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Arbeit und Markt

„Eine gerechte Gesellschaft muss gegen die Arbeitslosigkeit ankämpfen“ - Geld ist ein ökonomisches Finanzaktivum, das durch seine Funktionen definiert ist. Die reale Wirtschaft ist der Leistungsträger. Eine Firma stellt in der Regel kein demokratisches System dar.  Eine funktionierende mittelständische Gesellschaft erfordert eine breite Beteiligung am Eigentum an Produktionsmitteln. In der Politik ist das Problem „mehr oder weniger Staat“ ein Dauerthema.

 

(Wien) Dr. Josef Taus nimmt im Gespräch mit www.lex-press.at Stellung zur historischen Entwicklung unseres Euro, dem wirtschaftlichen Umfeld europäischer Staaten sowie zu den Kernthemen, wie sich Europa – und somit auch Österreich – dem globalen Wettbewerb stellen kann.

DR. JOSEF TAUS
1933 in Wien geboren, studierte Rechts- und Staatswissenschaften. 1968 bis 1975 Vorstandsvorsitzender der Girozentrale, 1975 bis 1979 Bundesobmann der ÖVP. 1986 bis 1989 im Vorstand der Constantia Industrieholding, seit 1989 im Vorstand und im Aufsichtsrat der Management Trust Holding AG.


Lexpress:

Herr Dr. Taus, seit Veröffentlichung Ihres Buches „Umverteilung Neu“ im Frühjahr 2011 hat sich an der Krise wenig geändert. Als „Kummer“-Schüler und vieljähriger Obmann des Instituts kamen Sie modernisiert aus der katholischen Soziallehre, deren Vision war, dass so viele Menschen wie nur möglich einen Anteil am Privateigentum von Produktionsmitteln haben sollen.

Dr. Josef Taus: „Die breite Streuung an Produktionsmitteln ist wahr­scheinlich wesentliche Vorausset­zung für das Funktionieren einer demokratischen Gesellschaft. Der Unterschied zu den Sozialdemokra­ten war, solange sie noch marxis­tisch beeinflusst gewesen sind, die weitgehende Reduktion des priva­ten Eigentums an Produktionsmit­teln. Es wird auch weiterhin politi­sche Systeme geben, die Privatei­gentum nicht akzeptieren. Aller­dings ist zu bedenken, dass das System des Privateigentums an Pro­duktionsmitteln immerhin dazu geführt hat, dass jene Länder die das akzeptieren, den größten ökonomi­schen Fortschritt erreicht haben. Das Wettbewerbssystem ist hart – und es hat einen Fortschritt ge­bracht. Vor zweihundert Jahren – das ist ja eine kurze Periode – haben sich das nur wenige  Mensch vorstellen können. Nehmen wir Österreich: Am Ende des Krieges war ich ein Bub von 12 Jahren und habe das zerstörte Land erlebt. Österreich hat sich trotz der Tat­sache, über wenig bis vergleichs­weise gar keine Bodenschätze zu verfügen, erstaunlich weit ent­wickelt. Und diesem Erfolg lag ein marktwirtschaftliches System zu­grunde.“

Unter Zuhilfenahme dieses Geldsystems sind enorm große Unternehmen entstanden und mit einem schwer kalkulierbaren Ausfallsrisiko behaftet.

Dr. Josef Taus: „Das Problem ist und war, dass Risiko wahrscheinlich aus keinem Wirtschaftssystem aus­schaltbar ist. Nun sagen wir aber, dass Menschen, soweit sie das wol­len, die Möglichkeit erhalten, sich an Gütern – etwa in Form von Aktien, Anleihen, Hybridkapital, etc – zu beteiligen, und so einen, even­tuell auch steuerlich vergünstigten, Ertrag erhalten. Da ist der Mittel­stand aufgerufen. Und schon Aristo­teles wusste, dass der Mittelstand das System einer jeden Gesellschaft trägt, nicht die Reichen. Die Gesell­schaft muss jedem ein menschen­würdiges Leben garantieren.“


Sie sprechen die „Volksaktie“ an?

Dr. Josef Taus: „In welcher Form auch immer. Die Menschen sollen am produktiven Eigentum  so weit wie möglich beteiligt sein. Wobei viele Menschen die Verantwortung für die unternehmerischen Entschei­dungen gar nicht tragen wollen. Was man daher besser verteilen sollte, ist die Ertragskomponente.“


Dies bedeutet für die Menschen auch Verantwortung zu tragen. Jeder „Marketing“-Wunsch bindet Anreize … Wie wollen Sie diese schaffen? Immerhin schultert der mittelständische Leistungsträger den Wohlfahrtsstaat.

