Den „Euro-Kraten“ geht es nicht um Europa, sondern um die EU und einen weiter wuchernden Sozialstaat, um Zentralismus, um Macht und Zugriff auf Ressourcen, darunter eine EU-Steuer, und ihre persönliche Karriere. - Der Verfall des Euros ist am Goldkurs abzulesen.
von Michael von Prollius
Am Euro soll sich das Schicksal Europas entscheiden. Zumindest wollen uns das namhafte Politiker, manche EU-Bürokraten und einige Ökonomen weiss machen. Der Euro soll nicht nur die Grundlage, sondern sogar die Voraussetzung für ein ökonomisch stabiles und prosperierendes Europa sein. „Der Euro ist eine unser größten Errungenschaften.“ heißt es in Brüssel. „Der Euro ist unser Schutz“ hört man in Berlin und „er nützt uns auf der ganzen Linie“. Zugleich soll ein kleines Land am Rande Europa über eine Vertrauenskrise „den Euro als Ganzes“ gefährden.
Einmal mehr wimmelt es nur so von Kollektivismen und Konstrukten, die die Nation, den Superstaat, die Megawährung über alles stellen. Und die Begründung? „Niemand darf sich Illusionen hingeben: Die Lage ist ernst, sehr ernst“! Wer diesen und anderen Behauptungen oder Versprechungen Glauben schenkt, gibt sich allerdings Illusionen hin. Die Europäische Währungsunion wird nicht in dieser Form fortbestehen, aber Europa würde den Euro und die EU überleben.
Nachfolgend einige Desillusionierungen:
1. Den „Euro-Kraten“ geht es nicht um Europa, sondern um die EU und einen weiter wuchernden Sozialstaat, um Zentralismus, um Macht und Zugriff auf Ressourcen, darunter eine EU-Steuer, und ihre persönliche Karriere. An die Stelle eines freiheitlichen Europa, das keine Handelsgrenzen kennt, Freizügigkeit und Vielfalt in Verschiedenheit verkörpert, so wie es die europäischen Gründerväter angestrebt haben, ist schleichend auch in der Masse der Medien das Projekt eines homogenisierten „Euro-pa“ oder „EUropa“ getreten. Der Umgang mit den heftigen Widerständen der Bürger gegen den Lissabon-Vertrag wirft ein Licht auf „Krise und Zukunft der Demokratie“ (Felix Somary).
2. Der Euro ist ein durch und durch politisches Projekt, das gegen eine Fülle ökonomisch fundierter Kritiker realisiert wurde. Als der Maastricht-Vertrag 1992 unterzeichnet wurde wandten sich über 60 deutsche Ökonomieprofessoren in einem Manifest gegen die Europäische Währungsunion. 1998 waren es sogar mehr als 160, die mahnten: „Der Euro kommt zu früh“. Die Defizite der Einheitswährung und ihre Risiken, darunter absehbare hohe Transferzahlungen für einen Finanzausgleich und eine überbordende Staatsverschuldung, sind heute Realität geworden.
3. Die unbenommenen Vorteile des Euro – kein Währungsrisiko, Preistransparenz und entfallende Umtauschkosten für Reisende, insbesondere Urlauber – werden von den zunehmend ins Bewusstsein tretenden Nachteilen aufgefressen: beträchtlicher Kaufkraftverlust, monetär bedingte Wirtschaftskrisen, Subventionierung von Banken mit Steuerzahlerschutzschirmen und schrankenlose Staatsverschuldung, Der deutsche Steuerzahler hat als „EU-Zahlmeister“ den erklärtermaßen „alternativlosen“ Entscheidungen Folge zu leisten.
4. Geldillusion ist offenkundig eine Politik, die darin besteht, mehr Geld zu drucken und dies abzuwerten, um die reale wirtschaftliche Situation zu verbessern oder Wirtschaftszyklen zu dämpfen. Eine überwältigende Fülle solider theoretischer Überlegungen und eine Vielzahl historischer Erfahrungen stehen dieser Absicht genauso im Wege wie der gesunde Menschenverstand. Inflation, Schulden und verschleppte Strukturreformen (Arbeitsmärkte, soziale Sicherungssysteme, Steuern, Entstaatlichung etc.) hält kein seriöser Unternehmer oder privater Haushalt für einen geeigneten Ausweg.
