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"Neun Minuten Interview mit Wladimir Putin im Wortlaut"
Dochmit dem "Wortlaut" hält es die ARD nicht so genau. EntscheidendePassagen wurden herausgeschnitten, bzw. nicht wieder gegeben. Das Original-Interview ist rund 30 Minuten lang. Die ARD tut jedoch so, als wenn das Gespräch nur 9 Minuten dauerte. In diesem Zusammenhang von "Wortlaut" zu sprechen, ist nichts anderes als ein journalistischer Skandal. Journalistisch richtig müsste es heissen: "Auszüge aus dem Interview" oder "Zusammenfassung des Interviews". So, wie es aber die ARD darstellt, erweckt die Anstalt den Eindruck
1. Das Original-Interview sei nur neun Minuten lang gewesen
2. Das Interview sei ungekürzt und unverändert.
Beides ist irreführend und journalistisch nicht korrekt.
Was von dem Interview übrig geblieben ist, kann hier nachgelesen werden: Putin Interview ARD TEXTVERSION
Das Fernsehinterview, so, wie es die ARD zusammengeschnitten hatte, kann man hier sehen: ARD Fernseh Interview Putin
Und das Original Interview im Text hier. Das Interview führte ARD Reporter Thomas Roth :
Thomas Roth:Herr Ministerpräsident, nach der Eskalation in Georgien sieht das Bildin der internationalen Öffentlichkeit so aus – damit meine ich Politik,aber auch Presse: Russland gegen den Rest der Welt. Warum haben Sie IhrLand mit Gewalt in diese Situation getrieben?
Wladimir Putin: Was meinen Sie, wer hat den Krieg begonnen?
Thomas Roth: Der letzte Auslöser war der georgische Angriff auf Zchinwali
Wladimir Putin:[Ich] Danke Ihnen für diese Antwort. So ist es auch, das ist dieWahrheit. Wir werden dieses Thema später ausführlicher erörtern. Ichmöchte nur anmerken, dass wir diese Situation nicht herbeigeführt haben.
Wladimir Putin:Ich bin überzeugt, dass das Ansehen eines jeden Landes, das im Standeist, das Leben und die Würde der Bürger zu verteidigen, eines Landes,das eine unabhängige Außenpolitik betreiben kann, dass das Anseheneines solchen Landes mittel-oder langfristig steigen wird. Umgekehrt: Das Ansehen der Länder, diein der Regel die Interessen anderer Staaten bedienen, die die eigenennationalen Interessen vernachlässigen – unabhängig davon, wie sie dasauch erklären mögen –, wird sinken.
Roth: Sie haben die Frage trotzdem noch nicht beantwortet, warum Sie die Isolation ihres ganzen Landes riskiert haben…
Putin:Ich dachte, geantwortet zu haben, aber wenn sie zusätzliche Erklärungenbrauchen, das mache ich. Unser Land, das die Würde und den Stolzunserer Bürger verteidigen kann, und die außenpolitischenVerpflichtungen im Rahmen der Friedensstiftung erfüllen kann, wirdnicht in Isolation geraten, ungeachtet dessen was unsere Partner in Europa und USA im Rahmen ihres Blockdenkenssagen. Mit Europa und den USA endet die Welt nicht. Und im Gegenteil,ich möchte es nochmal betonen: Wenn Staaten ihre eigene nationaleInteressen vernachlässigen, um außenpolitische Interessen andererStaaten zu bedienen, dann wird die Autorität dieser Länder – unabhängigdavon, wie sie das auch erklären mögen –, nach und nach sinken. D.h.wenn die europäischen Staaten die außenpolitischen Interessen der USAbedienen wollen, dann werden sie, aus meiner Sicht, nichts dabeigewinnen.
Jetzt reden wir mal über unsere internationalenrechtlichen Verpflichtungen. Nach internationalen Verträgen haben dierussischen Friedenstifter die Pflicht, die zivile Bevölkerung von Südossetien zu verteidigen. Und jetzt denken wir mal an 1995 (Bosnien). Und wie ich uns Sie gut wissen, haben sich die europäischen Friedensstifter,in dem Fall repräsentiert durch niederländische Streitkräfte, nicht inden Konflikt eingemischt und haben einer Seite damit erlaubt, einenganzen Ort zu vernichten. Hunderte wurden getötet und verletzt. DasProblem und die Tragödie von Srebrenica ist in Europa sehr bekannt. Wollten Sie, dass wir auch so verfahren? Dass wir uns zurückgezogen hätten und den georgischen Streitkräften erlaubt hätten, die in Zchinwali lebende Bevölkerung zu vernichten?
