Die „Stunde der Wahrheit“ naht bei Banken, Unternehmen und Volkswirtschaften. USA insolvenzgefährdet?
Sind Sie auch in Cash? Die meisten Vermögensverwalter haben im Moment Cash-Positionen in Höhe von 30-50% in der Erwartung, dass es noch zu einem Sell off kommt, um dann wieder einzusteigen.
Auch die Fonds sind im Moment nicht voll investiert. Zudem gibt es immer noch sehr hohe Short-Positionen (Leerverkäufe) von Hedgefonds bei US-Aktien und die Märkte sind „überverkauft“. Dies deutet darauf hin, dass es irgendwann zu einer Kursexplosion kommen wird, wenn der Markt der Meinung ist, dass die meisten Mega-Risiken eingepreist sind. Noch aber befinden wir uns in dem gefährlichen Schwebezustand, wo es anderseits in der Tat auch jederzeit noch zu einem Kurseinbruch kommen kann.
Der US-Finanzsektor wird uns weiter in Atem halten ebenso wie der US-Immobiliensektor. Der halbstaatliche US-Hypothekenfinanzierer Fannie Mae braucht nun angeblich eine Liquiditätsspritze von 225 Mrd. USD, um zu überleben und General Motors von 35 Mrd. USD. Wenn Fannie Mae die Liquiditätsprobleme nicht lösen kann, kommt die Bank unter staatliche Zwangsverwaltung.
Aber es gibt schließlich die US-Notenbank, die mit „Helikopter-Ben“ an der Spitze beliebig Geld in Umlauf bringen und auch Großbanken vor dem Konkurs retten kann. Letztendlich muss dann der Steuerzahler die Zeche zahlen wie bei deutschen Landesbanken, von denen heute schon kaum einer mehr spricht. Die IKB wird zu Niedrigstpreisen an einen US-Investor fast verschenkt, womit der Staat die Bürde los ist.
Auch der US-Broker Lehman Brothers hängt am seidenen Faden. Nun soll es angeblich eine Bank aus Süd-Korea geben, die an einer Übernahme von Lehman Brothers Interesse zeigt. Dies führte am Freitag zu einer Kursrallye beim Dow Jones von fast 200 Indexpunkten (+1,73%) auf 11.628 Indexpunkte.
Damit sind die mannigfaltigen Probleme im US-Finanzsektor aber noch nicht gelöst. Am Freitag ging bereits die neunte Bank in diesem Jahr Konkurs, diesmal die Columbian Bank and Trust Company aus Kansas.
Ich frage mich, wer die Citibank oder UBS aufkaufen wird, die beide ebenfalls am berühmten seidenen Faden hängen. Wenn nach der Immobilienkrise nun eine Konsumentenkreditkrise hinzukommen sollte, sind viele Banken in den USA akut insolvenzgefährdet.
Auch in Deutschland wird sich der Konzentrationsprozess fortsetzen, Wer mergt mit wem und wer schluckt wen in Zukunft? Irgendwann wird es auch Aufkäufer für die Postbank und Dresdner Bank geben, was kurzfristig für Kursfantasien sorgen wird. Ich rechne damit, dass die Commerzbank schon bald ein Übernahme- oder Merger-Angebot der Dresdner Bank unterbreiten wird.
Auch die Postbank wird schon bald einen Käufer finden, allerdings zu wesentliche höheren Preisen als der jetzige Kurs. Möglicherweise wird in einigen Jahren sogar ein russischer Staatsfonds als Käufer in Betracht kommen. Noch legt der russische Staatsfonds aber nur in Anleihen an. Mittel sind weltweit genug vorhanden. Das Kapital von notleidenden westlichen Banken wird aber zunehmend von Emerging Market-Banken oder Emerging-Markets-Staatsfonds kommen. Auch hier wird es irgendwann wie bei der IKB-Fast-Pleite heißen: das Geld bzw. die Aktien sind nicht weg; es hat nur ein anderer!
Der FED-Chef Ben Bernanke sprach am Freitag von einer Verlangsamung der Konjunktur (=Rezession?) in den USA, was aber auch dazu führen wird, dass die Inflation nicht weiter steigen dürfte. So kann man die US-Misere auch schön reden. Damit signalisiert er, dass nun durchaus Zinssenkungsspielraum wieder vorhanden ist, was den Markt zusätzlich stimulierte.
Auch der Ölpreis gab am Freitag auf 113 USD/Barrel nach. Die Gemengelage ist aber keinesfalls so, dass der Anleger deswegen schon wieder mit voller Kraft einsteigen könnte. Der IFO Weltwirtschaftsklima-Index ist das vierte Mal in Folge im negativen Bereich, was auf eine Weltkonjunkturverlangsamung hindeutet.
