Anders als in den drei Vorjahren haben die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) im Jahr 2019 viel mehr Geld ausgegeben als eingenommen.
Das berichtet die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" unter Berufung auf eigene Berechnungen. Der Negativsaldo betrug demnach rund 1,6 Milliarden Euro.
2018 hatten die Kassen noch einen Überschuss von fast 2 Milliarden Euro eingefahren. Das Defizit von 2019 ist das erste seit 2015. Die neuen Angaben beruhen auf den vorläufigen Erhebungen der Verbände unter ihren Mitgliedskassen. Das sind die Allgemeinen Ortskrankenkassen, die Betriebskrankenkassen, die Innungskrankenkassen, die Ersatzkassen und die Knappschaft Bahn-See.
Den größten Fehlbetrag, 859 Millionen Euro, meldet der Verband der Ersatzkassen, nachdem dessen Mitgliedsunternehmen 2018 noch einen Überschuss von 561 Millionen Euro geschafft hatten.
Mehr als die Hälfte des Defizits entstand im letzten Quartal des Jahres 2019. Die wichtigste GKV-Gruppe, die der AOK, hatte im Vorjahr einen Überschuss von fast 1,1 Milliarden Euro erwirtschaftet, 2019 drehte das Ergebnis auf -122 Millionen Euro.
Beachtlich war auch der Rückgang bei den Innungskassen, von +77 auf -231 Millionen Euro. Die Knappschaft verzeichnete eine Verschlechterung von +91 auf -58 Millionen Euro. Bei den Betriebskrankenkassen sind es nach +198 Millionen im Jahr 2018 diesmal -295 Millionen Euro.
Als Grund für die schlechte Entwicklung nennen die Kassen die stark gestiegenen Leistungsausgaben je Versichertem. Bei den Ersatzkassen nahmen sie 2019 im Vorjahresvergleich um 5,6 Prozent zu, während die Einnahmen nur um 3,6 Prozent wuchsen.
Besonders stark war der Ausgabenanstieg bei Medikamenten und Heilmitteln. Die Erlöse wiederum wurden durch die Senkung des Zusatzbeitrags in der Techniker Krankenkasse belastet.
Auch der AOK-Bundesverband meldet, dass 2019 die Steigerungsrate der Leistungsausgaben mit 4,4 Prozent besonders hoch gewesen sei. Verbandschef Martin Litsch monierte in diesem Zusammenhang, dass die Politik den Versicherten sinkende Beiträge versprochen habe, aber gleichzeitig dafür sorge, dass die Kosten stark stiegen.
"Die Ausgabenentwicklung in der GKV nimmt Fahrt auf. Als Resultat spüren die Kassen erheblichen Druck auf die Beiträge, die Versicherten erleben aber noch keine bessere Versorgung", sagte Litsch der FAZ. Die Defizite sind politisch gewollt, damit die riesigen Reserven in der GKV abschmelzen.
In den ersten drei Quartalen 2019 betrugen diese Rücklagen und Betriebsmittel annähernd 21 Milliarden Euro. Das entsprach mehr als den Ausgaben aller Kassen in einem Monat und dem Vierfachen der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestreserve.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte mehrfach darauf hingewiesen, dass der gewollte Abbau der Rücklagen buchungstechnisch zu einem "unechten Defizit" führe. "Beitragsgelder sind keine Spareinlagen", sagte der Minister im Dezember. Mit raschen Beitragssteigerungen ist daher erst einmal nicht zu rechen.
Foto: Krankenhaus, über dts Nachrichtenagentur