Roth: Herr Ministerpräsident, Kritiker sagen, Ihr eigentliches Kriegsziel war gar nicht, nur die südossetische Bevölkerung – aus Ihrer Sicht – zu schützen, sondern zu versuchen, den georgischen Präsidenten aus dem Amt zu treiben, um den Beitritt Georgiens über kurz oder lang zur NATO zu verhindern. Ist das so?
Putin: Das stimmt nicht, das ist eine Verdrehung der Tatsachen, das ist eine Lüge. Wenn das unser Ziel gewesen wäre, hätten wir vielleicht den Konflikt begonnen. Aber, wie sie selbst sagten, das hat Georgien gemacht. Jetzt gestatte ich mir, an die Tatsachen zu erinnern. Nach der nicht legitimen Anerkennung des Kosovo haben alle erwartet, dass wir Südossetien und Abchasien anerkennen. Alle haben darauf gewartet und wir hatten ein moralisches Recht darauf. Wir haben uns mehr als zurückgehalten. Ich will das auch nicht kommentieren. Ja, mehr noch, wir haben das geschluckt. Und was haben wir bekommen? Eine Eskalation des Konfliktes. Überfall auf unsere Friedensstifter. Überfall und Vernichtung der friedlichen Bevölkerung in Südossetien. Das sind Tatsachen, die angesprochen wurden. Der französische Aussenminister war in Nordossetien und hat sich mit Flüchtlingen getroffen. Die Augenzeugen berichten, dass die georgischen Streitkräfte mit Panzern Frauen und Kinder überfahren haben, die Leute in die Häuser getrieben und lebendig verbrannt haben. Georgische Soldaten haben, als sie nach Zchinwalikamen, - so im vorbeigehen – Granaten in die Keller und Bunkergeworfen, wo Frauen und Kinder sich versteckt hatten. Wie kann man soetwas anders nennen, als Genozid?
Und jetzt zur Regierung in Georgien.
Das sind die Menschen, die ihr Land in die Katastrophe getrieben haben, die georgischeFührung hat das mit eigenen Aktionen gemacht. Die Staatlichkeit deseigenen Landes torpediert. Solche Menschen sollten keinen Staat führen,ob groß oder klein. Wären sie anständige Personen, sollten sieunbedingt zurücktreten.
Roth: Das ist jedoch nicht Ihre Entscheidung, sondern die der georgischen Regierung.
Putin: Natürlich, jedoch kennen wir auch Präzedenzfälle, die einen anderen Charakter haben. Ich erinnere nur die amerikanische Invasion des Iraks und was sie mit Saddam Hussein gemacht haben, weil dieser ein paar schiitische Dörfer vernichtet hatte. Und hier wurden in den ersten Stunden der Kampfhandlungen auf südossetischem Territorium 10 ossetische Dörfer vollständig vernichtet (ausradiert).
Roth: Herr Ministerpräsident, sehen Sie sich denn im Recht, in das Territorium eines souveränen Staates, nämlich Georgien, vorzudringen und dort Bombardierungendurchzuführen? Ich selbst sitze hier nur aus purem Zufall mit Ihnen, dabuchstäblich einige Meter von mir eine Bombe explodiert ist, die ausIhrem Flugzeug abgeworfen wurde. Gibt Ihnen das aus völkerrechtlicherSicht das Recht…
Putin:Wir haben uns absolut im Rahmen des Völkerrechts bewegt. Wir haben denAngriff auf unsere Friedensstifter, auf unsere Bürger als ein Angriffauf Rußland aufgefasst. In den ersten Stunden der Kampfhandlungentöteten die georgischenStreitkräfte mehre Dutzend unserer Blauhelme. Haben unseren südlichenPosten, da war südlicher und nördlicher, mit Panzern eingekreist unddirekt beschossen. Als unsere Blauhelmsoldaten die Technik aus einemHangar holen wollten, wurde ein Schlag mit dem Artilleriesystem„Grad“ ausgeführt. 10 Leute, die in diesen Hangar reingingen, wurdenauf der Stelle getötet (lebendig verbrannt). Danach hat die georgische Luftwaffe Luftschläge in verschiedenen Punkten in Südossetien durchgeführt. Nicht in Zchinwali, sondern inmitten von Südossetien. Und wir sahen uns gezwungen, die Verwaltungspunkte der georgischen Streitkräfte, die sich außerhalb der Konfliktzone befanden, unschädlich zu machen. Das waren solche Punkte, von wo die Artillerieschläge und die Luftangriffe auf russische Blauhelme koordiniert und ausgeführt wurden.
