In der Siemens-Affäre ist ein Schriftstück aufgetaucht, das den Verdacht nahelegt, dass der Technologiekonzern im Zusammenhang mit einem Milliarden-Deal Ende der Neunziger hochrangige Politiker in Argentinien bestochen haben könnte – unter anderem den früheren Staatschef Carlos Menem.
Dessen Regierung hatte 1998 mit Siemens einen Vertrag über den Aufbau eines elektronischen Passsystems unterzeichnet. Fernando de la Rúa, der im Dezember 1999 Menem ablöste, kündigte dann 2001 den Vertrag überraschend. Schon bald kursierten Gerüchte über Schmiergeldzahlungen an die Menem-Administration.
Eine handschriftliche Gesprächsnotiz über ein Treffen Ende Dezember 2000 zwischen Siemens-Mitarbeitern und Beratern in Buenos Aires erhärtet nun diesen Verdacht. Demnach seien im Zusammenhang mit Zahlungen „folgende Endabnehmer identifiziert worden“. So sollen jeweils 9,75 Millionen Dollar an einen „CC“ aus dem „Innenministerium“ sowiean „HF“ gegangen sein, „CM“ habe 16 Millionen Dollar bekommen.
Interne Ermittlerbei Siemens spekulieren nun, hinter den Kürzeln könnten sich der frühere Innen-minister Carlos Corach, sein Staatssekretär Hugo Franco und eben Ex-Staatschef Carlos Menem verbergen. Weitere 7,5 Millionen sollen der Notiz („Confidential“) zufolge, die auch der Staatsanwaltschaft vorliegt, an einen gewissen „CS“ geflossensein. Hinter dem Kürzel könnte sich Carlos S. verbergen, der lange Zeit bei Siemens Argentinien im Verwaltungsrat saß und über beste Verbindungen sowohl zu Menemals auch ins Innenministerium verfügt haben soll.
Keiner der möglichen Geldempfänger war vergangene Woche für eine Stellungnahme zu erreichen. Die Siemens-Ermittler untersuchen auch, warum Konzern verantwortliche im Januar 2001 einen Millionen-Beratervertrag mit einer Schweizer Firma von Carlos S. abschlossen, als Menem längst nicht mehr im Amt war.
So gibt es Gerüchte, dass möglicherweise auch Mitglieder der Regierung de la Rúa über diese Schweizer Firma Gelder erhielten, um das ins Stocken geratene Projekt fortzuführen. Der damals für Südamerika zuständige Siemens-Vorstand Uriel Sharef soll sich Ende 2000 mit de la Rúagetroffen – und dabei die Zusage erhalten haben, dass man an dem Geschäft festhalten wolle, heißt es bei den Fahndern.
Doch dann muss etwas dazwischengekommen sein. Im Mai 2001 stoppte Argentinien den Milliarden-Deal endgültig. Carlos S. verklagte Siemens daraufhin vor einem Zürcher Schiedsgericht und erhielt schließlich 4,7 Millionen Dollar Schadensersatz von Siemens.