem Weg zurück in die Kapitalmärkte.
Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker hat den Griechen einen teilweisen Verlust ihrer Souveränität durch die europäischen Hilfsmaßnahmen für ihr pleitegefährdetes Land angekündigt. „Die Souveränität der Griechen wird massiv eingeschränkt“, sagte der luxemburgische Ministerpräsident in einem Interview des Nachrichtenmagazins FOCUS. „Sie brauchen für die anstehende Privatisierungswelle zum Beispiel eine Lösung nach dem Vorbild der deutschen Treuhandanstalt.“ Auch das griechische Steuererhebungssystem funktioniere „nicht in vollem Umfang“. Juncker fügte hinzu: „Man darf die Griechen nicht beleidigen. Aber man muss ihnen helfen. Sie haben sich bereit erklärt, eine Expertise-Zufuhr aus der Euro-Zone anzunehmen.“ Alle Regionen der Euro-Zone würden Fachleute entsenden.
Juncker gab zu bedenken, dass Griechenland vom Euro jahrelang stark profitiert habe. „Es hat durch eigenes Verschulden einige Dinge ins Rutschen gebracht. Und wenn man die jetzt wieder mit vereinten Kräften in Ordnung bringt, müssen die Griechen auch verstehen, dass eine kollektive Antwort nötig ist.“
Juncker zeigte sich überzeugt davon, dass das neue Hilfsangebot Erfolg haben werde: „Das jetzige Maßnahmen-Paket, mit dem Athen sich einverstanden erklärt hat, wird die Lösung der Griechenland-Frage bringen.“ Das Land brauche einen Konjunkturimpuls, sein Wachstumspotenzial müsse entwickelt werden. „Dazu müssen Unternehmen aus anderen Teilen der Euro-Zone beitragen und sich dort engagieren“, verlangte er. „Und die EU muss vorübergehend auf ihre Kofinanzierungsregel verzichten, Griechenland also Mittel für die wirtschaftliche Entwicklung geben, ohne einen Eigenbeitrag Athens zu erwarten.“
Er als Eurogruppen-Chef fordere von den Griechen „maximale Solidität“ ein und von den Europäern „maximale Solidarität“, sagte Juncker FOCUS. Die griechische Krise sei „zum größten Teil selbst gemacht. Zwischen 1999 und 2010 sind die Löhne um 106,6 Prozent gestiegen, obwohl die Wirtschaft nicht in gleichem Maße wuchs. Die Lohnpolitik ist völlig aus dem Ruder gelaufen und ließ die Produktivität außer acht.“
Juncker sieht die beiden anderen Hilfeempfänger Irland und Portugal nach seinen eigenen Worten „auf dem Weg zurück in die Kapitalmärkte“. Für Spanien, Italien und Belgien sehe er „keine Gefahr“.
Eichel: Europa hätte Griechenland „hart in die Parade fahren müssen“
München. Ex-Finanzminister Hans Eichel hat eingeräumt, dass Europa stärker auf die griechische Stabilitätspolitik hätte achten müssen. „Wir hätten allerdings damals der neuen griechischen Regierung bei ihrer zügellosen Ausgabenpolitik hart in die Parade fahren müssen“, sagte der SPD-Politiker im Interview des Nachrichtenmagazins FOCUS. „Wir, das heißt: EZB, EU-Kommission und die Finanzminister der Euro-Gruppe.“
Eichel rechtfertigte seine Zustimmung zur Aufnahme Griechenlands in die Euro-Zone: „Ich habe für die Aufnahme Griechenlands gestimmt, weil die Europäische Zentralbank (EZB) und die EU-Kommission in ihren Konvergenzberichten für die Aufnahme Griechenlands in die Währungsunion eingetreten waren.“ Alle Finanzminister, Staats- und Regierungschefs seien dem gefolgt.
Der Sozialdemokrat wies Äußerungen seines Vor-Vorgängers Theo Waigel (CSU) zurück. Dieser hatte FOCUS Online gesagt: „Ich hätte Griechenland nicht aufgenommen.“ Eichel dazu: „Deutschland hat für die Aufnahme Italiens in den Euro-Raum gestimmt, als Theo Waigel Finanzminister war, obwohl Rom das Maastricht-Kriterium der Staatsverschuldung krass verfehlte.“