Roth: Ich hatte ja gesagt, dass auch die Bombardierung der Zivilbevölkerung stattgefunden hat. Sie haben womöglich nicht alle Informationen.
Putin:Ich verfüge möglicherweise nicht über alle Informationen. Im Zuge derKampfhandlungen sind Fehler möglich. Jetzt gerade hat die amerikanischeLuftwaffe in Afghanistan einen Schlag gegen die Talibandurchgeführt und hat fast 100 Leute aus der Zivilbevölkerung getötet.Das ist die erste Möglichkeit. Die zweite, die wahrscheinlicher ist:die Verwaltungspunkte der georgischen Artillerie,der Luftwaffe und Radarstationen wurden mutwillig mitten in denWohngebieten platziert, damit die Wahrscheinlichkeit der Luftschlägegegen diese minimiert wird. Sie haben die Zivilbevölkerung und Sie alsGeiseln benutzt.
Roth: das ist eine Mutmaßung.
Roth: Der französische Außenminister Kouchnerhat viele Sorgen geäußert in den letzten Tagen, als Minister derRatspräsidentschaft. Er hat auch die Sorge geäußert, dass der nächsteKonfliktherd um die Ukraine beginnt, nämlich um die Krim, um die Stadt Sewastopol. Ist die Krim das nächste Ziel, der Sitz der Schwarzmeerflotte?
Putin:Sie sagten das nächste Ziel. Wir haben auch hier kein Ziel gehabt.Deshalb ist es nicht korrekt, so zu reden. Und, wenn Sie gestatten,dann bekommen Sie eine zufriedenstellende Antwort: Die Krim ist keinkritisches Territorium, da hat es keinen ethnischen Konflikt gegeben,im Unterschied zum Konflikt zwischen Südossetien und Georgien. Und Russland hat längst die Grenzen der heutigen Ukraine anerkannt. Im Grunde genommen haben wir die Grenzverhandlungen abgeschlossen. Da bleiben nur Demarkationsangelegenheiten,das ist eine technische Angelegenheit. Und eine solche Frage riechtnach Provokation. Da gibt es innerhalb der Krim komplizierte Prozesse,Krim-Tataren, ukrainische Bevölkerung, russische Bevölkerung, also slavische Bevölkerung. Das ist aber ein internes Problem der Ukraine. Es gibt einen Vertrag über die Flotte bis 2017.
Roth:Wo stehen wir? Ist es nur eine Eiszeit, ist es schon ein kalter Krieg,hat das Wettrüsten schon begonnen oder schließen sie alles aus?
Putin: Russland strebt keinerlei Verschiebungen an, keinerlei Spannungen. Obwohl auch das sein kann. Wir wollen gutnachbarschaftliche, partnerschaftliche Beziehungen unterhalten. Wenn Sie erlauben, dann sage ich, was ich darüber denke. Es gab die Sowjetunion und den Warschauerpakt. Und es gab die sowjetischen Streitkräfte in der DDR, und man muss es ehrlich zugestehen, das waren Okkupationskräfte, die nach dem Ende des zweiten Weltkriegs in Ostdeutschland geblieben sind unter dem Deckmantel der Koalitionsstreitkräfte. Nach dem Zerfall der Sowjetunion, des Warschauerpaktes sind diese Okkupationskräfte weg. Die Gefahr von Seiten der Sowjetunion ist weg. Die NATO aber, die amerikanischen Streitkräfte, in Europa sind immernoch da. Wofür?
UmOrdnung und Disziplin in den eignen Reihen zu halten, um alleKoalitionspartner innerhalb eines Blocks zu halten, braucht man eineaußenstehende Gefahr. Und Iran ist da nicht ganz passend für dieseRolle. Man will daher einen Gegner wiederauferstehen lassen und diesersoll Rußland sein. In Europa jedoch fürchtet uns niemand mehr.
Roth:Die Europäische Union in Brüssel wird über Russland reden. Es wird wohlauch über Sanktionen gegen Russland zumindest geredet werden,möglicherweise werden sie beschlossen. Macht Ihnen das irgend eine Artvon Sorge oder ist Ihnen das egal, weil Sie sagen, die Europäer findensowieso nicht zu einer Stimme?
Putin:Würde ich sagen, wir pfeifen drauf, es ist uns egal, würde ich lügen.Natürlich verfolgen wir alles sehr aufmerksam. Wir hoffen, dass dergesunde Menschenverstand triumphieren wird, und wir glauben, dass einenicht politisierte, sondern objektive Einschätzung der Ereignissegegeben wird. Wir hoffen auch, dass die Aktionen der russischenFriedensstifter unterstützt werden und die Aktionen der georgischen Seite, diese verbrecherische Aktion durchgeführt hatte, sanktioniert werden.