Dr. Josef Taus: „Ich habe den größ­ten Teil meines Berufslebens in der Wirtschaft verbracht. In der Politik war ich in der Regel nur ein Ein­springer. In jedem meiner Tätig­keitsbereiche habe ich mich be­müht, das, was ich eben dargestellt habe, bestmöglich voranzutreiben. Meine Zeit ist mit einem Alter von fast achtzig Jahren begrenzt, aber solange man am Leben ist und noch etwas arbeiten kann, sollte man ver­suchen, dass man das, was man für richtig hält, durchzusetzen. Wichtig sind eine ständige Verbesserung der Bildung und der Ausbildung, För­derung der Talente und die Sorge um die Benachteiligten.“

Das Milieu, die Erziehung, spielt eine unglaublich starke Rolle. Diese Ungerechtigkeiten sind wohl nicht mit einem Schritt zu lösen.

Dr. Josef Taus: „Keinesfalls darf das Niveau so gedrückt werden, damit alle 'mitkommen'. Denn so verliere ich die Talente, die gefördert und gefordert werden müssen, um noch besser zu werden. Die grundlegen­den naturwissenschaftlichen Kennt­nisse müssen in die Technik umge­setzt werden. Das ist der entschei­dende Punkt. Der Physiker Joseph John Thomson hat 1897 den Nobel­preis für die Entdeckung des Elek­trons erhalten, kaum jemand kennt seinen Namen, abgesehen von den Fachleuten. Die Entdeckung ist die Grundlage eines großen Teils unse­res Aufschwunges. Telefon, Radio, Fernsehen, Internet usw.“

Eng verknüpft mit unserem Wirtschafts­problem und der Schuldenkrise seien, so schreiben Sie, die Ratingagenturen, durch deren Bewertungen die Risikoauf­schläge für die Staatsanleihen drama­tisch gestiegen sind. Doch unser Geld­system ist ja nicht erst seit 2009 auf Schulden aufgebaut.

Dr. Josef Taus: „Unser Finanzsys­tem hat eine einzige Funktion: Die Geldvermögensüberschüsse, wel­che Banken zu einem erheblichen Teil verwalten, zu den Geldvermö­gensdefiziten zu leiten – unter Zu­hilfenahme der Risikoeinschätzung. Mein Eindruck ist, dass Ratingagen­turen in vielen Fällen viel zu kon­ventionelle Überlegungen anstellen und damit die Politik nicht gerade positiv beeinflussen.“

Als Auslöser des Dilemmas in Europa und in den USA gilt die Immobilienblase. Und das beinhaltet doch eine sehr haus­gemachte Ursache.

Dr. Josef Taus: „Kurz gesagt: Im Rahmen einer ungeheuren politi­schen Welle wurde festgelegt, dass jeder Amerikaner ein Haus besitzen solle. Dies wurde von staatsnahen Unternehmen auch finanziert. Letzt­endlich kamen Investmentbanken auf die Idee der Bündelung der Darlehen und somit konnten den Europäern Anleihen verkauft wer­den. Die inflationäre Entwicklung am Markt wurde vorverkauft und so konnte Geld verdient werden. Das ist eine der Wurzeln der Krise.“

Von A-Z eine „durchdachte“ Entwicklung. Ist diese Tendenz zu unterbrechen? Es kann doch jederzeit eine marode Situation subventioniert werden, in der Hoffnung, eine Konjunktur im jeweiligen Umfeld zu bewegen. Wird also „morgen“ gefördert, dass eine jede Familie über ein Auto zu verfügen hat, um die auto­motive Industrie zu stützen, haben wir „übermorgen“ eine KFZ-Krise.

Dr. Josef Taus: „Soweit wird das wohl nicht kommen. Aber es sind schon Fehler passiert. Es war wirt­schaftlich nicht sehr vernünftig, Griechenland und Spanien in den Euroraum aufzunehmen. Wie über­haupt festzuhalten ist, dass der Euro eine überwiegend politische Ent­scheidung gewesen ist. “

Nicht alle wollten dieses Szenario. Manche Staaten haben sich – bis heute

– erfolgreich gewehrt.

Dr. Josef Taus: „Der Euro ist schon überwiegend politisch motiviert. Der deutsche Bundeskanzler Hel­mut Kohl hat nach der Wende, das für Deutschland große Ziel der Wiedervereinigung verfolgt und dem standen mächtige Gegner im Wege. Vor allem die britische  Pre­mierministerin Margaret Thatcher und der französische  Premierminis­ter François Mitterand. Kohl konnte aber Frankreich überzeugen, indem er Mitterand den Euro zugesagt hat. Auch Michael Gorbatschow hat letztlich zugestimmt.“

Der Euro begann also mit einer politischen Fehleinschätzung?

Dr. Josef Taus: „Das ist vielleicht zu hart formuliert. Nicht bedacht hat man, dass eine gemeinsame Wäh­rung einen erheblichen Souveräni­tätsverzicht der teilnehmenden Staaten notwendig macht. Das ist im Lichte der Geschichte Europas verständlich und daher ist das Problem bis heute nur partiell gelöst. Der ESM ist eine starke Institution in diese Richtung.“

Was aber lernt die Politik? Liegt nicht gerade dort eine besondere Verantwortung, die Situation sachge­recht und frei von Polemik zu erklären?

