Die führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute haben ihre Prognose für das Wirtschaftswachstum im Jahr 2019 deutlich gesenkt.
Wirtschaftsforschungsinstitute erwarten für Deutschland eine Zunahme des Bruttoinlandsprodukts um 0,8 Prozent. Das ist mehr als ein Prozentpunkt weniger als im Herbst 2018, als man noch mit 1,9 Prozent rechnete.
Hingegen bestätigen die Institute ihre vorherige Prognose für das Jahr 2020: Das Bruttoinlandsprodukt dürfte dann um 1,8 Prozent zunehmen. Das geht aus dem Frühjahrsgutachten der Gemeinschaftsdiagnose hervor, das am Donnerstag in Berlin vorgestellt wird.
„Der langjährige Aufschwung der deutschen Wirtschaft ist zu Ende“, sagt Oliver Holtemöller, Leiter der Abteilung Makroökonomik und stellvertretender Präsident des gastgebenden Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH).
Wegen politischer Risiken hätten sich die weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen weiter eingetrübt. Aber der Konjunktureinbruch in der zweiten Jahreshälfte 2018 sei vor allem auf Produktionshemmnisse in der Industrie zurückzuführen. „Die Gefahr einer ausgeprägten Rezession halten wir jedoch bislang für gering“, ergänzt Holtemöller. Die Prognose wurde bereits am 29. März 2019 abgeschlossen, als eine Vermeidung eines harten Brexit noch möglich schien.
Dies ist mittlerweile zwar weniger wahrscheinlich geworden, aber noch nicht ausgeschlossen. Kommt es zu einem No-Deal-Brexit, dürfte das Wirtschaftswachstum in diesem und im kommenden Jahr deutlich niedriger ausfallen als in dieser Prognose ausgewiesen.
Der Beschäftigungsaufbau wird voraussichtlich an Fahrt verlieren. Die Zahl der Erwerbstätigen dürfte dennoch weiter leicht steigen, von 45,3 Millionen in diesem Jahr auf 45,5 Millionen im nächsten Jahr. Gleichzeitig sinkt die Zahl der Arbeitslosen von 2,2 auf 2,1 Millionen Menschen. Damit geht die Arbeitslosenquote von 4,8 Prozent auf 4,6 Prozent zurück.
Die Verbraucherpreisinflation wird sich voraussichtlich von 1,5 Prozent im Durchschnitt dieses Jahres auf 1,8 Prozent im nächsten Jahr erhöhen. Dabei nimmt der binnenwirtschaftliche Preisauftrieb zu. Für den gesamten Prognosezeitraum erwarten die Institute kräftige Finanzierungs-überschüsse des Staates, die allerdings deutlich kleiner werden. Lag der historische Rekord im vorigen Jahr noch bei 58 Milliarden Euro, dürften es in diesem Jahr 41,8 und im nächsten Jahr 35,6 Milliarden Euro sein.
Die Finanzpolitik sollte angesichts der konjunkturellen Abkühlung die automatischen Stabilisatoren wirken lassen. Um einer „Schwarzen Null“ willen sollte der Konjunktur nicht hinterhergespart werden, denn konjunkturbedingte Defizite lassen die deutsche Schuldenbremse und das europäische fiskalpolitische Regelwerk ausdrücklich zu.
Die Risiken für die deutsche und die weltweite Konjunktur haben sich gegenüber dem Herbst 2018 vergrößert. Auf internationaler Ebene liegen Gefahren im Handelsstreit zwischen den USA und China sowie im weiterhin ungeklärten Brexit-Verfahren. National belasten der Fachkräftemangel, Lieferengpässe sowie Schwierigkeiten in der Autoindustrie die Konjunktur.
Die Gemeinschaftsdiagnose wird erarbeitet vom DIW in Berlin, vom ifo Institut in München, vom IfW in Kiel, vom IWH in Halle und vom RWI in Essen.