Roth:Herr Ministerpräsident, müssen Sie sich in Wirklichkeit nichtentscheiden? Sie wollen auf der einen Seite auf eine intensiveZusammenarbeit mit Europa nicht verzichten, Sie können es meinesErachtens wirtschaftlich auch gar nicht, andererseits wollen Sietrotzdem nach eigenen russischen Spielregeln spielen. Also auf dereinen Seite ein Europa der gemeinsamen Werte, die Sie auch teilenmüssen, andererseits spielen Sie nach russischen Spielregeln. Beideszusammen geht aber nicht…
Putin:Wir wollen nicht nach irgendwelchen besonderen Spielregeln spielen. Wirwollen, dass alle nach einheitlichen völkerrechtlichen Regeln vorgehen.Wir wollen nicht, dass diese Begriffe manipuliert werden, in einerRegion die Regeln, in einer anderen die Regeln. Wir wollen einheitlicheRegeln. Einheitliche Regeln, die die Interessen aller Teilnehmerberücksichtigen.
Roth:Wollen Sie damit sagen, dass die EU je nach Region nachunterschiedlichen Regeln handelt, die nicht dem Völkerrecht entsprechen?
Putin: Absolut. Wie hat man Kosovo anerkannt? Man vergaß die territoriale Souverenität der Staaten, die UN-Resolution 1244, die sie selbst beschlossen haben. Dort durfte man das und in Abchasien und Südossetioen nicht. Warum?
Roth: D.h. Rußland ist einzig und allein fähig die Regeln des internationalen Völkerrechts zu bestimmen. Alle anderen manipulieren, machen es wie sie wollen? Hab ich Sie richtig verstanden?
Putin: Sie haben mich falsch verstanden. Haben Sie die Unabhängigkeit Kosovos anerkannt? Ja oder Nein?
Roth: Ich selbst nicht, ich bin Journalist.
Putin:Die westlichen Länder. Im Grunde haben es alle anerkannt. Nur, wenn manes dort anerkennt, dann muss man auch die Unabhängigkeit von Abchasien und Südossetienanerkennen. Es gibt überhaupt keinen Unterschied. Der Unterschied istausgedacht. Dort gab es ethnische Spannungen und hier gibt es ethnischeSpannungen. Dort gab es Verbrechen – praktisch von beiden Seiten-, undhier kann man die wahrscheinlich finden. Wenn man etwas „gräbt“, dannkann man die bestimmt finden. Dort gab es die Entscheidung, dass beideVölker nicht mehr zusammen in einem Staat leben können, und hier wollensie es auch nicht. Es gibt keinen Unterschied und alle verstehen es inWirklichkeit. Das alles ist nur Gerede, um rechtwidrige Schritte zudecken. Das nennt man, das Recht des Stärkeren. Und damit kann sichRußland nicht abfinden.
Herr Roth,Sie leben schon lange in Rußland, sie sprechen hervorragend, fast ohneAkzent, russisch. Dass Sie mich verstanden haben, wundert mich nicht.Das ist mir sehr angenehm, jedoch möchte ich auch sehr, dass mich meineeuropäischen Kollegen verstehen, die sich am 1. September treffen undüber diesen Konflikt beraten werden.
Wurde die Resolution 1244 angenommen? Ja! Dort wurde unterstrichen geschrieben: territoriale Souverenität Serbiens! Die Resolution haben die in den Müll weggeworfen. Alles vergessen. Sie wollten die Resolution zuerst umdeuten, andersinterpretieren, aber es ging nicht. Alles vergessen. Warum? Das WeißenHaus ordnete an, und alle führen aus! Wenn die europäischen Länder auchweiterhin eine solche Politik führen, dann werden wir über europäischeAngelegenheiten in Zukunft mit Washington reden müssen.
Roth: Wo sehen Sie die Aufgabe von Deutschland in dieser Krise?
Putin:Wir haben zu Deutschland sehr gute Beziehungen, vertrauensvolleBeziehungen, sowohl politische als auch ökonomische. Als wir mit Herrn Sarkozygesprochen haben, bei seinem Besuch hier, haben wir gesagt, dass wirkeinerlei Territorien in Georgien wollen. Wir werden uns in die Sicherheitszonezurückziehen, die in den früheren internationalen Abkommen vereinbartwurde. Aber da werden wir auch nicht ewig bleiben. Wir betrachten dasals georgischesTerritorium. Unsere Absicht besteht nur darin, die Sicherheit zugewährleisten und es nicht so zu machen, dass da Truppen undKriegsgerät heimlich geballt werden. Und zu verhindern, dass da dieMöglichkeit eines neuen Konfliktes entsteht. Dann begrüßen wir die Teilnahme von Beobachtern der EU, der OSZE und natürlich auch Deutschlands. Wenn die Prinzipien der Zusammenarbeit geklärt sind.
