Ex-EZB-Chefvolkswirt Issing: Bei Euro-Einführung Teuro-Debatte unterschätzt. Währungsumstellung „riskantes Unternehmen“. Die obersten Währungshüter hätten bei der Bargeldumstellung 2002 geglaubt, die Inflation sei einzig am offiziellen Preisindex abzulesen.
Zehn Jahre nach der Einführung des Euro-Bargeldes hat der ehemalige Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB), Otmar Issing, eine gemischte Bilanz gezogen. Im Nachrichtenmagazin FOCUS räumte Issing rückblickend ein, „die Dimension der Teuro-Debatte zunächst unterschätzt zu haben“. Die obersten Währungshüter hätten bei der Bargeldumstellung 2002 geglaubt, die Inflation sei einzig am offiziellen Preisindex abzulesen. „Die Bürger haben das aber zeitweise ganz anders empfunden.“ Das „Phänomen der gefühlten Inflation“ sei im Zuge der Euro-Einführung völlig neu aufgetreten.
Die Währungsumstellung sieht Issing heute als „Experiment“ und „riskantes Unternehmen“ an. Die elf Euro-Gründerländer seien „nicht so weit im Einklang“ gewesen, „dass man von einem problemlosen gemeinsamen Währungsraum ausgehen konnte“. Die Politik habe jedoch alle Warnungen ignoriert und die EZB hätte „noch deutlicher vor Fehlentwicklungen mahnen können“, sagte Issing FOCUS.
Insgesamt überwögen aber klar die Vorteile, „der Euro war und ist ein Erfolg“, so der 75-Jährige. Er mahnte seine Nachfolger, die Stabilität der Währung müsse in der EZB auch in Zukunft „klar im Vordergrund“ stehen, „und nicht etwa die Finanzierung von nationalen Defiziten durch Ankauf von Staatsanleihen“.