5. Mit dem Euro sollte die politische Vereinigung Europas vorangetrieben werden, ein paneuropäischer Wohlfahrtsstaat kreiert werden. Auf dem Weg zu den Vereinigten Staaten von Europa sollte dem angestrebten Zentralismus der Weg durch eine Einheitswährung geebnet werden. Unzureichende politische Einigung auf der Grundlage unüberbrückbarer ökonomischer Unterschiede kompensiert durch eine monetäre Klammer – offenkundig ist das keine gute Idee. Lord Ralf Dahrendorf war ein großer Europäer. In einem Interview, das er im Dezember 1995 dem Spiegel gegeben hat, konstatierte er: „Die Währungsunion ist ein großer Irrtum, ein abenteuerliches, waghalsiges und verfehltes Ziel, das Europa nicht eint, sondern spaltet.“
Eine Illusion bezeichnet eine Sinnestäuschung, eine andere Wahrnehmung als das, was in der Realität tatsächlich vorhanden ist. Der Euro wird für etwas anderes gehalten als er tatsächlich ist. Er ist weder Heilsbringer noch Schicksal, sondern lediglich eine von sogenannten Experten in Kommissionen konstruierte Monopolwährung. Damit gleicht der Euro Herrn Tur Tur, dem sogenannten Scheinriesen in der Geschichte „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ von Michael Ende. Je weiter man sich von Herrn Tur Tur entfernt, desto größer scheint er zu sein. Erst wer sich ganz nah an ihn heran wagt, erkennt den Irrtum. Herr Tur Tur ist nicht größer als ein durchschnittlicher Mensch. Allerdings traut sich kaum jemand ihm nahezukommen.
Wer Kritik am Euro äußert, wird schnell als Sonderling und Anti-Europäer in eine politisch missliebige Ecke gestellt. Allerdings ist nach den inszenierten Feierlichkeiten zum zehnten Geburtstag des Euro das Interesse an denen, die die Einheitswährung als Erfolgsgeschichte preisen, arg geschwunden. Das mag an den horrenden Kosten liegen und der Verabredung zum kollektiven Rechtsbruch, die mit dem Blankoscheck der Staats- und Regierungschefs für Griechenland im Februar 2010 verbunden sind. Ohnehin ist die Reputation der EZB nachhaltig beschädigt.
Tatsächlich reicht die Problematik tiefer. Die verfälschte Wahrnehmung der Wirklichkeit besteht darin, sich wachsenden Wohlstand und wirtschaftliche Stabilität von einem monopolistischen Papiergeldsystem zu erhoffen. Selbst Mainstream-Ökonomen kommen in empirischen Studien zu dem Ergebnis, der Euro habe keine positiven Auswirkungen auf Arbeitslosigkeit oder Lohnwachstum, aber möglicherweise die Konjunkturschwankungen verstärkt. Zudem ist die Kritik an Zentralbanken sowohl theoretisch als auch empirisch inzwischen gut fundiert.
„Ist der Euro fehlerhaft? Natürlich ist der Euro fehlerhaft.“ urteilt ein angesehener Ökonom und Geldtheoretiker. Schließlich handele es sich nicht um einen Geldstandard, der durch die unsichtbare Hand des Marktes entstanden ist, durch die dezentrale freie Wahl von Millionen Nutzern. Der Euro krankt an denselben strukturellen Unzulänglichkeiten wie anderes Scheingeld auch, das in einer monetären Zentralplanwirtschaft bereitgestellt wird. Das relativ bessere Abschneiden der EZB im Vergleich mit dem amerikanischen FED verstellt den Blick auf die grundsätzliche Problematik. Der ständige Wechselkursvergleich zwischen Euro und US-Dollar verstärkt diese Tendenz zusätzlich. Was hilft es „Dick“ und „Doof“ zu vergleichen? Aufschlussreicher ist, wie viel Papiergeld man für eine Unze Gold bezahlen muss. Das findet erfreulicherweise ein wachsende Zahl von Menschen.