Roth: D.h. Sie werden ihre Truppen auf jeden Fall zurückziehen.
Putin: Natürlich. Es ist für uns als erstes wichtig, die Sicherheit in der Region sicherzustellen. Als nächstes Südossetienzu helfen, die eigenen Grenzen zu sichern. Danach haben wir keineGründe mehr uns dort aufhalten zu müssen. Und währen dieser Arbeitwürden wir die Kooperation mit der EU, OSZE nur begrüßen.
Roth: Was können Sie unter der Berücksichtigung der Umstände, in dem sich diese Krise befindet, der Beziehungen zur USA und Europa, zur Eskalation dieser Krise beitragen?
Putin: Als erstes, das habe ich bereits gestern Ihren CNN-Kollegengesagt, dass diese Krise unter anderem von unseren amerikanischenFreunden, im Zuge des Vorwahlkampfes provoziert wurde. Das schließtauch die Nutzung der administrativen Ressourcen in einer sehrbedauernswerten Ausführung ein, um einem der Kandidaten eine Mehrheitsicherzustellen. In dem Fall, dem der Regierungspartei.
Roth: Das glauben Sie wirklich? [auf russisch]: Das ist kein Fakt
Putin:[auf deutsch]: Das ist kein Fakt. [weiter auf russisch] Wir wissen,dass es dort viele amerikanische Berater gegeben hat. Das ist sehrschlecht, wenn man eine Seite des ethnischen Konflikts zuerst aufrüstetund sie dann dazu drängt, die Lösung des ethnischen Problems aufmilitärischem Wege zu suchen. Das scheint auf den ersten Blickeinfacher zu sein, als mehrjährige Verhandlungen zu führen, Kompromissezu suchen. Das ist jedoch ein sehr gefährlicher Weg. Und die Entwicklung der Ereignisse hat es gezeigt.
Instruktoren,Lehrer im weiten Sinne, Personal, welches die Nutzung der geliefertenTechnik zeigt, sie alle müssen sich wo befinden? Auf Übungsanlagen undin den Übungszentren.Und wo waren diese Leute? In der Kampfzone! Und das drängt den Gedankenauf, dass die amerikanische Führung über die vorbereitete Aktiongewusst und mehr noch an dieser teilgenommen hat. Ohne einen Befehl derobersten Führung dürfen sich amerikanische Bürger nicht in derKonfliktzone aufhalten. In der Sicherheitszone durften sich lediglich die zivile Bevölkerung, Beobachter der OSZEund die Blauhelme. Wir jedoch haben da Spuren von amerikanischenStaatsangehörigen gefunden, die keiner dieser Gruppen angehören. Dasist die Frage: wieso hat die Führung der USA es erlaubt, sich ihrenBürgern dort aufzuhalten, die dort kein Recht dazu hatten?Und wenn siees erlaubt haben, dann hab ich die Vermutung, dass es mutwilligpassiert ist, um einen kleinen, siegreichen Krieg zu organisieren. Undfalls das schiefläuft, Rußland in die Rolle des Gegners zu drängen, umdaraufhin das Wahlvolk hinter einem der Präsidentschaftskandidaten zu vereinigen. Natürlich dem der Regierungspartei,da nur diese über eine solchen Ressource verfügen kann. Das sind meineAusführungen und Vermutungen. Es ist Ihre Sache, ob Sie mir zustimmenoder nicht. Aber sie haben das Recht zu existieren, da wir Spuren vonamerikanischen Staatsangehörigen in der Kampfzone gefunden haben.
Roth: Und eine letzte Frage, die mich sehr interessiert. Denken Sie nicht, dass Sie sich in der Falle Ihres eigenen autoritärenSystems befinden? Sie kriegen Informationen von Ihren Geheimdienstenund anderen Quellen, jedoch haben die Medien Angst etwas zu berichten,was nicht mit der Linie der Regierung übereinstimmt. Ist es nicht so,dass das von Ihnen geschaffene System, Ihnen die Möglichkeit einesbreiten Sichtfeldes auf diesen Konflikt nimmt, auf die Geschehnisse inEuropa und anderen Ländern?
