Der Baltic Dry Index ist auf Rekord-Tief gefallen – noch unter die Marke kurz nach der Lehman-Pleite 2008. Experten wiegeln ab: Alles halb so schlimm? – Auch die anderen Schiffsklassen vor Untergang.
von Michael Mross
Seit Wochen fällt der Baltic Dry Index. In 31 Handelstagen ist der Index ununterbrochen im freien Fall. Allein die Abwärtsbewegung von rund 66% in 31 Handelstagen sprechen eine klare Sprache. Noch schlimmer: der BDI ist nominell auf dem tiefsten Stand seit 22 Jahren und inflationsbereinigt auf Rekordtief. Der BDI ist damit auch tiefer als 2008, als die aktuelle Geldsystemkrise ihren ersten Höhepunkt erreichte.
Zur Erinnerung: In Hochzeiten, im Sommer 2008 notierte der BDI bei fast 12000 Punkten. Aktuell sind wir auf dem Tiefstand von 662 Punkten. Noch im Oktober notierte der Index übrigens bei über 2000 Punkten. Kein Alarmzeichen?
Baltic Dry Index: Steiler Absturz seit Sebtember 2011
Experten wiegeln gleichwohl ab: alles halb so schlimm. Es gibt Überkapazitäten, Lagerhaltung der Chinesen sei Schuld usw. Das Handelsblatt zitiert einen gewissen Burkhard Lemper vom Bremer Institut für Seewirtschaft und Logistik (ISL). Dieser führt die kurzfristigen Schwankungen vor allem auf das Verhalten chinesischer Produzenten zurück. „Bis Dezember hat es einen Sondereffekt gegeben, weil die Chinesen vor allem ihre Eisenerz-Lager aufgefüllt haben,“ sagt er. „Dieses antizyklische Verhalten hat dazu geführt, dass die Preise für Frachtraten bis Dezember 2011 überraschend gestiegen sind. Seit Januar ist dieser Zwischenboom zu Ende,“ sagt er.
Alles nur Blabla? Überkapazitäten oder nicht. Der Absturz ist gravierend. Der BDI galt immer schon als Indikator für die Wirtschaftsentwicklung. Es sollte wirklich überraschend sein, wenn der Index dieses Mal nur Müll anzeigt und praktisch überhaupt keine Aussagekraft hat.
Besonders für zyklische Werte an der Börse wie Thyssenkrupp oder Klöckner könnte der Index durchaus eine Aussagekraft haben, was man an der Kursentwicklung der beiden Werte beobachten kann. Sie gehen praktisch parallel zum BDI nach Süden.
Auch wenn der BDI nicht mehr die Aussagekraft früherer Zeiten haben mag – die Dynamik des Kollapses ist schon beachtlich. Und der neue erreichte Tiefpunkt spricht eine eigene Sprache. Man muss schon sehr optimistisch sein, zu meinen, dass dieser Index dieses Mal gar keine Auswirkungen auf die Wirtschaft hat bzw. nicht die wirtschaftliche Aktivität spiegelt.
Außerdem darf man bei der Betrachtung des BDI nicht außer Acht lassen, dass alle anderen Krisenparameter ebenfalls in der roten Zone sind:
- Hunderte Milliarden geparkt bei EZB
- Bankenmißtrauen auf dem Höhenpunkt
- Notenbanken kaufen Billionen an Staatsanleihen in Eurozone und USA
- Goldpreis wieder in Richtung 1900
- Notenbanken pumpen heimlich Geld in marode Banken
- Kreditklemme bei Finanzinstituten weltweit
- Portugal mit Rekordzinsen
- Und nicht zuletzt: Auch die anderen Schiffsklassen saufen ab.
Capesize taucht ab
Nicht nur der BDI ist im freien Fall, sondern auch die Frachtraten für die anderen Schiffsklassen ebenfalls: Der Frachtpreis für einen Tag der Schiffsklasse Capesize fiel auf 5327 Dollar. Das Hoch lag bei über 233000 Dollar. – Nach Angaben aus Schiffahrtskreisen fahren die Frachter damit unterhalb ihrer Betriebskosten, der bei rund 7400 Dollar pro Tag liegt. Mit Abschreibung, Finanzierung und Zinsen belaufen sich die Kosten laut einer Studie von JP-Morgen aber auf rund 19000 Dollar pro Tag.
Wenn dieses Geld nicht rein kommt, dann ist das nächste Bankenproblem programmiert, denn die meisten Schiffe sind kreditfinanziert. Mitten drin dabei natürlich mal wieder die Commerzbank mit ihrer Tochter "Deutsche Schiffsbank". Blessing hat zwar angekündigt, sich von der Schiffsfinanzierung zu verabschieden - allerdings laufen die alten Kredite derzeit natürlich noch weiter. Ob unter den gegenwärtigen Umständen das Geld wieder rein kommt, dürfte ungewiss sein.
Man kann diese Krisenparameter natürlich alle ignorieren. Und man kann auch sagen, dass der BDI kaum eine Aussagekraft hätte. Aber man muss schon sehr ignorant sein, hier keinen Zusammenhang zu erkennen. Aber vielleicht ist das alles nur einen Fata Morgana und morgen wird wieder alles gut.