Dr. Josef Taus: „Man wird sich sicher über die weitere Entwick­lung des Bankensystems den Kopf zerbrechen. Manchmal habe ich nur den Eindruck, dass diese Fragen viel zu isoliert betrachtet werden. Der Bezug zur Realwirtschaft darf nie­mals verloren gehen, denn diese er­wirtschaftet den Wohlstand. Banken haben die wichtige Funktion der Finanzierung dieses Systems.“

Hier gehen die Ansichten auseinander, denn die einen sagen: Der Staat darf nicht zu stark werden“ und die anderen: „Wenn wir etwas sichern wollen, muss der Staat stark sein.“ Ist Verstaatlichung die Lösung für ein Land?

Dr. Josef Taus: „Neu aufkommende Ideen, das Privateigentum an Pro­duktionsmitteln auf Dauer einzu­schränken ist wahrscheinlich nicht richtig. Es kann aber notwendig sein, kurzfristig auch zu verstaatlichen.“

Der Staat muss ja nicht unbedingt Eigentum enteignen; ebenso kann er höher besteuern, um zum Endzweck zu kommen.

Dr. Josef Taus: „Der Staat kann immer höher besteuern, er muss nur wissen welche Konsequenzen das politisch und wirtschaftlich haben kann.“

Sie sprechen sich für eine Steigerung des Niveaus aus: Steigerung der Leistung, Förderung von Talenten, das breite Bildungsspektrum muss Schritt für Schritt gesteigert werden. Politisch geschieht sehr wenig.

Dr. Josef Taus: „Das Problem ist ja nicht einfach und die demokrati­sche Gesellschaft lässt Gott sei Dank nur evolutionäre Änderungen zu. Immer wieder müssen Wider­stände überwunden werden und dann, das gebe ich zu, geschehen manche Änderungen zu langsam und vielleicht auch zu wenig weit­gehend. Aber vielleicht ist das auch eine Bildungsfrage der handelnden Personen.“

Herr Dr. Taus, Sie sprechen von einer neuen und unbekannten Situation. Jetzt hatte aber ein jedes „Spiel“ sein Ende und wurde jeweils auch neu gestartet, unter neuen Regeln. Abgesehen vom Krieg und Zerfall Jugoslawiens herrscht in Europa Frieden seit gut 65 Jahren. Welchen Stellenwert muss sich Europa setzen?

Dr. Josef Taus: „Europa ist etwa seit dem 13. Jahrhundert die Vor­macht dieser Erde gewesen. Darü­ber kann man diskutieren. Manche sagen sogar, das erste europäische Weltreich haben die Römer gegrün­det. Durch die zwei Weltkriege hat Europa die Grundlage dafür gelegt, dass es seine Vormachtstellung ver­liert, politisch und wirtschaftlich. Die USA und Sowjetunion haben die Führungsrolle übernommen. Seit der Wende war es dann Amerika allein, aber uralte bedeu­tende Gesellschaften auf dieser Erde, wie die Chinesen und die Inder, werden mächtiger. Wie sich das weiterentwickeln wird, wage ich nicht zu sagen. Doch eines ist klar: wenn Europa will und die EU sich einigermaßen in Richtung eines sehr engen Staatenbundes mit einem hohen Ausmaß an zentraler Entscheidungsmacht entwickelt, kann Europa weiter eine starke Rolle spielen.“

Wir haben den Euro nun geschaffen und wollen ihn auch halten. Die Bandbreite der Währungsschwankungen kann  ­eventuell – in den Griff bekommen wer­den. Auch als Schutzmechanismus gegen die großen Weltwährungen?

Dr. Josef Taus: „Genau. Und nun leiden wir eben unter den langfristi­gen Geburtswehen einer Währung. Die EU hat rund 500 Mio Einwoh­ner und ca 4 Mio qm2 Fläche, damit sind wir weiter groß. Aus diesen gegebenen Werten muss nun, ohne die Geschichte zu vergessen – denn das wird nicht möglich sein – ein neues europäisches Bewusstsein zu schaffen sein. Also sollten wir alle, gewissermaßen, eine doppelte Staatsbürgerschaft haben. Eine nationale und eine europäische.“

Was braucht die österreichische Realwirtschaft?

Dr. Josef Taus: „Österreich hat alle Chancen, wir haben gute Produkte und innovative Menschen. Der mit­telständischen Wirtschaft muss aber geholfen werden, damit Neues geschaffen werden kann. Auch mit unorthodoxen Maßnahmen. Da wird es uns auch gelingen, große Unternehmen zu schaffen.“

www.lex-press.at

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