Putin: Sehr geehrter Herr Roth, Sie haben unser politisches System als autoritärbezeichnet. Sie haben in unserer heutigen Diskussion auch mehrfach überunsere gemeinsamen Werte gesprochen. Woraus bestehen diese? Es gibteinige grundliegende Werte, wie das Recht zu leben. In USA z.B. gibtesimmernoch die Todesstrafe, in Rußland und Europa gibt es die nicht.Heißt das denn, dass Sie aus dem NATO-Block austreten wollen, weil eskeine vollständige Übereinstimmung der Werte zwischen den Europäern undAmerikanern gibt?
Jetzt zum Konflikt, über den wir heute sprechen.Wissen Sie denn nicht, was sich in Georgien die letzten Jahreabgespielt hat? Rätselhafter Tot des Ministerpräsidenten Shwania,Niederschlagung der Opposition, physische Zerschlagung vonProtestmärschen der Oppositionellen, Durchführung der Wahlen währendeines Ausnahmezustands und jetzt diese verbrecherische Aktion inOssetien mit vielen Toten. Und da ist natürlich ein demokratischesLand, mit der ein Dialog über die Aufnahme in die NATO oder gar EUgeführt werden muss. Und wenn ein anderes Land seine Interessenverteidigt, das Recht seiner Bürger auf Leben verteidigt, 80 unsererLeute wurden sofort getötet, 2000 aus der zivilen Bevölkerung wurdengetötet und wir dürfen unsere Bürger dort nicht schützen? Und wenn wirdas machen, dann nimmt man uns die Wurst weg? Wir haben die Wahl Wurstoder Leben. Wir wählen das Leben, Herr Roth.
Jetzt über den anderenWert: Pressefreiheit. Sehen Sie nur wie diese Ereignisse in deramerikanischen Presse beleuchtet werden, die als leuchtendes Beispielder Demokratie gilt. Und in der europäischen ist es ähnlich. Ich war inPeking, als die Ereignisse anfingen. Massierter Beschuß von Zchinwali,Anfang des Vorstoßes der georgischen Truppen, es gab sogar bereitsvielfache Opfer, es hat keiner ein Wort gesagt. Auch Ihre Anstalt hatgeschwiegen, alle amerikanischen Anstalten. So als ob gar nichtspassiert. Erst als der Agressor „in die Fresse“ bekam, "Zähnerausgeschlagen" bekommen hat, als er seine ganze amerikanischeAusrüstung aufgegeben und ohne Rücksicht gerannt ist, haben sich alleerinnert. An das internationale Völkerrecht, an das böse Rußland. Dawaren alle wieder auf der Stelle. Wieso eine solche Willkür [in derBerichterstattung]?
Nun zur „Wurst“: Wirtschaft. Wir wollen normale,wirtschaftliche Beziehungen zu allen unseren Partnern. Wir sind einsehr zuverlässiger Partner, wir haben noch nie einen Partner betrogen.Als wir Anfang der 60er die Pipeline in die BRD gebaut haben, hat unsertransatlantischer Partner den Deutschen geraten, diesem Projekt nichtzuzustimmen. Sie müssen das ja wissen. Damals hat die FührungDeutschlands die richtige Entscheidung getroffen und die Pipeline wurdezusammen mit der Sowjetunion gebaut. Heute ist eine der zuverlässigstenGas-Quellen für die deutsche Wirtschaft. 40 Mrd. m³ bekommt Deutschlandjedes Jahr. Und wird es auch weiterhin, das garantiere ich. Sehen wiruns das globaler an. Wie ist die Struktur unseres Exports in dieeuropäischen Länder und auch in die USA? 80 % davon sind Rohstoffe (Öl,Gas, Ölchemie, Holz, Metalle). Das alles ist von der europäischen undWeltwirtschaft in höchsem Maße gefragt. Das sind sehr gefragte Produkteauf dem Weltmarkt. Wir haben auch die Möglichkeiten inhochtechnologischen Gebieten, die sind jedoch sehr begrenzt. Mehr noch,trotz rechtsgültiger Abkommen mit der EU beispielsweise über atomarenBrennstoff, werden wir rechtswidrig vom europäischen Marktferngehalten. Wegen der Position unserer französischen Freunde. Abersie wissen davon, wir haben mit denen lange diskutiert. Und wenn jemanddiese Beziehungen aufgeben will, dann können wir nichts dagegen machen.Wir wollen das jedoch nicht. Wir hoffen sehr, dass unsere Partner ihrePflichten genauso erfüllen, wie wir unsere.
Das war über unserenExport. Was Euren Export, also unseren Import, angeht, so ist Rußlandein sehr zuverlässiger und großer Markt. Ich erinnere mich jetzt nichtan genaue Zahlen, Import der Maschinenbautechnologie aus Deutschlandwächst von Jahr zu Jahr. Dieser ist sehr groß heutzutage. Und wennjemand uns nicht mehr beliefern will, dann werden wir das wo anderskaufen. Nur wer braucht das, verstehe ich nicht?
