Trotz Schuldenchaos, Währungsturbulenzen und Krisengipfeln kommt eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey zu dem wundersamen Schluss: Von der Europäischen Währungsunion haben alle 17 Euro-Staaten profitiert. Der Zerfall der Euro-Zone wäre teuerstes Szenario zur Lösung der Krise.
Von der Europäischen Währungsunion haben alle 17 Euro-Staaten profitiert. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey, die der Tageszeitung „Die Welt“ exklusiv vorliegt. Im Jahr 2010 hat die Währung den Wohlstand in den 17 Euro-Ländern um 332 Mrd. Euro gemehrt. Dies sind rund 3,6 Prozent des BIP der Euro-Zone. Die Hälfte davon entfällt allein auf Deutschland: Der positive Effekt für die deutsche Wirtschaft betrug 165 Mrd. Euro oder 6,4 Prozent des BIP. Relativ zur eigenen Wirtschaftsleistung haben allerdings Österreich (7,8 Prozent) und Finnland (6,7 Prozent) noch stärker durch den Euro zugelegt. „Unsere Studie belegt: Nicht nur Deutschland hat vom Euro profitiert, andere Länder haben in Relation zu ihrer Wirtschaftskraft sogar noch mehr gewonnen. Es ist deshalb im Interesse aller Euro-Staaten, die Währungsunion zu verteidigen“, sagt Frank Mattern, Deutschland-Chef von McKinsey.
Diese Wohlstandsgewinne der wirtschaftlich stärkeren Länder gingen keineswegs zulasten der schwächeren. „Es gibt kein Euro-Land, das nicht von der Gemeinschaftswährung profitiert hätte“, sagt Eckart Windhagen, Leiter der Bankenberatung von McKinsey und ein Autor der Studie. „Insgesamt verteilt sich der Nutzen des Euro aber sehr unterschiedlich auf die einzelnen Länder.“ In Italien stieg das BIP nur um 2,8 Prozent, für Griechenland stand 2010 sogar nur ein winziges BIP-Plus von 172 Mio. Euro zu Buche. Hauptgrund dafür: Die Einführung der Währung erhöhte den Druck auf die schwächeren Länder, wettbewerbsfähiger zu werden. Einige Staaten wie Deutschland passten sich an und reformierten ihre Sozialsysteme. Andere Länder – darunter Frankreich – verloren an Wettbewerbsfähigkeit. Ihnen kommen aber immerhin noch die niedrigen Zinsen zugute, die der Euro gebracht hat.
Zur Bekämpfung der Euro-Krise sei die Strategie von Bundeskanzlerin Angela Merkel „trotz aller Kritik derzeit insgesamt richtig“, sagte Mattern. Denn laut Berechnungen der Unternehmensberatung führt eine Kombination aus mehr Haushaltsdisziplin und Strukturreformen in Problemländern zu mehr Wachstum und weniger Verschuldung als andere denkbare Varianten. In diesem Szenario wächst die Wirtschaft zwischen 2011 und 2016 um 0,7 Prozent in den Peripheriestaaten und 1,9 Prozent in der übrigen Euro-Zone. Bis 2016 würde der Schuldenstand gemessen an der Wirtschaftsleistung zwar zunächst steigen – danach würden die Schuldenstände aber dank höheren Wachstums zum Teil deutlich fallen. „Eine Kombination strafferer gemeinsamer Fiskalregeln mit Strukturreformen schneidet in unseren Berechnungen am besten ab, sowohl hinsichtlich des Wirtschaftswachstums als auch mit Blick auf die Staatsverschuldung“, fasst es Mattern zusammen.
Ein Ausstieg aus dem Euro ist nach Ansicht von McKinsey keine realistische Alternative. „Ein Zusammenbruch oder eine hektische Teilung der Währungsunion in Nord und Süd wäre eine ökonomische Katastrophe“, sagt Mattern. In fünf Jahren würde die Wirtschaft in Kerneuropa um rund fünf Prozent schrumpfen, in der Peripherie um mehr als zehn Prozent. Doch auch die von vielen angelsächsischen Ökonomen geforderte Lösung, die EZB massenhaft Staatsanleihen kriselnder Staaten aufkaufen zu lassen, schneidet in den McKinsey-Berechnungen schlecht ab. Durchschnittlich würde die Euro-Wirtschaft zwischen 2011 und 2016 nur um 0,6 Prozent wachsen, wenn Strukturreformen ausbleiben. Die Verschuldung würde im Verhältnis zum BIP sogar weiter steigen.
Dennoch könnte die Zentralbank vorübergehend stärker gefragt sein als bisher – damit nicht schon in den kommenden Monaten ein Krisenstaat in die Pleite rutscht. „Wenn die Nachfrage nach Staatsanleihen nicht wieder anziehen sollte, dann kann nur die EZB kurzzeitig die Finanzierung der Staaten sicherstellen, um die Zeit zu überbrücken, bis die Strukturreformen wirken“, sagt Windhagen.