Zudem steigt die Welt-Inflationsrate an. Bei einem nachlassenden Konsum in den USA dürfte China als Exportland besonders leiden. Osteuropäischen Exportländer würde durch eine Rezession in Europa in Mitleidenschaft gezogen werden so wie sich im Baltikum schon rezessive Tendenzen andeuten.
Es lauern zudem noch einige Risiken, die die Anleger jederzeit wieder versunsichern können und dazu zählen auch geopolitische Risiken. Der Dollar dürfte als Fluchtwährung dann wieder an Stärke gewinnen. Unabhängig davon deutet sich eine Trendwende beim Dollar an.Zu allem Überfluss kommen einige Länder jetzt aber in eine Rezession wie die USA. Großbritannien, Belgien, Spanien und sogar auch einige Osteuropa-Tiger wie Lettland und Estland, die zuvor weit überdurchschnittliche Wachstumsraten aufweisen.
Auch dürfte sich die Immobilienkrise in den USA, Großbritannien und Spanien noch verschärfen. Auch rechne ich noch mit einer Pleitewelle im Bankensektor in den USA bei kleineren, kapitalschwachen Banken. Es stehen also noch eine Reihe von Bereinigungsprozessen bevor, übrigens auch in Russland, wo eine Reihe von kleineren Banken aufgrund der erhöhten Eigenkapitalerfordernisse (jetzt 5 Mio. €) nicht überleben werden, was auch gut ist.
Dieser Bereinigungsprozess kann die jeweiligen Börsen wiederum stark in Mitleidenschaft ziehen. Ich rechne mit dem Beginn des Bereinigungsprozesses schon in den nächsten Wochen. Zudem geht das Inflationsgespenst weltweit immer noch um, was die Chancen für reale, inflationsbereinigte Gewinne auch im Anleihensektor vermindert.
Daher naht die „Stunde der Wahrheit“ bei Banken, Unternehmen und Volkswirtschaften. Die Börse wird dementsprechend reagieren. Solange aber die Unsicherheiten noch im Markt sind und der sicherlich schmerzliche Bereinigungsprozess nicht stattfindet, sondern künstlich vor sich hergeschoben wird, kann ich mir keine nachhaltige Rallye, bestenfalls eine erneute Bärmarktrallye, vorstellen. I
m Gegenteil: bei neuen Tiefskursen besteht die Gefahr eines Mini-Crashs, wenn der Dow Jones unter 11.400 Indexpunkte geht und sogar die Gefahr eines Crashs, wenn der Dow Jones unter 11.000 Indexpunkte gehen sollte. Dementsprechend wird es beim DAX bearish wenn er unter 6200 gehen sollte und es entsteht die Gefahr eines Crashs, wenn er unter 5900 Indexpunkte gehen sollte.
Bisher hatten wir erst einen Salami-Crash mit Kursverlusten von 1-2% am Tag. Ein Mini-Crash wäre für mich ein Kursverlust von 3-5% an einem Tag und ein Crash ein Kursverlust von 5-15% an einem Tag bzw. 10-20% in einer Woche an einer bedeutenden Weltbörse (wie die Wall Street). Das wäre dann der Fall, wenn eine Großbank oder ein großer Automobilkonzern wie General Motors oder Chrysler oder eine Großbank wie die Citibank Chapter 11 anmelden muss.
Wenn es zu einem Crash kommt, empfehle ich hernach vor allem Banktitel in Osteuropa und in Asien zu kaufen, die schon jetzt Rekordzahlen beim Kreditwachstum und zum Teil sogar beim Gewinn aufweisen und trotzdem fallen.
So hat die chinesische ICBC, die mittlerweile die größte Bank der Welt ist, im ersten Halbjahr 2008 den Nettogewinn um 52% auf 6,4 Mrd. € gesteigert. Sie ist mit einer Eigenkapitalrendite von 22,8% im Moment weltweit die profitabelste Großbank. Die von Josef Ackerman in Aussicht gestellte Eigenkapitalrendite von 25% für die Deutsche Bank AG dürfte wohl in diesem Jahr eine gut gemeinte Vision bleiben.
Auch die Sberbank wird in diesem Jahr einen weit höheren Gewinn als die Deutsche Bank AG ausweisen. Die beschlossene Kooperation der Sberbank mit der Deutsche Bank AG dürfte sich mittelfristig für beide Banken vorteilhaft erweisen. Auch die anderen osteuropäischen Banken wachsen im Kreditgeschäft weiter dynamisch und haben es nicht nötig, sich auf die Suche nach vordergründig renditestarken Kreditderivaten oder gar Subprimkrediten zu begeben.
Dies wird oft vergessen, wenn auch die Kurse von osteuropäischen Banken jetzt abgestraft werden. Es wird also wieder Chancen in Osteuropa geben, aber der Anleger sollte auch hier abwarten, bis die „Stunde der Wahrheit“ da ist. Ich rechne also auch an den Ostbörsen weiter mit hoher Volatilität.
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