Zwangsvollstreckungs-Sight-Seeing-Tour: Wie auf einer Kaffeefahrt werden Kaufwillige durch amerikanische Vorstädte gefahren. Das Interesse hält sich in Grenzen.
Der Bus hält immer dort an, wo der Rasen vor dem Haus gelb ist. Denn ein ausgedörrter Rasen ist in der kalifornischen Stadt Stockton ein untrügliches Zeichen dafür, dass ein Haus in die Zwangsvollstreckung geraten ist.
Stockton liegt gut eineinhalb Autostunden östlich von San Francisco, knapp 300.000 Menschen leben in der Stadt.
Stockton mit voller Wucht getroffen
Als im vergangenen Jahr das „Subprime“-Segment zusammenbrach und damit die Krise im amerikanischen Immobilienmarkt lostrat, wurde Stockton mit voller Wucht getroffen. Die Lage ist bis heute niederschmetternd: Im zweiten Quartal dieses Jahres ereilte nach Erhebungen des Immobilienberaters Realtytrac eines von 25 Häusern in Stockton die Zwangsvollstreckung. Damit ist Stockton trauriger Spitzenreiter in den Vereinigten Staaten. Hinter Stockton folgen die Städte Riverside und San Bernardino in der Nähe von Los Angeles (eines von 32) und die Spielermetropole Las Vegas (eines von 35). Der landesweite Durchschnitt liegt bei einem von 171 Häusern.
Die Krise hat das Geschäft von Immobilienmaklern in Stockton wie Cesar Dias völlig zum Erliegen gebracht. Der Markt wurde mit zwangsgeräumten Häusern überschwemmt, für die sich kaum Abnehmer fanden: „Ich habe auf einmal kein einziges Haus mehr verkauft“, sagt Dias. 90 Prozent aller Makler in Stockton hätten nach Ausbrechen der Krise ihren Beruf an den Nagel gehängt. Also stand der 43 Jahre alte Dias vor der Wahl: Er konnte sein Immobilienbüro mit dem Namen „Approved“, in dem zwölf Makler arbeiten, dichtmachen – oder sich schleunigst eine Überlebensstrategie einfallen lassen. Dias dachte sich, bei diesem desolaten Markt hilft nur noch Masse. Soll heißen: Häuser möglichst vielen potentiellen Käufern auf einmal zeigen, damit am Ende zumindest ein paar Transaktionen herausspringen. So entstand die Idee für eine Bustour. Dias steckte 15000 Dollar in einen gebrauchten Bus, und seither karrt er jeden Samstag eine Gruppe von Menschen durch Stockton und zeigt innerhalb von ein paar Stunden ein knappes Dutzend Häuser in Zwangsvollstreckung. „Im Prinzip funktioniert das genauso wie die Touren in Hollywood zu den Häusern der Stars“, sagt Dias. Freilich mit dem Unterschied, dass die Teilnehmer an der Rundfahrt in Stockton sich die Häuser auch von innen ansehen dürfen.
Die Bustouren zu zwangsgeräumten Häusern waren ein derartiger Volltreffer, dass er anfing, aus dem Konzept selbst Kapital zu schlagen. Er fand Partner in anderen Städten und half ihnen gegen eine Beratungsgebühr von 5000 Dollar, ihre eigenen Touren auf die Beine zu stellen. Wer 20.000 Dollar zahlte, bekam auch gleich den Bus mit dazu. Heute gibt es die Touren in mehr als fünfzehn amerikanischen Städten, die meisten davon in Kalifornien, aber auch Dallas (Texas) und Orlando (Florida) sind dabei.