Wir drängen aufeine objektive Analyse der Geschehnisse und wir hoffen, dass gesunderMenschenverstand und die Gerechtigkeit siegen werden. Wir sind dasOpfer der Aggression und wir hoffen auf die Unterstüzung unserereuropäischen Partner.
Zum Original TV-Interview nächste Seite {mospagebreak}
Das Original Interview in russischer Sprache mit deutschen Untertiteln. Schon nach wenigen Minuten erkennt man, dass wesentliche Passagen in der ARD Version schlicht fehlen. Zudem ist das Original-Interview rund 30 Minuten lang.
Original ARD Interview Teil 1
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Original ARD Interview Teil 2
{youtube}vEf7EwSxemk{/youtube}
Original ARD Interview Teil 3
{youtube}UuL3pKXgpOo{/youtube}
Auf der nächsten Seite die ARD Version: "Neun Minuten Interview mit Wladimir Putin im Wortlaut" {mospagebreak}
ARD Original:
Neun Minuten Interview mit Wladimir Putin im Wortlaut LINK zur ARD
"Mit Europa und den USA endet die Welt nicht"
Thomas Roth: Herr Ministerpräsident, nach derEskalation in Georgien sieht das Bild in der internationalenÖffentlichkeit so aus – damit meine ich Politik, aber auch Presse:Russland gegen den Rest der Welt. Warum haben Sie Ihr Land mit Gewaltin diese Situation getrieben?
Wladimir Putin:Ich bin überzeugt, dass das Ansehen eines jeden Landes, das im Standeist, das Leben und die Würde der Bürger zu verteidigen, eines Landes,das eine unabhängige Außenpolitik betreiben kann, dass das Anseheneines solchen Landes mittel- oder langfristig steigen wird. Umgekehrt:Das Ansehen der Länder, die in der Regel die Interessen anderer Staatenbedienen, die die eigenen nationalen Interessen vernachlässigen –unabhängig davon, wie sie das auch erklären mögen –, wird sinken.
"Unser Land wird nicht in Isolation geraten"
Roth: Sie haben die Frage trotzdem noch nicht beantwortet, warum Sie die Isolation ihres ganzen Landes riskiert haben…
Putin:Ich dachte, geantwortet zu haben, aber wenn sie zusätzliche Erklärungenbrauchen, das mache ich. Unser Land, das die Würde und den Stolzunserer Bürger verteidigen kann, und die außenpolitischenVerpflichtungen im Rahmen der Friedensstiftung erfüllen kann, wirdnicht in Isolation geraten. Mit Europa und den USA endet die Welt nicht.
Roth: Wo stehen wir? Ist es nur eine Eiszeit,ist es schon ein kalter Krieg, hat das Wettrüsten schon begonnen oderschließen sie alles aus?
Putin: Russland strebtkeinerlei Verschiebungen an, keinerlei Spannungen. Obwohl auch das seinkann. Wir wollen gutnachbarschaftliche, partnerschaftliche Beziehungenunterhalten.
"Wir wollen einheitliche Regeln für alle"
Roth: Die Europäische Union in Brüssel wird über Russland reden. Es wird wohlauch über Sanktionen gegen Russland zumindest geredet werden,möglicherweise werden sie beschlossen. Macht Ihnen das irgend eine Artvon Sorge oder ist Ihnen das egal, weil Sie sagen, die Europäer findensowieso nicht zu einer Stimme?
Putin: Würdeich sagen, wir pfeifen drauf, es ist uns egal, würde ich lügen.Natürlich verfolgen wir alles sehr aufmerksam. Wir hoffen, dass dergesunde Menschenverstand triumphieren wird, und wir glauben, dass einenicht politisierte, sondern objektive Einschätzung der Ereignissegegeben wird. Wir hoffen auch, dass die Aktionen der russischenFriedensstifter unterstützt werden und die Aktionen der georgischenSeite, dieser Verbrecher, sanktioniert werden.
Roth:Herr Ministerpräsident, müssen Sie sich in Wirklichkeit nichtentscheiden? Sie wollen auf der einen Seite auf eine intensiveZusammenarbeit mit Europa nicht verzichten, Sie können es meinesErachtens wirtschaftlich auch gar nicht, andererseits wollen Sietrotzdem nach eigenen russischen Spielregeln spielen. Also auf dereinen Seite ein Europa der gemeinsamen Werte, die Sie auch teilenmüssen, andererseits spielen Sie nach russischen Spielregeln. Beideszusammen geht aber nicht…
Putin: Wir wollennicht nach irgendwelchen besonderen Spielregeln spielen. Wir wollen,dass alle nach einheitlichen völkerrechtlichen Regeln vorgehen. Wirwollen nicht, dass diese Begriffe manipuliert werden, in einer Regiondie Regeln, in einer anderen die Regeln. Wir wollen einheitlicheRegeln. Einheitliche Regeln, die die Interessen aller Teilnehmerberücksichtigen.
