Russlands Einmarsch in Georgien hat die Liebhaber historischer Vergleiche auf den Plan gerufen. Schwedens Außenminister Carl Bildt verglich Wladimir Putin mit Hitler. Der ehemalige US-amerikanische Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski fühlte sich an Stalins Vorgehen gegenüber Finnland erinnert.
Doch diese Analogien sagen mehr über den Gemütszustand des Westens als über Putin. Auch wenn es zunächst verwegen klingt und die Amerikaner es nicht gern hören werden: Der Wladimir Putin unserer Tage ähnelt noch am ehesten dem John F. Kennedy der Jahre 1961/62.
Erstens: Der jugendliche Kennedy galt als Verkörperung des neuen Amerika, so wie der drahtige Putin für die Erneuerung Russlands steht. Der eine war, der andere ist über das normale Maß hinaus beliebt bei den eigenen Bürgern.
Zweitens: Schon Kennedy unterschied zwischen souveränen Staaten erster und zweiter Klasse. Er ging davon aus, dass der Bewohner im Vorderhaus auch im Hinterhof ein Wort mitzureden habe, zum Beispiel in Kuba. So sieht es auch Putin, zum Beispiel im Falle Georgiens. Im Falle Amerikas nennen wir ein solches Verhalten dominant, im Falle Russlands aggressiv. Aber wir meinen dasselbe.
Drittens: Das Denken in Einflusssphären hatte bei Kennedy militärische Folgen, so wie bei Putin. Kennedy ging in Kuba sogar weiter als der russische Ministerpräsident in Georgien. Der amerikanische Geheimdienst CIA unterstützte im April 1961 die Landung von Exil-Kubanern in Playa Girón an der kubanischen Schweinebucht. Kennedy wollte einen Regimewechsel in Havanna erzwingen, was sich Putin in Georgien verkniff. Dabei war seine Lust, den georgischen Präsident aus dem Regierungssitz zu verjagen, mit Sicherheit so groß wie Kennedys Interesse am Sturz Fidel Castros.