Verfassungsrichter fordert bundesweite Volksentscheide. Peter Huber: „Selbstbestimmung wird als Störung empfunden“. Da der Parteienstaat „bekanntlich zu Abschottungstendenzen neigt“, müsse über Korrekturen der repräsentativen Demokratie nachgedacht werden.
Bundesverfassungsrichter Peter M. Huber, Nachfolger von Udo Di Fabio auf dem Gebiet des Europa- und Völkerrechts, spricht sich für Volksentscheide im Bund aus, um der „großen Frustration“ über das politische System zu begegnen. Im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (F.A.Z. / Dienstagsausgabe) wies er auf das „obrigkeitsstaatliche Erbe“ der deutschen Rechtsordnung hin. „Selbstbestimmung wird als Störung empfunden“, sagte Huber der F.A.Z.
Da der Parteienstaat „bekanntlich zu Abschottungstendenzen neigt“, müsse über Korrekturen der repräsentativen Demokratie nachgedacht werden. „Allein die Möglichkeit von Volksentscheiden führt zu einer Veränderung des Bewusstseins der Akteure der repräsentativen Demokratie. Sie verhandeln besser, sie erklären besser, sie agieren transparenter.“ Huber fügte hinzu: „Natürlich funktioniert das nur, wenn die „Keule“ ab und zu auch herausgeholt wird.“
„Ich habe, nicht zuletzt als Thüringer Innenminister, viele Bürger getroffen, bei denen sich eine unglaubliche Wut angestaut hat, und frage mich, woher das kommt“, sagte Huber der F:A.Z. Angesichts der Proteste gegen „Stuttgart 21“ sprach sich der Staatsrechtslehrer für eine Reform des Planungsrechts aus: Das sei zur Zeit darauf ausgerichtet, Großvorhaben durchzusetzen. „Als Betroffener können Sie deshalb zwar einen Lärmschutzwall erstreiten oder ein Nachtflugverbot, aber mehr ist in der Regel nicht drin.“
Wenn man das Planungsrecht weiterentwickeln und die Akzeptanz verbessern wolle, „muss meines Erachtens stärker mit Alternativen gearbeitet werden.“ Dann würden, so fügte der Verfassungsrichter hinzu, „Anhörungen auch nicht als Alibiveranstaltungen verstanden werden.“