"Wir haben die Anerkennung des Kosovo geschluckt"
Roth:Herr Ministerpräsident, Kritiker sagen, Ihr eigentliches Kriegsziel wargar nicht, nur die südossetische Bevölkerung – aus Ihrer Sicht – zuschützen, sondern zu versuchen, den georgischen Präsidenten aus dem Amtzu treiben, um den Beitritt Georgiens über kurz oder lang zur NATO zuverhindern. Ist das so?
Putin: Das stimmt nicht,das ist eine Verdrehung der Tatsachen, das ist eine Lüge. Wenn dasunser Ziel gewesen wäre, hätten wir den Konflikt begonnen. Aber das hatGeorgien gemacht. Jetzt gestatte ich mir, an die Tatsachen zu erinnern.Nach der nicht legitimen Anerkennung des Kosovo haben alle erwartet,dass wir Südossetien und Abchasien anerkennen. Alle haben daraufgewartet und wir hatten ein moralisches Recht darauf. Wir haben unszurückgehalten. Ja, mehr noch, wir haben das geschluckt. Und was habenwir bekommen? Eine Eskalation des Konfliktes. Überfall auf unsereFriedensstifter. Überfall und Vernichtung der friedlichen Bevölkerungin Südossetien. Das sind Tatsachen, die angesprochen wurden. Das sinddie Menschen, die ihr Land in die Katastrophe getrieben haben, diegeorgische Führung hat das mit eigenen Aktionen gemacht. DieStaatlichkeit des eigenen Landes torpediert. Solche Menschen solltenkeinen Staat führen, ob groß oder klein. Wären sie anständige Personen,sollten sie unbedingt zurücktreten.
Roth: Derfranzösische Außenminister Kouchner hat viele Sorgen geäußert in denletzten Tagen, als Minister der Ratspräsidentschaft. Er hat auch dieSorge geäußert, dass der nächste Konfliktherd um die Ukraine beginnt,nämlich um die Krim, um die Stadt Sewastopol. Ist die Krim das nächsteZiel, der Sitz der Schwarzmeerflotte?
Putin: Siesagten das nächste Ziel. Wir haben auch hier kein Ziel gehabt. Deshalbist es nicht korrekt, so zu reden. Und, wenn Sie gestatten, dannbekommen Sie eine zufriedenstellende Antwort: Die Krim ist keinkritisches Territorium, da hat es keinen ethnischen Konflikt gegeben,im Unterschied zum Konflikt zwischen Südossetien und Georgien. UndRussland hat längst die Grenzen der heutigen Ukraine anerkannt. ImGrunde genommen haben wir die Grenzverhandlungen abgeschlossen. Dableiben nur Demarkationsangelegenheiten, das ist eine technischeAngelegenheit. Und eine solche Frage riecht nach Provokation. Da gibtes innerhalb der Krim komplizierte Prozesse, Krim-Tataren, ukrainischeBevölkerung, russische Bevölkerung, also slavische Bevölkerung. Das istaber ein internes Problem der Ukraine. Es gibt einen Vertrag über dieFlotte bis 2017.
"Wir betrachten das als georgisches Territorium"
Roth: Wo sehen Sie die Aufgabe von Deutschland in dieser Krise?
Putin:Wir haben zu Deutschland sehr gute Beziehungen, vertrauensvolleBeziehungen, sowohl politische als auch ökonomische. Als wir mit HerrnSarkozy gesprochen haben, bei seinem Besuch hier, haben wir gesagt,dass wir keinerlei Territorien in Georgien wollen. Wir werden uns indie Sicherheitszone zurückziehen, die in den früheren internationalenAbkommen vereinbart wurde. Aber da werden wir auch nicht ewig bleiben.Wir betrachten das als georgisches Territorium. Unsere Absichtbesteht nur darin, die Sicherheit zu gewährleisten und es nicht so zumachen, dass da Truppen und Kriegsgerät heimlich geballt werden. Und zuverhindern, dass da die Möglichkeit eines neuen Konfliktes entsteht.Dann begrüßen wir die Teilnahme von Beobachtern der EU, der OSZE undnatürlich auch Deutschlands. Wenn die Prinzipien der Zusammenarbeitgeklärt sind.